Coach Haas: «Ohne überragenden Quarterback kannst du nicht gewinnen»

Die Calanda Broncos haben am Wochenende in Zürich ihr viertes Saisonspiel gewonnen. Wir haben den Churer GRHeute-Football-Kolumnisten Robin Haas, derzeit in der Organisation der Basel Gladiators als U19-Headcoach tätig, zum Stand der Dinge in der Football-Schweiz befragt.

Coach Haas, rund ein Drittel der Schweizer Football-Saison ist schon vorbei. Die 0:21-Niederlage Basels in Winterthur war letztes Wochenende eine der bisher grössten Überraschungen. Was ist passiert?

Nicht viel. Wir haben im Angriff Mühe gehabt. Aber man muss auch sagen, dass Winterthur ziemlich stark war, auf jeden Fall besser als die letzten Jahre. Die Broncos haben ja noch nicht gegen Winti gespielt, da wird man sehen, wie gut sie wirklich sind.

Dafür hat Aufsteiger Lausanne nach dem Startfurioso etwas an Schwung verloren. Am Sonntag gab’s eine 7:26-Niederlage gegen Bern…

…wobei man sagen muss, dass Lausannes Import-Quarterback verletzt war und sie mit einem U19-Spielmacher antreten mussten. Und das ist in der NLA einfach so: Du kannst nicht gewinnen ohne überragenden Quarterback. Insofern ist die Niederlage einigermassen akzeptabel ausgefallen. Lausanne ist eine gute Mannschaft und ich habe schon vor Saisonbeginn vorausgesagt, dass sie die Playoffs schaffen werden. Dabei bleibe ich.

Aber die Grizzlies muss man als erste Herausforderer der Broncos betrachten, oder?

Im Moment schon, obwohl ich nicht sicher bin, dass das so bleibt. Ich bin immer noch guter Hoffnung, dass Basel noch einen Schritt nach vorne macht. Coach Wood hat schon mehrfach bewiesen, dass seine Teams im Verlauf der Saison stärker werden.

Kommen wir zum letzten Spiel des Wochenendes: Der 42:21-Sieg vom Samstag der Calanda Broncos bei den Zürich Renegades. Man muss schon fast sagen: ein standesgemässer Sieg, oder?

Ich habe das Spiel am Samstag gesehen. Es war tatsächlich eine ziemlich einseitige Angelegenheit, dabei sind die Broncos mit sehr wenigen Spielern angetreten, viele fehlten oder fielen wie Adrian Sünderhauf früh aus. Es war schon eindrücklich, wie die Broncos-Defense, mit Jamal Clay und zehn jungen Spielern aus der Region, die Zürcher stoppte.

Das heisst, das wird auch am Samstag im Rückspiel zwischen den beiden schwer für die Zürcher?

Sie spielen an der Ringstrasse? Nein, da haben sie keine Chance.

Das Spiel des Weekends findet ja sowieso in Lausanne statt. Da spielt ihr Gladiators bereits in einem wichtigen Duell mit Playoff-Bedeutung?

Es ist ganz klar, dass wir da gewinnen müssen. Aber vielleicht brauchen wir den Druck, das war die letzten Jahre immer so.

Ihr habt gestern auf «20 Minuten» für Furore gesorgt. Die Gladiators fordern ein Stadion in Basel. Seid ihr an die Öffentlichkeit gegangen, um Druck zu erzeugen?

Man muss sehen, uns war das Stadion Rankhof für alle sechs Heimspiele von Ende Mai bis Anfang Juli zugesichert worden. Kurz vor Saisonbeginn bekamen wir Bescheid, dass wir nur zweimal im Rankhof antreten dürfen. Die restlichen Heimspiele müssen wir nun auf dem Sportplatz Sandgrube in Pratteln austragen. Ziel wäre es, im Leichtathletik-Stadion auf dem St. Jakob-Areal spielen zu können. Wir sehen nicht ein, warum Frauenfussball, der U21-Nachwuchs oder Concordia Basel, die allesamt vor sehr wenigen Zuschauern spielen, hier bevorzugt werden.

Zu einem anderen Thema: Du bist ja bekanntlich U19-Headcoach bei Basel. Dein Team ist nicht nur mit 4 Siegen in 4 Spielen klar an der Spitze. Ihr habt noch keinen einzigen Punkt kassiert. Ist das dein Ziel, eine ganze Saison voller Shutouts?

(lacht) Nein, das ist fast nicht möglich. Wir müssen uns auf das konzentrieren, was zählt, und das ist zu gewinnen. Selbst wenn es theoretisch möglich wäre, wäre eine Saison ohne Gegenpunkt unwahrscheinlich, da es im Verlauf der Saison immer irgendwelche glücklichen oder unglücklichen Bounces gibt. Aber wie gesagt: Unsere Spieler sprechen zwar schon von dieser Streak und dass man sie am Leben halten will, aber letztlich geht es ums Gewinnen.

Läuft darauf hinaus, dass die Berner U19 euch als Einzige fordern kann, oder?

Ich habe die Grizzlies U19 im Startspiel gegen die Broncos gesehen. Sie sind gut. Allerdings war ich auch etwas negativ überrascht, dass die Broncos nach dem Meistertitel so abfallen. Klar gibt es im Nachwuchs immer Zyklen, in denen man besser oder schlechter ist, aber ich hätte die Broncos Juniors nach all den erfolgreichen Nachwuchsjahren stärker eingestuft.

Zu einem anderen Bündner Thema: Mit den Chur Lumberjacks hat die Kantonshauptstadt eine zweite Football-Mannschaft. Mit vier Niederlagen in vier Spielen ist sie in der NLC nicht gerade erfolgreich gestartet.

Ja, und zwei dieser vier Gegner waren ebenfalls neue Teams. Ich habe sie in Lugano gesehen, und da hatten sie wirklich grosse Mühe. Aber es ist gut, sie haben viele Spieler und, wie ich gehört habe, eine coole Heimspiel-Ambiance in Ems. Sie müssen jetzt halt einfach Lehrgeld zahlen, das ist normal. Im Vergleich zu früher ist das nichts, wir haben damals in den ersten Jahren der Broncos 0:70 und so ähnlich verloren. Aber bis zu einem Duell mit den Broncos geht’s auf jeden Fall noch lange. Sehr lange. Das braucht viele Jahre.

Zu einem anderen Thema: Moritz Böhringer, Passfänger der Schwäbisch Hall Unicorns, wurde am Wochenende als erster deutscher Spieler direkt aus Europa von den Minnesota Vikings in die NFL gedraftet. Wie hast du das verfolgt?

Man wusste, dass er eine Aussenseiterchance hatte. Und nach seinen herausragenden Test-Resultaten bekam er plötzlich Momentum in den Medien und ich habe noch gewerweisst, ob er es schaffen würde, in der 6. oder 7. Runde gezogen zu werden. Ich habe die Ziehung online mitverfolgt und freute mich, als plötzlich sein Name fiel. Für den europäischen Football-Sport wird das einen weiteren Schub auslösen. Die jungen Spieler haben nun gesehen, dass man es auch ohne den Weg über High School und/oder College schaffen kann.

 

(Archivbild: Robin Haas mit dem ehemaligen Broncos-Söldner DJ Wolfe/SAFV)