Corona nervt – und jetzt?

Die Corona-Zahlen schnellen seit Wochen nach oben, auch in Graubünden scheint die vielzitierte zweite Welle nun anzukommen. Das Asylzentrum Davos Laret steht mit 86 Betroffenen unter Quarantäne, in Chur wurden nach einem positiven Coronafall im Viva-Club gleich 300 Besucherinnen und Besucher in Isolation geschickt. 80 aktive Covid-19-Fälle im Kanton sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache. Und trotzdem hat irgendwie kaum mehr jemand Lust auf Drama – oder überhaupt auf das Thema Corona. 

Warum auch? Die Spitalbetten bleiben trotz den hohen Fallzahlen mehrheitlich leer, vor allem, weil sich derzeit vor allem junge, in den allermeisten Fällen nicht gefährdete Personen anstecken. Die meisten Betroffenen scheren sich auch gar nicht mehr darum, ob sie in Quarantäne müssen oder auch ob sie Covid-19-positiv sind. Selbst wenn man angesteckt ist, passiert ja den allerallermeisten nichts Schlimmes. «Mir wäre es egal, den Coronavirus zu bekommen, Angst hätte ich höchstens, jemand anders anzustecken», hört man immer wieder. 

«Wirtschaftlich matchentscheidend»

Die Kantone haben weiter Angst vor einer Eskalation, Bern, Zürich und das Tessin haben angesichts der steigenden Zahlen eine allgemeine Maskenpflicht im öffentlichen Raum angeordnet. Auch in Graubünden – so sind viele überzeugt – ist diese nur noch eine Frage der Zeit. Aber offenbar nicht zu jedem Preis: Die Seilbahnen Schweiz kommunizierten gestern, man dürfe im kommenden Winter auch ohne Masken auf die Skilifte (ausser in geschlossenen Räumen wie Gondeln), die Destinationen seien vorbereitet. «Wirtschaftlich matchentscheidend», schreibt der Branchenverband, sei die Wintersaison. Derweil lechzen die Medien weiter nach jeder noch so hanebüchenen Corona-Story (Echinaforce lässt grüssen), freuen sich auf Klicks und darauf, dass ihr unverzichtbarer Qualitätsjournalismus bald mit Gold aufgewogen wird. Unterstützt von der Politik, die sich noch nicht ganz sicher ist, ob hinter der Angst ums Bätzali ein fundamentaler Systemfehler oder einfach nur die normale, regulierbare, menschliche Geldgier steht. 

 

Bleibt der Rückblick auf den Frühling, als der Bundesrat die ganze Wirtschaft stilllegte. Und gleichzeitig mit Blick auf die fehlenden Reserven behauptete, Masken würden nichts bringen. Heute hat die Landesregierung die Verantwortung feinsäuberlich an die Kantone zurückgegeben, der ehemalige Mister Corona verdient sich als Experte im privatwirtschaftlichen Ruhestand eine goldenen Zustupf – und sonst scheint niemand mehr wirklich was Verbindliches zu wissen. 

Fragen über Fragen

Kommt der Impfstoff? Oder müssen wir mit Corona leben? Ist das schon die zweite Welle oder ist das Ganze überhaupt nicht so schlimm – und stattdessen nur eine blöde Farce, die uns allen Angst gemacht hat? Wehren wir diese Fragen einfach nur schnöde ab, weil wir nicht wahrhaben wollen, dass wir uns alle selbst verarscht haben? Oder geben wir ernsthaft unser Bestes, um das Ganze im Griff zu behalten? Und wer trägt überhaupt Schuld an der ganzen Misere, dass wir offenbar völlig führungslos von täglicher Fallzahl über 7-Tage-Schnitt zu Positivraten schlittern? Man kann es nicht mehr hören. 

 

In einer Zeit, in der jeder ein Experte für alles ist und selbst die glaubwürdigste Instanz «Wissenschaft» keine Antworten mehr bereit zu haben scheint, bleibt fast nur die Sicht von aussen – von ganz weit aussen. In Anlehnung an den guten alten Musenalp: Vom Mond aus betrachtet spielt das alles gar keine so grosse Rolle, wenn diese kleinen Lebewesen auf der Erde wie in Panik geratene Ameisen umherwuseln.  
 
 
(Symbolbild: Pixabay)