Franco Membrini arbeitet zur Zeit an der University of Edinburgh an seiner Master-Arbeit unter dem Titel «Diplomacy in Times of Confessionalism. Foreign Policy of the Three Leagues in the Early Modern Era.» Zuvor studierte der 24-Jährige in Bern und Bologna internationales Recht, Betriebsökonomie und Geschichte. Der Churer kommentiert für GRheute in regelmässigen Abständen wichtige internationale Wirtschafts- und Politereignisse.
Am 1. November wählte die Türkei ein neues Parlament. Bei den zweiten Wahlen innerhalb von fünf Monaten erreichte die Regierungspartei Erdogans wieder ein absolutes Mehr. Die Bedeutung dieser Richtungswahl ist aus westlicher Sicht nicht zu unterschätzen.
Im Mai 2015 hatte die islamisch-konservative AKP von Staatspräsident Erdogan das absolute Mehr verfehlt. Am letzten Sonntag nun eroberte die vor 15 Jahren gegründete Partei wieder 317 von 550 Sitzen. Die Gründe für diesen Sieg sind vielfältig: Über den neu entflammten Konflikt mit der kurdischen PKK, Bombenanschläge in Ankara bis zu der Bedrohung durch den Islamischen Staat liessen sich viele Wähler von der stabilitäts- und sicherheitsversprechenden AKP überzeugen.
Der Grund, weshalb diese zweite Wahl innerhalb kürzester Zeit stattfand, ist aber wesentlich wichtiger. Nach der Niederlage der AKP im Mai scheiterten jegliche Koalitionsgespräche. Ob Erdogan und die AKP tatsächlich die Absicht hatten, die Regierungsverantwortung zu teilen bleibt höchst zweifelhaft. Durch das Scheitern einer Regierungsbildung wurden Neuwahlen just in dem Moment fällig als die sicherheitspolitischen Positionen der AKP wieder gefragt waren.
Der Despot am Bosporus ist aber nicht nur am Machterhalt seiner AKP interessiert. Der Staatspräsident, offiziell eine rein zeremonielle Stellung, strebt krampfhaft eine Verfassungsänderung und die Umwandlung in ein präsidiales System an. Um dies zu bewerkstelligen, fehlt Erdogan aber nach wie vor eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.
Europa sollte nun an der Kritik an Staatspräsident Erdogan festhalten. Auch wenn die Türkei ein wertvoller Verbündeter in Herausforderungen wie der Flüchtlingskrise oder dem Kampf gegen den IS sein kann (und die Regierung sich dieser Verhandlungsmacht bewusst ist), sollten undemokratische Praktiken nicht belohnt werden. Vor allem die EU muss diese Position innerhalb der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei klarmachen.
(Bild: JB Autissier/EQ Images)