Mit drei von fünf Sitzen in der Bündner Regierung hält die aus der Fusion von CVP und BDP entstandene Partei «Die Mitte» derzeit die absolute Mehrheit in der Bündner Regierung. Die neue Partei wird versuchen, die Machtverhältnisse auch in der nächsten Legislatur zu bewahren. Für die SVP besteht wohl nur die Chance, in den Regierungsrat einzuziehen, wenn sie der Mitte einen Sitz abluchst.
Am 15. Mai 2022 schlägt die Stunde der Wahrheit. Nach diversen politischen Erdbeben in den letzten Jahren – unter anderem dem doppelten Mandatsgewinn der SP an den Nationalratswahlen 2019 oder der Fusion der CVP mit der BDP – wird Mitte Mai an den Erneuerungswahlen für die Regierung für die Amtsdauer vom 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2026 erneut abgerechnet. Ausserdem werden die Karten im Grossen Rat nach der Umsetzung eines neuen Wahlsystems völlig neu gemischt.
Die Ausgangslage ist brisant. Von den fünf bisherigen Regierungsräten stellen sich die Mitte-Kandidaten Marcus Caduff (zuvor CVP) und Jon Domenic Parolini (zuvor BDP) ebenso der Wiederwahl wie Peter Peyer von der SP. Normalerweise haben bisherige Kandidaten die Wiederwahl so gut wie auf sicher, ganz so eindeutig ist die Situation aber nicht. Ein Blick auf die Situation in den Parteien:
SP: Peter Peyer kandidiert erneut für die Regierung, seine Wiederwahl steht so gut wie fest. Ob die SP noch eine zweite Kandidatur bringt, war indes lange ungewiss. Die Sozialdemokraten würden gerne eine Frau auf ein Ticket bringen. Vor allem Sandra Locher Benguerel, die 2019 überraschend in den Nationalrat gewählt wurde, ist ein Name, der immer wieder auftaucht. Dank der Unterstützung der GLP und der Grünen erlangte die Linke an den Parlamentswahlen 2019 gemeinsam 30,9 Wahlprozente in Graubünden. Ein Wert, bei dem man durchaus mit einem zweiten Sitz liebäugeln könnte – zumal die GLP und die Grünen die SP erneut unterstützen. Nach einigen Überlegungen hat sich die SP dazu entschieden, «nur» mit Peter Peyer ins Regierungsratsrennen zu steigen.
Kandidat: Peter Peyer (bisher)
SVP: Mit 29,9 Prozent war die SVP an den letzten Parlamentswahlen zwar erneut die stärkste einzelne Partei im Kanton. Ein Sitz im Nationalrat und keinen im Ständerat und in der Bündner Regierung ist allerdings deutlich zu wenig für den Stimmenanteil der Volkspartei. Bei den letzten Regierungsratswahlen scheiterte die SVP nur hauchdünn mit ihrem Kandidaten Walter Schlegel. Und auch wenn man mit Valérie Favre Accola eine interessante Kandidatin im eigenen Lager hätte, entschied sich die SVP Graubünden, auf den Trimmiser Gemeindepräsidenten Roman Hug zu setzen, um endlich wieder einen Sitz in der Bündner Regierung zu erobern.
Kandidat: Roman Hug
Die Mitte: Zählt man die Stimmenprozente der CVP (16,3%) und der BDP (9,1%) bei den letzten Parlamentswahlen zusammen, wäre die Mitte hinter der SVP die zweitstärkste Partei im Kanton. Durch den Zusammenschluss besetzt die Mitte-Partei aber gleichwohl drei der fünf Sitze in der Bündner Regierung. Rein arithmetisch betrachtet ist die Partei in der Regierung übervertreten. Klar ist aber auch, dass die Mitte-Partei die absolute Mehrheit in der Regierung nicht kampflos aufgibt. Marcus Caduff als Bisheriger dürfte unbestritten sein. Sein Amtskollege Jon Domenic Parolini verteidigte seinen Sitz 2018 nur hauchdünn gegenüber der SVP (nicht zuletzt wegen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Baukartell-Skandal) und läuft trotz des Bisherigen-Bonus Gefahr, aus der Regierung auszuscheiden. Denn mit der Ilanzer Gemeindepräsidentin Carmelia Maissen steigt die Mitte mit einer weiteren Kandidatin ins Rennen, die nicht nur wegen des Frauen-Bonus über die Partei-Grenzen hinweg Sympathien geniesst. Eine Wahl Maissens ist wahrscheinlich.
Kandidaten/-in: Marcus Caduff (bisher), Jon Domenic Parolini (bisher), Carmelia Maissen
FDP: Auch die FDP muss einen Sitz verteidigen. Nach dem wegen Amtszeitbeschränkung ausscheidenden Christian Rathgeb hatten die Liberalen ihr Kandidaten-Feld auf vier Personen reduziert: Die Grossräte Vera Stiffler (Chur) und Maurizio Michael (Castasegna), Martin Bühler (Fideris), Leiter des kantonalen Corona-Führungsstabs, und der Churer Stadtpräsident Urs Marti. Im Oktober fiel die etwas überraschende Entscheidung, auf den Mister Corona Martin Bühler zu setzen. Als Favoriten waren zuvor Urs Marti und Vera Stiffler gehandelt worden.
Kandidat: Martin Bühler
(Bild: Aus 6 mach 5: Peter Peyer, Roman Hug, Carmelia Maissen, Jon Domenic Parolini, Marcus Caduff, Martin Bühler/Bild-Montage GRHeute)