Der Frust ist gross

In Graubünden wird der bundesrätliche Entscheid, in den Skigebieten auch die Terrassen zu schliessen, mit Enttäuschung kommentiert. 

Die Hoffnung, der Bund werde das Bündner Schutzkonzept mit regelmässigen Massen-Testungen als «Kompensation» anerkennen, hat sich zerschlagen. Auch für die Bündner Skigebiete gibts keine Ausnahme mehr: Die Terrassen müssen geschlossen werden, unabhängig davon, ob entsprechende Schutzkonzepte vorliegen oder nicht. Im Gegensatz zu anderen Kantonen ist ‹ziviler Ungehorsam› für den Bündner Justiz- und Gesundheitsdirektor Peter Peyer keine Option: «Wir werden uns an die Spielregeln des Bundesrats halten», sagte er gegenüber Radio SRF. Andere Kantone wie Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Uri, Glarus und das Tessin wollen die Terrassen hingegen offenhalten. Zum einen, weil es sich dabei um kantonale Entscheidungsbefugnisse handle, zum andern, weil sie der Meinung sind, dass es epidemiologische Vorteile habe, die Terrassen offenzuhalten. In dieselbe Stossrichtung argumentieren auch Bündner Touristiker, wie Davos/Tourismus in einer Medienmitteilung schreibt: «Der bislang geordnete Terrassenbetrieb ermöglichte es, Gäste in Vierergruppen zu trennen und so einen guten Schutz gegen Covid-19-Ansteckungen zu bieten.» Stattdessen befürchtet die Toursimus-Organisation nun «Chaos am Take-away». 

Reto Branschi, CEO/Direktor der Destination Davos Klosters, versteht die Welt nicht mehr: «15 Personen können an einem Grillfest neben der Terrasse teilnehmen. Zu viert geordnet auf einer Ski-Terrasse mit Abstand und Schutzkonzept geht aber nicht.» Aus Sicht der Berggastronomie werde nun eines der letzten, kleinen Geschäftsfelder so beschnitten, dass sich die betroffenen Betriebe einmal mehr die Frage stellen müssten, ihre Betriebe zu schliessen. «Es ist aber im Sinn der Gäste und deren Gesundheit, wenn in den Skigebieten so viele Gastronomieangebote offen bleiben wie möglich. Nur so können sich Gäste gut verteilen und Menschenansammlungen vermieden werden», betont Branschi. Die Davoser Touristiker rufen die Bündner Regierung auf, nicht aufzugeben und ihren Entscheid trotz massiven Drucks des Bundes nochmals zu überdenken – und noch einmal alles dafür zu tun, dass die Zuständigen auf Bundesebene ihre Haltung in dieser Frage ändern. In der Realität wohl ein frommer Wunsch. 

Harsche Kritik von bürgerlicher Seite

Auch von Seiten der Politik hagelte es am Donnerstag Kritik. «Wir sind sehr enttäuscht, dass der Bund die aktive Teststrategie des Kantons bei den Lockerungsschritten nicht honoriert. Die Öffnungsschritte des Bundesrates gehen zu wenig weit, sind zu langsam und tragen den Erfolgen in der Bekämpfung der Pandemie im Kanton nicht Rechnung», äussert sich beispielsweise die BDP Graubünden und fordert die Bündner Regierung auf, am aktiven Testen festzuhalten. Der bundesrätliche Entscheid, die aktive Teststrategie des Kantons nicht zu honorieren, sei enttäuschend und – dass die Skiterrassen geschlossen werden müssen – nicht nachvollziehbar. Skigebiete hätten durch die konsequente Umsetzung der Schutzkonzepte Verantwortung übernommen und aufgezeigt, dass die Lenkung der Gäste durch die Offenhaltung der Skiterrassen funktioniere. 

Auch die Skiterrasse des Bergrestaurants Chalet Gueggel am Jakobshorn muss zumachen.

Die FDP Graubünden geht mit ihrer Kritik noch weiter. «Die bekanntgegebenen Beschlüsse des Bundesrates sind nach Auffassung der Bündner FDP mutlos und völlig inakzebtabel. Die vorgängige Vernehmlassung der Bündner Regierung zu den Ideen des Bundesrats wurden aufs Gröbste übergangen. Man kann durchaus von Desavouierung sprechen.» Die Partei kritisiert die Regierung auf Bundes- und Kantonsebene ausserdem wegen der «äusserst schleppenden Impfung der Bevölkerung, die zum Teil seit Wochen dringend auf einen Impftermin warten»: «Graubünden hätte es in der Hand gehabt, auch beim Impfen ohne wenn und aber Spitzenreiter zu werden, nicht nur beim Testen. Die FDP fordert im Interesse der Bevölkerung folglich einmal mehr ein klares Ausstiegsszenario aus der Pandemie und insbesondere rasche Öffnungen der Gastrobetriebe.»

«Löst Kopfschütteln aus»

Auch die CVP Graubünden übt Kritik. «Dass der Druck aus Bundesbern massiv erhöht worden ist, Terrassen in Skigebieten zu schliessen, ist völlig unverständlich. Wir haben sehr gute Zahlen und das müsste eigentlich belohnt werden», so Kevin Brunold, Parteipräsident der CVP Graubünden, «es ist sehr befremdend, dass der Bund die Leistungen des Kantons in der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ignoriert und den Kanton zusätzlich noch bestraft. Dies löst bei uns Kopfschütteln aus und zeigt, dass der Bund über die besonderen Leistungen der Kantone hinweg entscheidet. Regionale Unterschiede und proaktives Handeln werden gekonnt missachtet und übergangen.»

Bereits am Dienstag hatte sich von Seiten der SVP Graubünden Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher wegen der stossenden «Alleinherrschaft des Bundes» zu Wort gemeldet. Ein Vorstoss in der Wirtschaftskommission des Nationalrats soll dazu führen, die aktuellen Befugnisse des Bundesrates einzuschränken. Für die Volkspartei wird die «Bündner Bevölkerung im Stich gelassen»: «Nächste Woche beginnen in praktisch allen Bündner Gemeinden die Wintersportferien. Was aber in sechs anderen Kantonen problemlos möglich sein wird, geht in Graubünden nun plötzlich nicht mehr. Nämlich die Offenhaltung der Terrassen in den Skigebieten. Und dies, nachdem der Betrieb während acht Wochen problemlos funktioniert hatte», schreibt die Partei in einer Medienmitteilung. Parteipräsident Roman Hug dazu: «Die von der Bündner Regierung angeordnete Terrassenschliessung ist unsinnig. Es ist bedenklich, dass nun viele andere Tourismuskantone der ‹Ferienecke der Schweiz› zeigen müssen, wie man gute Rahmenbedingungen schafft!»

 

(Bilder: zVg. / Titelfoto: Skiterrasse der Jatzhütte am Jakobshorn mit Schutzkonzept)