Neben meiner angestammten Funktion als Dozent an der FH Graubünden bin ich seit Anfang Januar in die Covid-19-Impfkampagne des Kantons Graubünden eingebunden. Sehr viele weitere Personen in den Impfteams arbeiten ebenfalls auf temporärer oder freiwilliger Basis. Ich beschreibe hier exemplarisch die Abläufe an zwei Impftagen: einmal die Arbeit mit dem mobilen Impfteam und einmal den Einsatz im Churer Impfzentrum.
Die mobilen Impfteams starten jeweils am frühen Morgen vom Zivilschutz-Ausbildungszentrum im Meiersboden am Churer Stadtrand aus auf ihre Touren zu den Altersheimen quer durch den Kanton. Ein Team besteht normalerweise aus zwei ÄrztInnen, zwei ImpferInnen, zwei AdministratorInnen und einem/r Fahrer/in. Das benötigte Material besteht aus medizinischer Ausrüstung fürs Impfen (Spritzen, Kochsalzlösung, Desinfektionsmittel, Tupfer, Pflaster, Handschuhe, Masken usw.), Drucker und Laptops für die Administration und Formularen für die Ärzte. Zweimal pro Woche wird mit einem Schnelltest sichergestellt, dass alle Teammitglieder Covid-19-negativ sind.
Als erstes werden danach die am Vortag bestellten Impfdosen in der Apotheke im Kantonsspital abgeholt. Dabei ist streng darauf zu achten, dass bei der Handhabung keine Fehler gemacht werden. Abhängig von der Art des Impfstoffes darf dieser z.B. nicht geschüttelt werden und muss bis zur Anwendung in einem genau definierten Temperaturfenster aufbewahrt sein. Die mobilen Teams im Kanton Graubünden arbeiten momentan mit dem Impfstoff Comirnaty von Pfizer/Biontech.
Auf der Fahrt zum Einsatzort werden oft noch weitere Teammitglieder aufgeladen, für die ein Start im Meiersboden einen unnötigen Umweg bedeutet hätte. Je nach Einsatzort ist die Anreise eine Sache von wenigen Minuten (Chur) oder deutlich über einer Stunde (Engadin). Am Ziel – einem Alters- oder Pflegeheim im Kanton – angekommen wird zuerst die Ausrüstung abgeladen und die Einrichtung der Räume im Heim geprüft. Die Heime sind jeweils dafür verantwortlich, dass passende Räumlichkeiten gemäss den Vorgaben hergerichtet werden und sie sind es, welche die BewohnerInnen und MitarbeiterInnen nach einem e Zeitplan aufbieten. Das hat bisher in jedem Heim ausgezeichnet funktioniert.
Nach einem gemeinsamen Briefing mit der Heimleitung kann der Impfprozess beginnen. Die Ärzte/innen brauchen keine grosse weitere Vorbereitung. Sie setzen sich mit einem Stapel Formularen an einen Tisch und machen mit jeder zu impfender Person eine Anamnese. Dabei gilt es abzuklären, ob Vorerkrankungen oder Allergien bestehen, was auch entsprechend dokumentiert wird. Wenn der Arzt/die Ärztin eine Impfung empfiehlt und die Person einwilligt, unterschreibt sie das Formular und geht weiter zur Impfung. In seltenen Fällen muss die Impfung verschoben werden, z.B. bei akutem Fieber oder wenn jemand kürzlich eine andere Impfung erhalten hat. Für die Impfung braucht es in jedem Fall die Zustimmung der zu impfenden Person, d.h. die Impfung ist immer freiwillig.
Die ImpferInnen bereiten den Impfstoff am Einsatzort laufend nach Bedarf vor. Die Impfdosen in Durchstechfläschchen (sogenannten Vials) werden auf mehrere Spritzen aufgezogen und zur Injektion bereitgelegt. Das ist mit der kritischste Punkt im Ablauf, da es hier entscheidend ist, äusserst exakt zu arbeiten, damit die maximale Anzahl Dosen aus den Vials aufgezogen werden kann. Die eigentliche Impfung ist eine Sache von weniger als einer Minute. Die Schulter wird freigemacht und desinfiziert, die Injektion verabreicht und die Injektionsstelle mit einem Tupfer gereinigt und mit einem kleinen Pflaster abgeklebt. Die geimpften Personen müssen danach in einem angrenzenden Warteraum 15 Minuten zur Überwachung verweilen. Impfnebenwirkungen sind zwar generell selten, aber es ist möglich, dass jemand eine allergische Reaktion entwickelt.
Die ImpferInnen reichen die Patientendokumentation danach an die Administration weiter. Hier werde auch ich aktiv. Nach dem Eintreffen am Einsatzort haben wir bereits die Laptops und Drucker aufgebaut und eine Internetverbindung über das Mobilfunknetz hergestellt. Für jede geimpfte Person wird nun ein Termin in der Verwaltungssoftware eingetragen, die Personendaten werden im System gesucht oder neu eingegeben, verantwortliche/r Arzt/Ärztin und ImpferIn eingetragen und eine Impfbestätigung ausgedruckt. Auf Wunsch können die Daten auf www.meineimpfungen.ch weitergeleitet werden. Dort kann ein elektronischer Impfausweis erstellt werden. Nach der zweiten Dosis wird zusätzlich ein Eintrag ins mitgebrachte Impfbüchlein gestempelt.
Die Leitung des Altersheims sorgt dafür, dass die Bewohner/-innen geordnet aufgeboten werden. Es muss dabei darauf geachtet werden, genügend Platz im Ablauf zu lassen, um auch mit Rollstühlen und Rollatoren zirkulieren zu können. Ein Team mit zwei bis drei Ärzten/innen und Impfern/innen kann so ca. 30 Personen pro Stunde impfen. Abhängig von der Grösse eines Alterszentrums können auch gleichzeitig zwei Teams eingesetzt werden, um den Durchsatz zu erhöhen.
Ein Debriefing mit der Heimleitung, Rückreise und Materialrückschub runden den Einsatz ab. Bei intensiven Schneefällen, wie Mitte Januar, kann es dabei durchaus einmal später werden.
Neben den Covid-19-Impfungen in den Alters- und Pflegeheimen des Kantons Graubünden, wurden auch Impfzentren geschaffen. Das erste im Kanton in Betrieb genommene Impfzentrum ist jenes im Kreuzspital in Chur. Der Ablauf der Impfungen ist weitgehend ähnlich wie bei den mobilen Equipen. Ein Hauptunterschied ist natürlich, dass hier das Impfpersonal stationär ist und die Leute für die Impfung selbst anreisen. Auch arbeitet das Impfzentrum momentan mit dem COVID-19-Vakzin von Moderna. Das bedeutet kleinere Anpassungen im Ablauf, z.B. 28 Tage Wartezeit zwischen den zwei Impfdosen im Vergleich zu 21 Tagen bei Comirnaty.
Der Ablauf eines Impftages bleibt mehrheitlich unverändert. Da das Personal täglich wechselt, wird aber auch hier mit einem kurzen Briefing gestartet. Ab ca. 9 Uhr treffen die ersten Impfwilligen ein. Sie haben sich vorher per Webseite (www.gr.ch/impfen) oder Telefon angemeldet und einen Termin vereinbart. Gemäss Bündner Impfplan und in Einklang mit den eidgenössischen Empfehlungen werden momentan Leute der Gruppen 1 bis 3 geimpft (Alters- und Pflegeheime, älter als 75, schwere chronische Vorerkrankungen).
Die Personen müssen sich beim Empfang im 2. Stock identifizieren und ihre Personalien in ein Anamneseformular eintragen. Danach ist der Ablauf analog zu jenem in den Altersheimen: Gespräch mit dem Arzt/der Ärztin, anschliessend Impfung und 15 Minuten Überwachung. Die geimpften Personen bekommen im Impfzentrum direkt ihre ausgedruckte Impfbestätigung und, nach der zweiten Impfdosis, den Eintrag ins Impfbüchlein.
Die Zusammenarbeit in den oft wechselnden Teams ist durchs Band hervorragend. Die Abläufe erstaunlich reibungslos – auch dank der guten Vorbereitung in den Heimen. Die grösste Hürde war bisher die knappe Versorgung mit Impfstoffen. Wenn dieses Problem einmal gelöst ist, sollte es möglich sein, jede impfwillige Person im Kanton bis im Spätsommer zu impfen. Damit hätten wir eine gute Chance, die Pandemie zu überwinden.
Warum Corona nicht einfach verschwinden wird und weshalb eine hohe Impf-Rate entscheidend ist, erklärt das folgende Video.
Peter Kühne ist Dozent für Wirtschaftsinformatik am Institut für Photonics und ICT der FH Graubünden. Zurzeit engagiert er sich im Rahmen der Covid-19-Impfkampagne des Kantons Graubünden. Dieses Engagement ist ein Zeichen von gesellschaftlicher Solidarität und wird von der FH Graubünden unterstützt.
(Bilder: zVg.)