Für die einen ist es der zukünftige Segen für Graubünden, für die andern eine inflationär gebrauchte Floskel: «Digitalisierung» ist das (Un-)Wort der letzten Jahre. Einer, der die Digitalisierung im Kanton fassbar machen will, ist Fabio Aresu. Der Besitzer der Agentur «Markenkern» hat 2017 das Projekt E-Dorado gegründet mit dem Ziel, aus Graubünden ein Eldorado für Ingenieure zu machen. GRHeute hat den Marketingexperten zum Projekt befragt.
Fabio Aresu, ganz Graubünden spricht von Digitalisierung. Was genau ist für dich damit gemeint?
Du kannst 10 Personen fragen und erhältst wohl 10 verschiedene Antworten – was übrigens Teil des Problems ist. Für mich bedeutet es, mit Hilfe von digitalen Hilfsmitteln unser Leben einfacher und bequemer zu machen und Abläufe zu beschleunigen.
Du hast als Unternehmer mit E-Dorado eine Plattform geschaffen, die Graubünden und das St. Galler Rheintal zur Leaderregion für Ingenieure und hochqualifizierte Fachkräfte im Technologiebereich verändern soll. Was ist Deine Motivation dahinter?
Ich lebe gerne hier und will, dass unsere Region auch in Zukunft noch attraktiv ist. Wir müssen verstärkt selbst neue Technologien und Anwendungen erschaffen und exportieren und dürfen uns nicht nur auf den Tourismus verlassen. Zudem sollen auch unsere Kids spannende und gut bezahlte Jobs finden, ohne wegziehen zu müssen.
Geht E-Dorado über das Thema Fachkräftemangel hinaus? Was muss in Graubünden passieren, damit wir fit werden für die «neue Welt»?
Definitiv – je mehr gut bezahlte Jobs wir schaffen können, desto mehr werden alle davon profitieren. Was passieren muss? Wir dürfen niemandem «Digitalisierung befehlen», sondern müssen die Bevölkerung und vor allem die Kinder sensibilisieren, wie wichtig es für uns alle ist, den Anschluss nicht zu verlieren. Oder sogar vorne mitzumischen. Was vielen nicht bewusst ist: Wir haben die besten Voraussetzungen dazu!
Trotzdem verlassen jedes Jahr Tausende junge Bündnerinnen und Bündner ihren Heimatkanton, weil sie keine oder wenig berufliche Perspektiven haben. Wo liegt das Problem?
Wie du es schon sagst: Weil sie für sich keine Perspektiven sehen. Wir brauchen mehr Studienangebote, spannende Stellen, verstärkte Ansiedelung von Unternehmen – ich glaube, das ist im Prinzip allen klar. Politik, Unternehmen und Schulen arbeiten bereits daran. Wir müssen es aber koordinieren, vernetzen und aktiv unter einem unabhängigen Dach vermarkten und nach aussen tragen. Ich bin überzeugt, dass dies der beste Weg zur Lösung ist.
Du sagst, Graubünden dürfe sich nicht nur auf den Tourismus- und den Dienstleistungssektor verlassen. Ist der Technologiezug nicht schon längst abgefahren?
Nein, überhaupt nicht. Wir haben bereits jetzt Firmen mit Weltruf hier, nur wissen es nicht alle. Und unsere Schüler und Studenten belegen bei Robotikwettbewerben national und international regelmässig Spitzenplätze. Zudem gehört die Pädagogische Hochschule Graubünden in der Förderung des MINT-Bereichs zu den fortschrittlichsten Instituten und arbeitet beispielsweise auch mit der ETH zusammen. Der Zug ist nicht abgefahren. Im Gegenteil: Wir haben beste Voraussetzungen, zu den Lokomotiven zu gehören.
Welche Verkaufsargumente müsste Graubünden als Anreiz für Fachkräfte Deiner Meinung nach stärker pushen?
Wir sind keine Randregion, sondern mitten drin im Kuchen. Wir bieten spannende Jobs in einer der schönsten Gegenden Europas mit direktem Anschluss an die ganze Welt. Das mag sich jetzt etwas seltsam anhören, aber im Vergleich zu anderen Weltgegenden sind die Distanzen bei uns minim. Sie existieren nur in unseren Köpfen.
Manchmal hat man das Gefühl, es sind immer dieselben Firmen, die irgendwelche von der öffentlichen Hand finanzierten Aktionen umsetzen, wie zum Beispiel kürzlich bei den Digital Days gesehen. Ist es nicht so, dass diese Top-Down-Mentalität die Jungen faktisch ausschliesst und somit eigentlich eine Innovationsbremse im Kanton darstellt?
Auf den ersten Blick vielleicht schon. Andererseits muss ich aber auch sagen, dass man sich halt schon selbst aktiv ins Spiel bringen muss, wenn man beachtet werden will. Das war schon immer so und wird auch so bleiben. Ein ganz anderer Punkt ist die Frage der Jugend. Hier bin ich überzeugt: Ohne echten Miteinbezug läuft gar nichts. Wir können viel von der Jugend lernen. Sie kommen schneller und einfacher ans Ziel und haben ganz andere Denkweisen. Davon können auch Unternehmen profitieren – wenn man die Jugend denn mitreden lässt.
Das ist offenbar einfacher gesagt als getan. Wie soll das gehen?
Ganz einfach: Schüler, Studenten und junge Berufsleute werden bei E-Dorado fix in Form von Workshops und regelmässigen Anlässen miteingebunden. Wir stellen konkrete Fragen und wollen gemeinsam neuartige Lösungen finden. Die Öffentlichkeit wird über eine Webseite, über Social Media, über die Medien sowie bei direkten Anlässen vor Ort in Form von Diskussionsrunden informiert. Ich komme sehr gerne auch an Gemeindeversammlungen oder ähnliche Anlässe, versprochen! Wer Interesse hat, einfach melden 🙂
Wie viel kostet das Projekt E-Dorado – und wer bezahlt es?
Ich rechne mit einem Minimalaufwand von ungefähr 250’000 Franken pro Jahr, ideal wären zwischen einer halben und einer Million. Die ganze Vorarbeit haben ich und Roland Obrist von Oblamatik finanziert. Aktuell sind es eine Handvoll Unternehmer, die das Projekt ab Januar unterstützen und hinter der gemeinsamen Vision stehen. Wir starten und schauen, was passiert – kein Businessplan, sondern eine klare Idee mit viel Drive. Ab dem zweiten oder dritten Jahr soll E-Dorado als Verein organisiert und über die Mitglieder finanziert werden.
Wie kann man sich in das Projekt einbringen?
Wer sich angesprochen fühlt, soll sich direkt bei mir melden – wir sind über jeden Support froh. Grundsätzlich bringt sich jede und jeder ein, der sich für die Förderung der Berufe im MINT-Bereich einsetzt. Wenn dies unter dem Begriff E-Dorado geschieht, umso besser, weil wir damit ein Profil und Bekanntheit erhalten. Und klar, je mehr finanzielle Mittel wir haben, desto steiler können wir starten.
Danke für das Gespräch und viel Glück mit E-Dorado.
Hier gehts zur Dokumentation von E-Dorado.
Weitere Beiträge zum Thema Digitalisierung in Graubünden gibts in der Wochenrubrik GRDigital.
(Bilder: Szene Mint-Camp Grüsch 2016: PHGR/Fabio Aresu: Markenkern)