Bluemoon’s Blog: Archivperlen – Das Ende der Sehnsucht Teil 8/13 (2006)

Kürzlich durchforstete ich mein Archiv und fand darin unverwendete Perlen. Nun werde ich in unregelmässigen Abständen hier auf GR Heute, Geschichten, Gedichte und anderes Chrüsimüsi publizieren. Mit 18 schrieb ich ein Buch, druckte es als ich 20 wurde 50 Mal und wenig später verschwand es dann wieder von der Bildfläche. Nun möchte ich es euch hier nicht vorenthalten. Diese Perle hier stammt aus dem Jahre 2006. Viel Spass damit!

 

Naeco fuhr jetzt an der Cote d’Azur entlang. Sein Fenster war geöffnet, Wind wehte durch seine Haare und aus den Boxen ertönte „Je ne suis pas en héros“ von Daniel Balavoine. Diese Kassette hatte er noch in der Schweiz bei einem alten Antiquitätenhändler gekauft. Diesen Balavoine kannte er bisher nur flüchtig durch das Schweizer Rockgenie Stephan Eicher, welcher eine Balavoinenummer vor wenigen Jahren neu auflegte und somit diesen Chanteur Naeco schmackhaft machte.

Er fühlte eine grenzenlose Freiheit und Befriedigung. Er fuhr wie ein richtiger Hellsangel auf vier Rädern und doch war er bei weitem nicht der Einzige, der das leicht über der Tempobegrenzungfahren im Blut hatte. Er bemerkte wie aggressiv die Franzosen fuhren und dachte er wäre in Italien, als deren Hupen erklangen, als er noch normal gefahren war.

Doch nun war das Reisefieber richtig stark ausgebrochen und er wollte am Liebsten die ganze Welt innerhalb von einem Tag sehen. Angelina, die wundervolle, bemerkte vom ganzen Geschehen nichts, da sie währenddessen in andere weltfremde Welten eintauchte und sich voll treiben liess auf dem Rücksitz.

Der Flug hatte sie schrecklich müde gemacht und sie brauchte dringend Schlaf. Naeco war das egal. Es fühlte sich so genial an, dass sie einfach da war. Ihre Aura erwärmte sein Herz und ihr Strahlen erhellte sein Gemüt. Schade fand er bloss, dass Angelina alle diese Sinneseindrücke einfach verschlief. Na ja, war ja ihre Entscheidung. Sie hatten noch fast nichts geredet, was Naeco dann unbedingt nachholen wollte.

Ganz sanft und bedacht öffnete Angelina langsam ihre meeresblauen Augen und richtete sich langsam auf. „Halli hallo, hast du gut geschlafen?“

„Ja, ja, geht so. Ist nicht so bequem. Aber was soll’s!?! Kannst du echt bei der nächsten Ausfahrt kurz stoppen?“

„Ja, sicher.“

„Ich möchte unbedingt mir die Beine aus dem Körper treten und ein wenig umhergehen.“
„Kein Problem. Machen wir doch.“ „Danke Naeco, ist echt lieb. Ich spüre sie nämlich kaum mehr.“

Drei Minuten später bog Naeco an einer Raststätte ab. Angelina war inzwischen schon wieder eingenickt. Naeco parkte sein Auto und schüttelte ganz sanft Angelina wach. Sie öffnete sanft und prinzessinnenhaft ihre Augenlieder. „Sind wir schon da?“

Naeco, verdutzt: „Ähm, eigentlich haben wir kein konkretes Reiseziel. Aber wenn du diese Haltestelle meinst, ja.“ Ach, was redete er wieder für einen Nonsense. Doch Angelina war es eigentlich egal. Sie lächelte, denn sie mochte seine zeitweillige Dusseligkeit.

Sie stieg aus und küsste ihn auf die Wange und grinste. Naeco war es höchst peinlich. Doch irgendwie kam es dazu. Vielleicht lag es an der Sommerluft, an der allgemeinen Happyness oder an was auch immer. Es war schlicht und einfach logisch und nichts anderes hätte in diesem Moment Sinn gemacht. Naeco küsste Angelina.

Zum allerersten Mal und unter dem strahlend blauen Himmel der Cote-d’Azur. Genau zur perfekten Zeit und am perfekten Ort. So wie man es aus dem Märchen kannte. Sie waren nun ein richtiges Liebespaar und genossen es beide sehr. Es lag einfach in der Luft ohne dass jemand etwas gesagt hätte.

Sie gingen Hand in Hand Richtung Restaurant und bestellten dort beide einen Latte Macciato und setzten sich wie immer ganz in die Ecke des kleinen Restaurants. Naeco brannten die Fragen unter den Fingernägeln und er schoss gleich los:

„Mein Gott, wie hast du mich überhaupt gefunden?“ „Ja, also das war nicht sehr schwer… Ich weiss, was du machst, wenn du frustriert oder auf der Suche nach Muse bist.“

„Ach!?!“ „Ja, du suchst diese kleinen, herzigen Bistros auf und trinkst Café.“

Naeco flog ein Lächeln über die Lippen. „Und als ich dann, gut eine halbe Stunde später als vereinbart, am Flughafen ankam, bemerkte ich, dass niemand auf mich wartete. Wahrscheinlich ist dir die Geduld ausgegangen…“ Naeco berührte es peinlichst und er stotterte eine Entschuldigung heraus.

„Kein Problem. Es ist ja mein Fehler, da ich noch lange überlegt und somit den ersten Flug verpasst habe.“ „Aha, ja stimmt.“ Naeco nervte sich seiner dummen Worte wegen.

„Also eben. Dann stand ich dort und überlegte mir, wo du sein könntest. Ich lief durch den Flughafen, als ich plötzlich dieses kleine Bistro auf der anderen Strassenseite erblickte. Da ging mir promt ein Sternchen auf.“ Naeco fing an zu grinsen.

„Als ich eintrat erblickte ich dich auch gleich. Mann, du hättest dich sehen sollen, wie du da ganz alleine Löcher in die Luft gestarrt hast. Es war köstlich.“

„He he, warum hast du denn nicht gleich was gesagt?“

„Ich dachte, ich kann meinen kleinen Poeten nicht einfach so aus höheren Welten reissen.“ „Ach, du bist ein Schatz; ich liebe dich.“ Naeco liebte nichts mehr als dass man ihn als einen Poeten bezeichnete.

Angelinas Lippen kamen seinen näher, doch bevor sie sich berührten, sprach eine für diesen Moment viel zu giftige Stimme: „Pardon, Mesdames-mesieurs. Votre boissons, s’il vous plaisez.“

Naeco gab ein wenig unfreundlich zurück: „Merci madame.“ Grundsätzlich liebte er ja die französische Sprache, wobei er bemerkte, dass die Franzosen nicht immer so angenehm waren.

Aber was soll’s? Im Moment schwebte er auf Wolke sieben mit seiner „Angie“, die er von nun an, fast nur noch so nannte. „So, jetzt zeige ich dir unseren Weg und wie man einen Kellner bescheisst.“, sprach Naeco lachend.

Angelina, die wusste, was wirklich Ernst gemeint war, hatte nur noch Ohren für die Worte, die über seine Lippen stiegen. Gespannt legte sie ihre Hände auf seinen Schoss und er bereitete den kleinen Plan auf dem Tisch aus. Seine Finger suchten den richtigen Fleck auf der Karte.

„Also… Im Moment sind wir etwa hier. Gut zwei Kilometer vor Toulon. Ich möchte noch heute bis Toulouse kommen, denn in einer Grossstadt ist es einfacher eine Unterkunft zu finden. Ich rechne mit etwa 4-7 Stunden Fahrt. Ich weiss es eigentlich nicht genau, da ich leider noch nie hier war und im Schätzen eine riesige Niete bin. Aber wir werden sehen. Vielleicht genügt die Zeit von heute auch nur bis zu einem kleinen Vorort oder so. Was meinst du?“

„Yeah Baby, du bist der Grösste. Lass uns fahren.“ „Nur nicht so hastig. Ich habe nicht geschlafen wie du. Aber schön, dass das Reisefieber dich endlich auch gepackt hat!!! So gefällst du mir noch mehr. Gib mir ’ne halbe Stunde, ok?“ „Sicher. Kein Problem.“

Am selben Abend beschloss Naeco etwas Wichtiges. Viel zu lange hatte er gewartet und schon ewig wollte er es. Er hatte diejenigen immer bewundert, die dieser göttlichen Gabe mächtig waren. Ja, er setzte sich in seinem Bett auf. Es war halb zwei mitten in der Nacht. Angie schlief bereits. Ein recht billiges Hotel in dem sie hier logierten.

Der Perserteppich sah überlaufen und zeitlich überholt aus; der Spiegel an der Wand war mit Staub bedeckt und hatte einen riesigen Hick in der unteren linken Ecke; das Bett stöhnte laut auf, als Naeco es verliess; das Nachttischlämpchen hatte wahrscheinlich schon beim letzten Besucher den Geist aufgegeben, wie dieses Zimmermädchen, welches das Bett mindestens seit dann nicht mehr frisch angezogen hatte. Trotzdem war Naeco ohne Nasenrümpfen recht zufrieden damit.

Sie beide hatten nicht viel Geld und waren darum mit allem ein wenig Billigerem zufrieden. Es hatte einen Hauch von Zigeunerdasein. Nicht nur ihre Reise, auch diese Unterkunft. Naeco logierte ja normalerweise wie ein König bei seiner Mutter. Dieser Kontrast machte das Ganze so sehr abenteuerlicher. Naeco lächelte, als er im selben Augenblick eine Maus vor sich wie ein Denkmal aufgestellt sah. Doch als diese das bemerkte, rannte sie nicht etwa schnellstmöglich fort, sondern stolzierte langsam und arrogant in ihr Loch zurück. Zum Glück schwebte Angies Kopf noch in Wolken, denn sie hätte bei diesem Anblick sicher fast einen Herzinfarkt bekommen. Naeco zündete sich eine Zigarette an der Kerze an, die er entflammt hatte, da das Licht nicht funktionstüchtig war. Er schritt wie auf Zuckerwatte zum kleinen Tischchen in der Mitte des Raumes. Die Maus war wieder aus ihrem Loch gekrochen und bewegte sich nun keinen Millimeter mehr, als würde sie zur Innenausstattung des Zimmerchens gehören.

Naeco setzte sich und goss ein wenig heisser Wachs auf den Tisch, um die brennende Kerze dort zu befestigen. Dann zog er behutsam einen Block aus seiner Tasche. Naeco nahm einen Stift und kritzelte ein paar Zeilen auf das Papier vor ihm. Er hatte es tatsächlich geschafft. Nun war es soweit; er begann sein erstes Buch zu schreiben. Es sollte etwas Geniales werden, wie Kafkas Bücher, die er heiss liebte. Vielleicht nicht gerade gar so düster, vielleicht mehr Coelhio oder Hesse, voll Poesie und grenzenlos schön. Von seiner Stimmung her im Moment passte eher sowas. Doch eigentlich wollte er ja seinen eigenen Stil finden.

Genau und doch mit sehr viel Liebe wollte er ihre Geschichte zu Papier bringen. Die Welt sollte wissen, dass es doch noch wirkliche Märchen gibt und dass es sich immer lohnt dafür zu kämpfen. Er musste lächeln, als er an das Zitat „Es kommt die Zeit, in der das Wünschen wieder hilft.“ dachte. Diese Zeit war nun definitiv da. Zwei Stunden sass er daran. Der Aschenbecher war randvoll wie die Seiten.

Es war verdammt einfach zu schreiben über etwas, was man selber erlebt und gefühlt hat und immer noch fühlt. Ein Blick auf die schlafende Angelina und ein Meer von Flammen ging in Naecos Herzen auf. Sie führte ihn zur absoluten Muse und er war unglaublich dankbar dafür. Er küsste sie noch einmal bevor er völlig befriedigt sich neben sie legte und kaum, dass er die Augen geschlossen hatte, schlief er auch schon wieder.