In einer fünfteiligen Serie nimmt GRHeute die Haltungen der SpitzenkandidatInnen für die Nationalratswahlen 2015 unter die Lupe. Heute: Teil 5 – die KandidatInnen und ihre Entscheidungsfreudigkeit.
Die Fragen auf smartvote.ch haben unsere Bündner KandidatInnen mit ja, nein, eher ja oder eher nein beantwortet. Man kann sich nun darüber streiten, ob aus der Art der Antwort ein Rückschluss auf die Entscheidungsfreudigkeit der Kandidaten möglich ist. Wir versuchen es trotzdem.
Es liegt in der Natur der Sache, dass „ja“ und „nein“ einfacher zu verstehen sind, als „eher ja“ und „eher nein“. Eine klare Botschaft bringt den Vorteil, dass sie glaubwürdiger ist. Wenn man beispielsweise nicht möchte, dass die Schweiz der EU beitritt, so wählt man diejenigen Kandidaten, die „nein“ zum EU-Beitritt sagen und nicht diejenigen, die „eher nein“ sagen. Das mag auch ein Grund sein, weshalb die Polparteien in der Schweiz ihre Botschaften einfacher kommunizieren können als die Mitteparteien.
Vorteil Pol-Parteien
In der Arena der Parteipräsidenten von letzter Woche musste beispielsweise CVP-Präsident Christophe Darbelley seine Positionen gegen rechts und links verteidigen und dann auch noch dem FDP-Präsidenten Philipp Müller erklären, dass er seine Position nicht geändert habe. Was er gesagt hat, ging in seinem Rechtfertigungsvotum komplett unter. Anders Toni Brunner und Christian Levrat: Wir sind dafür, wir sind dagegen – das verstehen die Leute.
Man kann jetzt argumentieren, dass Politik nicht so einfach sei, wie es die Polparteien behaupten. Und die Mitteparteien dürfen auch für sich in Anspruch nehmen, für viele gute Kompromisse verantwortlich zu sein und die meisten Volksabstimmungen der letzten Legislatur gewonnen zu haben.
In knapp zwei Wochen geht es aber nicht um eine Abstimmung zu einem gut schweizerischen Kompromiss, sondern um die Wahl unseres Parlaments. Und da ist es legitim, dass der Wähler seine Stimme denjenigen gibt, bei denen er sicher ist, wofür sie einstehen.
Wir haben untersucht, zu wie vielen der 65 Fragen auf smartvote.ch unsere Bündner Kandidaten klar „ja“ oder „nein“ sagen. Nicht überraschend ist der Anteil der klaren Antworten auf Seiten der Polparteien SP und SVP am höchsten. Hier der Überblick:
Die klarsten Positionen vertreten die beiden SP-Kandidaten Silva Semadeni und Jon Pult. Bei 85% bzw. 83% aller Fragen habe sie klar mit „ja“ oder „nein“ geantwortet.
Mehrere Kandidaten anderer Parteien haben in den letzten Wochen die Fragen auf smartvote.ch allerdings kritisiert, weil sie linkslastig formuliert seien. Das kann mit ein Grund für das Ergebnis sein, der Vorsprung gegenüber allen anderen Parteien ist aber so klar, dass man sagen muss: Wer SP wählt, der weiss, was er bekommt. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums bewegt sich die SVP. Und wenig erstaunlich vertreten auch ihre Kandidaten Heinz Brand und Magdalena Martullo klare Positionen. Beide beantworten 71% aller Fragen klar mit „ja“ oder „nein“. Deshalb gilt auch hier: Wer SVP wählt, der weiss, was er bekommt.
BDP und FDP am schwammigsten
Mehrheitlich zu einer klaren Antwort durchringen konnten sich die Kandidaten der GLP und der CVP, wenn auch bei beiden Parteien zum Teil grosse Unterschiede in der Entscheidungsfreudigkeit der Kandidaten sichtbar sind. Am wenigsten entscheidungsfreudig haben die Nationalratskandidaten der BDP und der FDP geantwortet. Sie nehmen bei der Hälfte oder mehr aller Fragen keine klare Position ein – und schwächen sie mit dem Zusatz „eher“ ab.
Die neuen KandidatInnen zieren sich
Interessant ist auch der Vergleich der bisherigen und der neuen Kandidaten. Einzig Jon Pult im linken und Magdalena Martullo im rechten Lager sind als „Neulinge“ in den vorderen Rängen zu finden. Neben diesen beiden werden die ersten sieben Plätze der klaren Antworten ausschliesslich von bisherigen Parlamentariern belegt. Der Schelm fragt sich nun: Verringert eine mehrjährige Parlamentszugehörigkeit die Kompromissbereitschaft unserer Kandidaten? Oder verfügen die neuen Kandidaten über zu wenig Mut und/oder zu wenig Dossierkenntnisse, um klare Positionen einzunehmen?
Wir wagen die These: Die meisten Stimmen erzielen diejenigen Kandidaten mit den klarsten Positionen.
Teil 2: Grosswildtiere, Atomenergie und Mindestlohn
Teil 4: Wer will wofür Geld ausgeben?
Teil 5: Welche KandidatInnen können sich entscheiden?
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