«Bündner Fussball ist besser, als man denkt»

ZarnMarius Zarn ist der erfolgreichste Bündner Fussballer der letzten 30 Jahre. Der Landquarter ist ehemaliger Challenge- und Super-League-Fussballer bei Aarau und Vaduz, spielte über 20 Uefa-Cup-Spiele und war bis letzte Saison Trainer bei Chur 97. Der aktuelle U15-Auswahl-Trainer des Team Südostschweiz schreibt auf GR Heute über den regionalen, nationalen und internationalen Fussball.

 

Die Meisterschaften sind überall in vollem Gang. In Graubünden gibt es mehrere Erfolgsmeldungen. Und wir blicken auf das Fernduell Ronaldo-Messi.

Fünf Siege in Serie für Chur 97 in der 2. Liga regional, das ist natürlich erfreulich. Ich glaube, die Hauptstädter haben die Talsohle durchschritten. Die Verantwortlichen haben mit der Gründung der U23- Mannschaft gute Rahmenbedingungen geschaffen, um vermehrt auf einheimische Kräfte zu setzen. Ich bin überzeugt, dass Chur dieses Jahr schon wieder in die 2. Liga Interregional aufsteigt. Und dann ist mittelfristig sicher auch wieder ein Aufstieg in die 1. Liga denkbar. Wen man in Graubünden gern vergisst, ist die US Schluein-Ilanz. Der Bündner Fussball ist letztes Jahr wegen den bekannten Abstiegen etwas in die Negativschlagzeilen geraten, dabei ist USSI eine echte Erfolgsgeschichte. Der Verein setzt auch auf Einheimische und hat mit dem neuen Stadion die Infrastruktur, um als Zugpferd im Oberland zu wirken. Das gibt Möglichkeiten für alle Oberländer Spieler, bei einem Zentrumsklub einen Schritt weiter zu kommen.

60% der Auswahlspieler sind aus Graubünden

Auch die Auswahlteams der Südostschweiz sind auf einem guten Weg. Mit der Gründung einer U16-Auswahl haben wir einen grossen Schritt gemacht. Ich erlebe hautnah, wie die Qualität in der Südostschweiz und in Graubünden steigt. Wir trainieren mal in Ems, mal in Chur, mal in Bad Ragaz und manchmal auch in Flums und haben optimale Trainingsbedingungen. Das zeigt sich in den Resultaten. Zurzeit sind gegen 60% aller Auswahlspieler aus Graubünden.

Was vielen nicht bewusst ist: Viele Bündner und Südostschweizer Nachwuchsspieler stehen bereits bei grossen Klubs unter Vertrag. Der Rheintaler Michael Scherrer (Bild, M.) steht beispielsweise im Kader der ersten Mannschaft des FC St. Gallen, dazu kommen Simon Rohrbach und Alessio Schmid, die in der U21 des FCSG mitspielen. Boris Babic spielt bei der U19 des Challenge-League-Klubs Biel und ist aktueller Nachwuchs-Nationalspieler. Der Thusner John Fadri Chande ist ebenfalls in der Schweizer Nachwuchsauswahl (U18) und hat einen Vertrag in Basel. Zurzeit haben die Südostschweizer Auswahlen fünf Nationalspieler, bei den Frauen sind es zwei. Leider ist das wenig bekannt und zeigt doch eigentlich klar, dass es auch bei uns möglich ist, im Fussball eine Karriere zu lancieren.

National ist die Meisterschaft etwas unglücklich gestartet. Der FC Basel hat schon wieder einen rechten Vorsprung, und es wird schwierig, die Bebbi noch abzufangen. Am ehesten traue ich das noch GC zu, letztlich ist sein Kader aber wohl zu schmal. YB wirds wohl einmal mehr nicht packen. Sion schätze ich vom Potenzial her stark ein, aber die Walliser sind halt immer eine Wundertüte. Zu «meinem» FC Vaduz habe ich immer noch ein spezielles Verhältnis, ich war gerade letztes Wochenende am Brunchen mit Geschäftsführer Patrick Burgmeister. Es wird sicher eine schwierige Saison für die Liechtensteiner, sie müssen sich klar gegen den Abstieg wehren. Aber sie machen das gut beim FCV, sie überborden nicht, setzen auf Kontinuität – zuletzt mit der Vertragsverlängerung von Trainer Giorgio Contini (Bild) – und schlaue Transfers. Sehr sympathisch.

Bundesliga ist die beste europäische Meisterschaft

Auch international ist schon viel los: Es ist zwar knapp, aber die deutsche Bundesliga ist für mich von der Breite her die stärkste Liga Europas. In der Premier League ist zwar eine riesige Qualität, aber irgendwie bekommen sie es international einfach nicht auf die Reihe. Und in Spanien ist nach den Top-Teams eine deutliche Qualitätseinbusse sichtbar. Meine Hoffnung ist, dass Dortmund so lang wie möglich an den Bayern dranbleiben wird. Der Trainerwechsel war vielleicht sogar nötig, um wieder konkurrenzfähig zu sein. Aber klar, es wird schwierig, den Bayern Paroli zu bieten. Für mich ist München das bestbesetzte Team Europas. Ok, vielleicht mit zwei, drei anderen Mannschaften.

Das Duell Ronaldo – Messi ist eine schöne Mediengeschichte. Vergleichen kann man die beiden Spieler aber nicht, sie spielen ganz anders, auch wenn beide enorm viel buchen. Wenn ich als Trainer zwischen den beiden wählen müsste, dann würde ich wahrscheinlich den Läufer vorziehen, sprich Cristiano Ronaldo. Aber das spielt eigentlich keine Rolle. Denn die Kontinuität, mit der die beiden Tore schiessen, ist beeindruckend. Sie bewegen sich definitiv auf Augenhöhe.

 

 

(Fotos: Oben: intexa.ch / EQ Images/Gonzalo Garcia (Scherrer), Manuel Winterberger (Contini), Juan Aguado (Messi)).