Wir sind nicht Rosa Parks

In Chur und an anderen Orten in der Schweiz haben am Sonntag die Frauen gestreikt. Es war Sonntag, für viele sowieso ein freier Tag. Man kann drüber streiten, wie frei ein Sonntag wirklich ist, wenn man zwar trotzdem arbeitet – im Haushalt, Care-Arbeit mit den Kindern – aber kein Geld dafür bekommt.

Aber darum soll es heute hier nicht gehen.

Sondern um Rosa Parks. Rosa Parks fuhr am 1. Dezember 1955 mit dem Bus von der Arbeit nach Hause. Als Afroamerikanerin war es ihr im Amerika der 50er Jahre verboten, im vorderen Teil des Busses zu sitzen. Dieser Teil war ausschliesslich den Weissen vorbehalten, auch dann, wenn niemand dort sass.

Rosa Parks sass im mittleren Sektor. Dort war es den Afroamerikanern erlaubt, zu sitzen. Allerdings mussten sie die gesamte Reihe sofort räumen, wenn auch nur ein Weisser dort sitzen wollte. Am 1. Dezember 1955 räumten alle die Sitzbank, als ein Weisser dort sitzen wollte.

Rosa Parks blieb sitzen.

Ihre Weigerung, für einen Weissen eine ganze Sitzbank zu räumen, machte Martin Luther King berühmt. Rosa Parks wurde eine Ikone der Bürgerrechtsbewegung. Sie starb 2005.

Es ist ein paar Jahre her, dass ich über ihre Geschichte gestolpert bin, und dieser Tage kam sie mir wieder in den Sinn. Nicht wegen des Frauenstreiks, sondern wegen der elenden Diskussion um die Mohrenköpfe.

Mohr ist ein abwertendes, rassistisches Wort. Viele Weisse rechtfertigen es damit, dass sich ja auch Hamburger, Wiener und Weisse überhaupt wegen Weissbrot beleidigt fühlen könnten.

Nun: Sich beleidigt fühlen ist das Problem jedes einzelnen und eine stark individuelle Geschichte. Hamburger, Wiener und Weisse sind aber nicht systemischem Alltagsrassismus ausgesetzt. Im Gegensatz zu Rosa Parks dürfen Hamburger, Wiener und andere im Bus sitzen, wo sie wollen. Auch schon 1955.

Wenn diese Argumente ausgeschöpft sind, berufen sich viele auf das Shampoo von Schwarzkopf. Schwarzkopf Shampoo ist aber nicht rassistisch. Schwarzkopf war ein deutscher Jude, der seinem Unternehmen seinen Namen gab. Das Logo zeigt sein Konterfei.

Wer nach dieser Lektüre noch immer findet, dass der Mohrenkopf eine legitime Bezeichnung für eine Süssigkeit ist, dem empfehle ich dringend den Netflix-Film «Becoming» über Michelle Obama, der Frau des ersten afroamerikanischen Präsidenten der USA. Im Film erzählen sie und andere Frauen aus unterschiedlichen Zeitepochen, was es bedeutet, in den USA Afroamerikanerin zu sein.

Es ist nicht lustig.

Und deshalb weigere ich mich, es lustig zu finden, wenn das Meme «Ich bin ein Mohrenkopf» geteilt wird. Von mir aus darf man soviel von den Dingern in sich reinstopfen wie man will. Ich glaube auch nicht, dass der Verzehr oder das Aussprechen des Wortes einen zu einem Rassisten macht. Aber ich glaube, die meisten haben sich noch nie darüber Gedanken gemacht.

Deshalb die Geschichte von Rosa Parks.

 

PS: Wer diesen Text eines Pfarrers unter diesem Beitrag teilt, hat verloren. Er ist nur eins: Fake News.

(Bild: Wikipedia. Im Hintergrund ist Martin Luther King zu sehen.)