St. Moritz muss kleinere Brötchen backen

Die Engadin St. Moritz Tourismus AG (ESTM AG) wird im Geschäftsjahr 2019 ein Defizit von rund 600`000 Franken ausweisen. Als direkte Folge müssen deshalb die Marketingausgaben im nächsten Jahr reduzieren werden. Die Schuld dafür trage in erster Linie der ehemaligen CEO Gerhard Walter. 

Das überraschende Defizit wird nach Rücksprache mit der Revisionsstelle über das Budget 2020 aufgefangen. Die Gemeinden als Aktionäre der ESTM AG Sils müssen deshalb kein neues Kapital einschiessen. Verwaltungsratspräsident Marcus Gschwend spricht dennoch von einer «unschönen und ärgerlichen Situation», die Mitte September zur Trennung vom bisherigen CEO geführt hat.

Der Fehlbetrag wurde erst durch die eingeleitete Reorganisation der Geschäftsleitung entdeckt. Noch bis Mitte August waren die monatlichen Finanzreportings zuhanden des Verwaltungsrates von einem positiven Abschluss ausgegangen. Die massive Budgetüberschreitung ist in erster Linie auf mangelnde Führung durch den CEO Gerhard Walter zurückzuführen. Die Abklärungen zeigten überdies, dass Kompetenzen überschritten und Reglemente nicht eingehalten wurden. Strafrechtlich relevantes Verhalten liegt nach den bisherigen Erkenntnissen jedoch nicht vor. Der ehemalige CEO hatte sich nach dem Abgang bereits medial gegen die Vorwürfe gewehrt (z.B. im Blick).

Defizit von 600’000 Franken

Das Aktienkapital der Engadin St. Moritz Tourismus AG beträgt 250’000 Franken, weshalb sich bei einem Defizit von 600’000 Franken die Frage nach der Überschuldung gemäss Artikel 725 des Obligationenrechts stellte. Die Revisionsstelle, RBT AG St. Moritz, und der Verwaltungsrat kamen zum Schluss, dass das Risiko einer dauerhaften Überschuldung der ESTM AG nicht gegeben ist, da es sich um eine AG mit einem mehrjährigen öffentlichen Leistungsauftrag handelt und nicht um ein «normales» Unternehmen mit echter unternehmerischer Tätigkeit. Um das Defizit abzubauen, werden die Aufwendungen im Jahr 2020 entsprechend reduziert. Dadurch kann vermieden werden, dass die Aktionäre, also die Gemeinden, frisches Kapital aufbringen müssen, um die ESTM AG zu sanieren. Im Gegenzug bedeutet dies allerdings, dass der finanzielle Handlungsspielraum der Tourismusorganisation im kommenden Jahr eingeschränkt wird und vorgesehene Kampagnen wie z.B. «Sleep & Ski», ein gemeinsames Angebot der Beherberger (Hotellerie, Ferienwohnungs- vermieter, Camping) und Bergbahnen, reduziert werden müssen.

Mit Befriedigung haben die Präsidenten der beteiligten Engadiner Gemeinden am Workshop vom letzten Dienstag davon Kenntnis genommen, dass der Verwaltungsrat zusammen mit der neuen Geschäftsleitung die Versäumnisse und Verfehlungen auf der operativen Ebene aufgearbeitet und die notwendigen Massnahmen eingeleitet hat. Dazu zählt auch eine bessere und transparente Kommunikation durch den Verwaltungsrat selbst. Ein neuer CEO soll bis Ende Januar bestimmt sein.
 

(Archivbild: Corviglia St. Moritz)