Die meisten von uns leben in cumüns, Gemeinden. Doch was bedeutet Gemeinschaft heute, ist sie überhaupt noch zeitgemäss?
Der älteste Verein in meinem Dorf, in Sent, nennt sich – vielleicht bezeichnenderweise -«Società d’ütil public», für Nichtromanischsprechende ein Zungenbrecher und die deutsche Übersetzung könnte «gemeinnütziger Verein» lauten. Gegründet durch Randulins (den Senter Auswanderern Richtung Italien) mit dem Ziel, «cultivar la vita sociala e promouver ogni progress» das soziale Leben zu pflegen und jeglichen Fortschritt zu fördern. So wurde beispielsweise noch vor dem ersten Weltkrieg die öffentliche Krankenkasse gegründet. Heute organisiert der Verein Konzerte in der Kirche, hat das Patronat inne für die Gemeindebibliothek, kümmert sich um die landschaftsprägenden Alleen rund um Sent, ist Eigentümerin eines Alpgebäudes und pflegt seit mehr als zwanzig Jahren den Austausch mit den ZweitwohnungsbesitzerInnen und DauermieterInnen von Ferienwohnungen in Sent. Als Präsidentin dieses Vereins helfe ich – zusammen mit dem Vorstand – den Kommissionsmitgliedern und im Verbund mit vielen anderen Vereinen und Einzelpersonen mit, das kulturelle und soziale Leben im Dorf mitzugestalten.
Die gemeinsame Arbeit für unsere Ziele empfinde ich als Bereicherung. Wenn alle mitmachen und ihren Teil dazugeben, können wunderbare Projekte entstehen, und es ist nicht entscheidend, wer welchen Teil beigetragen hat. Gerne vergleiche ich dies mit einer Blumenwiese, auf der jede Blume ihren Platz hat, jedes Kraut dazugehört und dies als Ganzes ein buntes und lebhaftes Bild abgibt – mit vielen verschiedenen Farbtupfern und Formen. Für mich ist dies lebendige Dorfkultur.
La cumünanza – gemeinsam und nicht gegeneinander – dies wünsche ich mir in vielen Bereichen unseres Lebens. Wir sollten bereit sein, die Idee, die Arbeit, den Lebensstil des Andern zu respektieren, dann können wir dasselbe für uns erwarten. Jede und Jeder soll für sich den geeigneten Weg finden. Den Bündner gibt es nicht; es gibt viele Bündner und Bündnerinnen und sie alle tragen zu einem vielseitigen und vielschichtigen Bild unseres Kantons bei. Genauso wie ihre Vorfahren prägen, bewahren und verändern sie unsere Täler und Dörfer, als Teil der Gesellschaft. Auch hierzu passt wiederum das Bild der Blumenwiese: keiner der vielen Farbtupfer ist wichtiger als der andere.
(Bild: Pixabay)