Die Frage mag technisch klingen, ist aber brisant: Es geht um die Frage, wie der Grosse Rat in Zukunft gewählt werden soll. Bisher wählen wir 120 Grossräte in 39 Kreisen und zwar im Majorz. Das heisst, dass der Kandidat oder die Kandidatin gewählt ist, welcher/welche am meisten Stimmen erhalten hat. Bereits acht Mal hat die Bündner Bevölkerung dieses Wahlsystem bestätigt. Und rund alle zehn Jahre wird ein neuer Angriff dagegen vorgenommen. Nun ist es wieder so weit.
Das bisherige Wahlsystem hat sich bewährt: Die Bündnerinnen und Bündner wählen ihr Parlament nach dem Grundsatz «Köpfe statt Parteien». Einfach, klar und transparent. Was bedeutet aber der Proporz, welcher immer wieder aufs Tapet gebracht wird? Hier müssen die Wählerinnen und Wähler Parteien wählen. Die Personen stehen nicht im Vordergrund. Ein Beispiel:
Vor einem Monat fanden bekanntlich die eidgenössischen Wahlen statt. Diese endeten in Graubünden mit einem Paukenschlag: Heinz Brand (SVP) mit 17‘767 Stimmen und Duri Campell (BDP) mit 11‘236 Stimmen wurden abgewählt. Den Sitz der BDP erbt FDP-Vertreterin Anna Giacometti mit 6‘932 Stimmen, den Sitz von Brand übernimmt Sandra Locher Benguerel (SP) mit 9’567 Stimmen. Ebenfalls neu nach Bern gewählt wurde Jon Pult (SP). Mit Top-Resultaten wiedergewählt wurden Magdalena Martullo-Blocher (SVP, 23‘942 Stimmen) und Martin Candinas (CVP, 23’143 Stimmen). Damit vertreten neu zwei SPler sowie je ein Vertreter von CVP, FDP und SVP die Bündner Anliegen im Nationalrat in Bern. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass die SP 0.5% bei den Nationalratswahlen verloren hat und noch auf 17.1% der Wählenden in Graubünden kommt, während die SVP mit 29.9% die stärkste Kraft bleibt und sogar noch um 0.2% zulegt.
Der Nationalrat wird im Proporz gewählt. Dieses Beispiel zeigt, wie schlecht das Proporzwahlystem ist und dass der Wählerwille nur unzureichend abgebildet wird.
Gewiss, nach dem kürzlich ergangenen Bundesgerichtsentscheid über das Bündner Wahlsystem müssen wir über die Bücher. Die Richterinnen und Richter in Lausanne haben nämlich entschieden, dass das Bündner Wahlsystem teilweise verfassungswidrig sei. Zwar sei es möglich, das Kantonsparlament im Majorz zu wählen. Aber nur in Wahlkreisen bis 7000 Einwohnerinnen und Einwohner. Bis zu dieser «magischen Grenze» kenne man die Kandidatinnen und Kandidaten. Nachher nicht mehr, so das Bundesgericht. Aus diesem Grund kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass das bisherige Wahlsystem in sieben von 39 Kreisen geändert werden muss.
Die Frage stellt sich nun wie. Ich bin der Meinung, dass die bisherigen Abstimmungsergebnisse bei der Erarbeitung des neuen Wahlsystems berücksichtigt werden müssen. Acht Mal haben die Bündnerinnen und Bündner gesagt, dass sie am bisherigen Wahlsystem festhalten möchten. Der Majorz ist deshalb grösstmöglich beizubehalten, denn: Wir wollen auch in Zukunft Köpfe statt Parteien wählen.