Wahlkampfbedingt oder nicht – die Klimadiskussion erhält derzeit landauf landab neuen Schwung. Plastikmüll, erneuerbare Energiequellen und Flugabgaben sind derzeit heiss diskutierte Themen. In der Tourismusbranche ist es eher still, wenn es um das Thema geht. Wieso eigentlich? Ferien in der Schweiz sind ökologischer und daher gut für die Umwelt und das Klimagewissen. Jedes Bündner Seitental ist ganz ohne Flugscham, dafür mit ÖV, erreichbar. Das spart im Vergleich zu fernen Destinationen eine Menge CO2: Gemäss Watson löst eine Fernreise nach Asien, USA oder die Malediven über 18 Tonnen CO2 aus – Ferien in der Schweiz jedoch unter 1 Tonne – alleine aufgrund der An- und Rückreise. Aus Klimasicht gibt es also kaum ökologischere Ferien, als wenn Schweizerinnen und Schweizer sie bei uns in Graubünden verbringen.
Aber gut, so einfach ist das Thema Klima für unseren Tourismus natürlich nicht. Wir haben in Graubünden zwar rund 60% Schweizer Gäste (mit gutem Klimagewissen), sind aber auf weitere Gäste – auch aus Fernmärkten – angewiesen. Spätestens hier sind wir punkto Klima in einem Dilemma. Ohne Anreise per Flugzeug geht nichts. Und sowieso: Reisen bedeutet per Definition, sich fortzubewegen. Mobilität ist eine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts, die den Horizont erweitert, neue Perspektiven eröffnet und spannende Einblicke in andere Kulturen ermöglicht – und sie ist unter dem Strich alles andere als ökologisch. Bei so vielen Vorteilen fällt aber ein bisschen schlechtes Gewissen kaum ins Gewicht. Ein Grossteil der Menschen wird, so vermute ich, kaum auf Reisen verzichten wollen. Die Frage ist also, wie schnell es uns gelingt, mit innovativen Technologien und umweltschonenden Energiequellen die Mobilität zu revolutionieren.
Bis es soweit ist, kann es dem Bündner Tourismus ganz recht sein, wenn Greta & Co. dem schlechten Gewissen der verreisenden Schweizerinnen und Schweizern etwas einheizt. Jetzt, wo die Herbstferien anstehen, bereitet sich der Flughafen Zürich wieder auf Spitzentage vor. Ein zunehmender Teil der Schweizer Bevölkerung flieg im Herbst nochmals in den Süden, um die Sommerbräune vor dem dunklen und kalten Winter aufzufrischen. Von Flugscham keine Spur.
Für den Bündner Tourismus heisst es jetzt aber auf keinen Fall Augen und Ohren verschliessen, sondern aktiv neue Geschäftsfelder suchen. Und das ist strategisch sehr anspruchsvoll: Wie die klimatischen Bedingungen in 10, 20 oder 50 Jahren in unseren Breitengraden aussehen werden, ist aufgrund der heutigen Klimamodelle noch recht unklar. Die einen träumen von neuen Touristenströmen im Sommer, weil Menschen der zunehmend drückenden Hitze in den südlichen Regionen entfliehen wollen – Sommerfrische in den Bergen anstatt Strand und Meer. Andere hoffen, dass es mit der Klimaerwärmung doch nicht so schlimm kommt und das Wintersportgeschäft noch lange kein verlorener «poor dog» ist. Bei aller Unsicherheit, scheint es aber doch eine Gewissheit zu geben: Wir sollten nicht darauf vertrauen, dass die alten Geschäftsmodelle auch in Zukunft noch die richtigen sind.
(Bild: GRHeute)
Heute für Sie unverblümt und direkt von der Front: Brigitte Küng, Projektleiterin, Macherin und Strategieberaterin bei Hanser Consulting AG, Chur. " />