Die ehemalige Bürgergemeinde Ilanz darf ihr Vermögen gegen den Willen des Bündner Regierung auch nach einer grossen Gemeindefusion für sich behalten. Das Verwaltungsgericht hat gestern die Beschwerde der ehemaligen Bürgergemeinde Ilanz sowie der bürgerlichen Genossenschaft Ilanz aus formellen Gründen gutgeheissen. Zur Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Auslagerung des Vermögens vor der Fusion äussert sich das Urteil nicht.
Zur Vorgeschichte
Am 30. Dezember 2013 hielt die Bürgergemeinde Ilanz eine Bürgerversammlung ab. Traktandiert war unter anderem die «Gründung einer bürgerlichen Genossenschaft mit sofortiger Übertragung aller Aktiven und Passiven der Bürgergemeinde Ilanz auf die Genossenschaft». Gleichzeitig beantragte der Bürgerrat der Bürgerversammlung die Genehmigung eines Statutenentwurfes für die Genossenschaft und die Auflösung der Bürgergemeinde.
Bereits im Vorfeld dieser Versammlung schritt die Regierung aufsichtsrechtlich gegen diese Auslagerungsabsicht ein und untersagte es der Bürgergemeinde Ilanz, ihr Vermögen auf eine bürgerliche Genossenschaft zu übertragen. Die Rechtslage erlaubt nach Ansicht der Regierung die Auslagerung von Vermögenswerten auf eine bürgerliche Genossenschaft nur, wenn in einer fusionierten politischen Gemeinde keine Bürgergemeinde mehr besteht. Dies ist aber in Ilanz/Glion nicht der Fall, da es in der per 1. Januar 2014 fusionierten Gemeinde eine neue Bürgergemeinde gibt. Diese hat sich im Verlaufe des Jahres 2014 konstituiert. Die einschlägige kantonale Gesetzgebung wurde der Bürgergemeinde Ilanz und den übrigen durch das Fusionsprojekt berührten Bürgergemeinden mehrfach kommuniziert. Gegen die aufsichtsrechtlichen Anordnungen der Regierung erhob die Bürgergemeinde Ilanz bzw. die bürgerliche Genossenschaft Beschwerde an das Verwaltungsgericht.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1.9.2015
Mit Urteil vom 1. September 2015, mitgeteilt am 12.11.2015, hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde gut. Das Gericht beschränkt sich in seinen Erwägungen auf die Frage, ob der Bürgerrat der damaligen Bürgergemeinde Ilanz bei der Vermögensübertragung auf die bürgerliche Genossenschaft Ilanz handlungs- und beschlussfähig war.
Nach Auffassung des Gerichts konnte sich die von der Regierung festgestellte Handlungs- und Beschlussunfähigkeit des Bürgerrates nur auf dessen (in der Folge nicht gefassten) Beschlüsse vom 16. Dezember 2013, nicht jedoch auf jene vom 30. Dezember 2013 beziehen.
Entgegen der Ansicht der Regierung sei die am 16. Dezember 2013 beschlossene Einberufung der Bürgerversammlung auf den 30. Dezember 2015 nicht rechtswidrig. Aber auch wenn die Einladung zu dieser Bürgerversammlung fehlerhaft gewesen sein sollte, so seien die dort gefassten Beschlüsse lediglich anfechtbar und nicht nichtig. Irgendwelche Teilnahmerechte der Mitglieder der Bürgergemeinde seien zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen. Deshalb erscheine eine formell allenfalls nicht korrekt erfolgte Einladung nicht als tiefgreifender und wesentlicher Mangel. Weil die Versammlungsbeschlüsse vom 30. Dezember 2013 nur anfechtbar gewesen und von keiner Seite angefochten worden seien, seien sie gültig und zu beachten.
Zur materiellen – und aus Sicht der Regierung eigentlich zentralen und entscheidenden – Rechtsfrage, ob in einer Gemeinde gleichzeitig sowohl eine Bürgergemeinde als auch eine bürgerliche Genossenschaft bestehen können (was die Regierung bestreitet), trat das Gericht überhaupt nicht ein. Es beschränkte sich in seinen Erwägungen einzig auf die formell-rechtlichen Fragestellungen. In der Medienmitteilung kommentiert das Departement für Finanzen und Gemeinden kurz: «Im Interesse wünschbarer Rechtsklarheit ist dies zu bedauern».
Zum weiteren Vorgehen
Das Urteil kann innert 30 Tagen an das Bundesgericht weitergezogen werden, ist somit noch nicht rechtskräftig. Die Regierung wird nach Analyse des Urteils und nach Abwägen der Prozesschancen entscheiden, ob sie eine Beschwerde ergreifen wird. Ungeachtet eines allfälligen Weiterzugs und unabhängig davon, dass sich das Verwaltungsgericht zur Frage der Klarheit bzw. Unklarheit der im Streit liegenden gesetzlichen Regelung nicht geäussert hat, will die Kantonsregierung prüfen, ob allenfalls gesetzgeberischer und/oder aufsichtsrechtlicher Handlungsbedarf besteht.
«Abschliessend», betont das Departement in ihrer Medienmitteilung, «ist festzustellen, dass es sich bei der vorliegenden Problematik bisher um einen Einzelfall handelt. In den Fusionen Albula/Alvra, Domleschg und im auf 2016 umzusetzenden Zusammenschluss Surses gibt es nebst bürgerlichen Genossenschaften (Surava, Almens, Paspels und Bivio) keine zusätzliche Bürgergemeinde mehr.»
(Titel/Lead: GRHeute, Text: Medienmitteilung Departement für Finanzen und Gemeinden, Bild: Adrian Michael/Wikipedia)