Man solle seine Nägel gepflegt halten und alle paar Wochen in Ordnung bringen, steht in einem zufällig entdeckten Wiki-How-Artikel. Ich lese vergnügt, derweil ich die übrig gebliebenen Ostereier kredenze. Die Autorin warnt mich eingehend: «Wenn sie zu lang und zu wild wachsen, können sie scharf und gefährlich werden!» Hui. Na denn, vielleicht ist es wirklich an der Zeit, den Nagelknipser mal wieder aus der Schublade zu kramen und mich der Pflege hinzugeben. Nicht, dass mir die Nägel noch den Hals umdrehn. Rechterhand das Schneidwerkzeug, wird linke Hand bearbeitet. Das geht mühelos. Gut sind die gehärteten Keratinplatten noch nicht allzu «wild». Linkerhand das Schneidwerkzeug, wird rechte Hand bearbeitet. Voilà, das klappt nicht! Hier versagen sämtliche Achsenspiegelungskompetenzen meiner Hirnhälften. Die Performanz der läppisch anmutenden koordinativen Fähigkeiten entlockt mir einen herzhaften Lacher und zwei Gewissheiten: Erstens: üben, üben, üben! Zweitens zeigen sich koordinative Schwächen offenkundig im Kleinen wie im Grossen.
Der Blick auf verschmähte Ostereier und zerbrochene Schokohasen verrät, dass die Ostertage vorbei sind. Eigentlich müsste sich die Kunde vom erfolgten Abgang des amtierenden Churer Bischofs landauf, landab verbreiten. Tut sie aber nicht. Der zumeist komplizierte Herrenclub mit Sitz auf dem Churer Hof – und in der ewigen Stadt – tut sich offenbar schwer, Ankündigungen einzuhalten. Überhaupt fällt auf, dass derzeit lieber gar nicht oder schleierhaft kommuniziert wird. Das war zur Amtszeit von Vitus Huonder nicht immer so: Wir erinnern uns noch leibhaftig an die wortreichen Beiträge des Würdeträgers zu Homosexualität; sie waren gelinde formuliert herabwürdigend. Heute aber ist es ruhiger. Vorläufig bleibt der vermutet 89. Bischof zu Chur noch etwas auf seinem Stuhl sitzen und äugt schon mal zu den weltfremden Fundis nach Wangs. Bald wird er mit ihnen das Rad der Zeit zurückdrehen dürfen.
Die Steuerzahler des Bistums werden bei der Neubesetzung der Stelle, so sie dann kommt, nichts mitzubestimmen haben. Das machen die mächtigen Kirchenmannen unter sich aus; Intransparenz ist Programm. Experten orakeln: Wird der konservative Kurs fortgeführt? Besteht Hoffnung für einen Wandel? Wir wissen es nicht.
Dürfte ich wünschen, wären in Zeiten wie diesen auch in der rechtsrheinischen Diözese moderatere Töne (um nicht zu sagen modernere Töne, so progressiv-wild soll es dann doch nicht sein!) angesagt. Und: Ich stelle mir jemanden vor, der mit dem Amt umzugehen weiss. Nicht so einen hochgekommenen Streber, sondern einen, wie Viktor Hugo ihn in seinem Jahrhundertwerk «Les Misérables» beschreibt: Der bescheidene Charles-François Myriel wird unerwartet Bischof von Digne, krempelt sein Bistum besonnen um und wird binnen eines Jahres «Schatzmeister der öffentlichen Wohltätigkeit, ein Bankier des Elends». Die armen Leute von Digne, so will es die Sitte, wählten unter allen Vornamen jenen, welcher ihnen für diesen Bischof am passendsten schien: «Monsignore Bienvenue – Bischof willkommen» tauften sie ihn!
So einen, wie von Hugo gezeichneten, so einen wünsche ich mir. Einen willkommenen Menschenfreund, einen, der seine Equipage und den ganzen Plunder im bischöflichen Sitz in nützliches Gut verwandelt! Zeit zu träumen bleibt ja noch. Und wer weiss, vielleicht formiert sich in der Gemeinde mal ein bisschen Widerstand. Die Kirche darf in Sachen Gesellschaft gerne endlich dazulernen. Das wird sie aber nicht tun, wenn ihr das Volk nicht mal kräftig auf die Füsse steht. Auch wenn es um das Demokratieverständnis der Kirche nicht gut bestellt ist, wird sie sich mit der unliebsamen Aufgabe, sich der Diskussion endlich zu stellen, vertraut machen müssen. Das ist schliesslich ihre Chance, gehört zu werden. Lehne die Kirche diese demokratische Herausforderung ab, folgerte Josef Reif im Jahrbuch der christlichen Sozialwissenschaften 1969, dürfte es dafür nur einen einzigen Grund geben: «Das Misstrauen dem gegenüber, um dessentwillen sie da ist.»
Sodann den Herren ein gutes Händchen bei der Wahl für einen, den auf dem Hof willkommen zu heissen sich allseits lohnt. Und sollte den Mannen mal alles wieder zu ernst daherkommen: Nägel knipsen, das hilft!
PS: Das PS packt den Hobo-Kocher, besetzt einen feinen Zeltplatz und ist am 10. Mai wieder zurück! Aloah derweil.
(Bild: GRHeute)