«Nein!». Meine spontane Reaktion auf die Aufforderung, doch wieder mal den Hühnerstall auszumisten, ist möglicherweise einer nicht gemeisterten Entwicklungsaufgabe zuzuschreiben, Ausdruck meiner Abgrenzungskompetenz (so was gibt es heute sicher) oder basiert auf abwesender, intrinsisch motivierter Selbstkontrolle. Sicher ist sie Ausdruck grosser Unlust. Alles Rummäkeln nützt aber nichts: Der Mist muss raus! Wie ich nun also so da kniend die Eins treu zur Seite schaufle, entdecke ich die Wochenendausgabe der «Südostschweiz» vom 16. März – besser: die letzte Seite besagter Zeitung. Die vom Getierfäkalisierte Kolumne von Herrn Masüger erweckt mein Interesse. Ich rette das Papierchen, lehne mich in den Liegestuhl, geniesse die Märzsonne im Nordwind und werde bei der Lektüre jäh enttäuscht. «Masüg er sagts» (obwohl er es schreibt) beleuchtet eine Neuentdeckung der besonderen Art: Den Genderstern! Heureka! Ob schon seit Jahren nicht nur in einschlägiger Literatur angewandt – dieser Ausdruck dessen, dass soziales Geschlecht ein Vielerlei bedeuten kann – regt sich der Ex-CEO der bebilderten Bündnerpresse im Druckformat über diese Schreibweise und die Sternchen auf, ruft verzweifelt einfältig die Duden-Gottheiten an und jault das Lied über die Geschlechtslosigkeit. Ja, er sorgt sich gar um seine geschlechtliche Identität in der Zukunft, skizziert eine Männlichkeitsapokalypse und folgert: «Dann müssten wir alle in absehbarer Zeit totalverhüllt in einer Voll-Burka herumlaufen.» Lieber Schreiberling: Gender-Gaps sind längst schon salonfähig. Ob sich Sternchen, Unterstriche, Binnen-I & Co durchsetzen werden, das ist eine völlig andere Frage. Nur: Offensichtlich ist die deutsche Sprache nun mal nicht geschlechtergerecht. Das hat gemäss Anatol Stefanowitsch, Professor für Linguistik an der Freien Universität in Berlin, mit der Sprachstruktur und mit Traditionen zu tun. Und: Auf der Höhe des aktuellen Forschungsstands gibt es, so der Autor weiter, keine einzige linguistisch fundierte Verteidigung des generischen Maskulinums; auch dann nicht, so merke ich an, wenn gescheite ältere Herren in den Feuilletons sich seit Jahren gegenteilig dazu äussern. Ich gebe Masüger dahingehend recht, dass die Genderthematik manchmal, wenn überhöht betont, lästig werden kann, manchmal auch Falsches kreiert oder zu anderen Zwecken instrumentalisiert wird und so nur knapp vor die Füsse denkt. Das ändert an der Tatsache, dass jenseits von Frau und Mann auch trans- oder intersexuelle Menschen heutzutage ausdrücklich und sichtbar mitgedacht werden dürfen, allerdings gar nichts. Vielmehr wäre es an der Zeit, dass wir soziale Ungleichheit per se stärker diskutieren; das soziale Geschlecht ist da nur ein Aspekt. Im Endeffekt geht es um Fragen von Gerechtigkeit und Macht. Über sprachliche Turnereien darf gerne kontrovers diskutiert werden. Unbedingt. Aber nicht allzu platt. Überhaupt ist, wie Sieglinde Geisel in der NZZ mal treffend festgestellt hat, die Macht der Worte begrenzt: Gender-Gap & Co zwingen niemanden dazu, Macht abzugeben! Da hingehend sollten wir weiterdenken, um echte Fortschritte zu bewirken. Die Empörung über das Sternchen legt einen «Mind-Gap» im grossen Bündner Medienhaus offen, jenem Haus, das sich doch eigentlich von der Provinz verabschiedet hat, manchmal aber halt doch noch provinziell daher kommt. Schade. Für die letzte Seite der Printausgabe vom Rossboden ziemt sich das meiner Meinung nach nicht. Und wenn doch: Ihre Geisteslücken könnte besagtes Blatt inskünftig deutlich machen – mit einem Sternchen im Titel: S*O.
PS: Um die Geister wieder zu besänftigen schlage ich folgendes vor: An einem Samstag im März legen wir uns zeitgleich stereobewegt in eine nahe gelegene Wiese, welche dem Churer Rossboden ähnelt, aber weniger vergiftet brach liegt, entzünden eine Ganesha Räucherschale, knabbern Siam Mandeln daraus, betrauern emphatisch auf dem Rücken liegend Gottschalks Eheaus und duzen uns danach. Das wär schön! Bis dann.
(Symbolbild: Unslapsh)