Franziska Preisig ist SP-Nationalratskandidatin, Grossrätin, Juristin, Dozentin und Mutter von vier Kindern. Den Haushalt schmeisst ihr Mann. Das ist im Oberengadin nichts Ungewöhnliches.
Die Klagemauer ihrer Kindheit und Jugend war das Alpsteinmassiv. Säntis, Kronberg, Hundwiler Höhe – das war die Aussicht von den Hügeln im Appenzeller Hinterland, in dem Franziska Preisig auf einem Bauernhof gross geworden ist. Als in Ausserrhoden – noch vor Innerrhoden – an einer denkwürdigen Landsgemeinde das Frauenstimmrecht eingeführt wurde, war Franziska Preisig bereits im Lehrerseminar in Kreuzlingen.
Geblieben ist ihr, dass es in den vorangegangenen Diskussionen im bäuerlichen Umfeld kaum je um das Frauenstimmrecht an sich ging, sondern vielmehr darum, dass die Männer diesen «Männertag» nicht verlieren wollten. Was den Frauen ebenso recht war, genossen sie umgekehrt genauso ihren «Frauentag». «Liebe Appenzellerinnen und Appenzeller, dreht euch mal um – weg vom Alpstein – und schaut euch die Welt bis weit über den Bodensee hinaus an. Verniedlicht nicht die Sache mit der Tradition; es ist Platz für beides da, wenn man will», sagt Franziska Preisig heute über diese Jugend im Appenzellerland.
Die Welt im Appenzellerland war klein, zu klein für eine wie Franziska Preisig. Als sie, um ihr Rechtsstudium in Bologna (I) zu finanzieren, im Winter als Skilehrerin in Celerina arbeitete, lernte sie ihren späteren Mann kennen und blieb im Oberengadin sesshaft. Aus der Klagemauer Alpstein wurde das Jammertal Engadin. «Es ist enger als damals im Appenzellerland, aber gleichzeitig auch weltoffener.»
So weltoffen, dass sie, als sie auch nach der Geburt der vier Kinder weiter voll arbeitete, von niemandem schräg angesehen wurde. «Mein Mann macht den Haushalt. Das hat sich so ergeben und für uns stimmt es. So kann ich mich 100 Prozent auf meine Arbeit als Dozentin und Juristin konzentrieren», sagt Franziska Preisig. In Samedan, wo sie und ihre Familie wohnen, gäbe es noch andere Familien, die die «Rolle» getauscht hätten. «Männer mit Kleinkindern am Einkaufen war und ist nichts Neues. Zudem gibt es viele Künstler im Engadin, die auch ein eher unkonventionelles Leben leben. Da ist die Akzeptanz mit solchen Rollenbildern grösser.»
Zu ihrem Engagement als Juristin, das sie immer wieder auch mal zu Kämpferinnen gegen die Mafia nach Sizilien führt, kommt jetzt noch die Rolle als Nationalratskandidatin der SP. Dort will sie sich für gerechte, weltoffene und faire Lösungen, welche unsere Grundreche und Grundwerte beachten, einsetzen. Ihre Triebfeder ist der grosse Respekt wie auch die tägliche Faszination gegenüber den Mitmenschen in ihrer Vielfalt und gleichzeitiger Einzigartigkeit.
(Bild: zVg)