Die Eishockey-Schweiz war einigermassen überrascht, als der HC Davos am Freitag die Verpflichtung eines neuen Goalies bekanntgab. Immerhin hatte man die letzten Jahre bekanntlich die beiden jungen Gilles Senn und Joren van Pottelberghe für grössere Aufgaben aufgebaut. Was bedeutet die Verpflichtung des 30-jährigen Schweden Anders Lindbäck für den Rekordmeister?
Von «Das Nachwuchsexperiment ist krachend gescheitert» (Blick) zu «Arno Del Curto hat Gilles Senn (22) und Jorgen van Pottelberghe (21) für die NL gewogen und als zu leicht befunden» (Watson) mussten die HCD-Fans am Wochenende wenig schmeichelhafte Worte zur Davoser Goalie-Strategie der letzten Jahre lesen. Andererseits ist für viele «Experten» unbestritten, dass Davos mit dem Transfer an Qualität gewonnen hat. Wir haben den neuen Goalie unter die Lupe genommen und kommen zu folgenden Schlüssen:
1. Anders Lindbäck ist kein Überflieger: Die Davoser Organisation schrieb zwar, Lindbäck komme aus der Organisation der Nashville Predators, unterschlug aber, dass er die letzten beiden Jahre kein einziges Spiel in der NHL bestritten hat. Wie Senn ist Lindbäck mit 1,98 m und 98 kg ein Hüne im Kasten. Insgesamt kam er auf etwas mehr als 100 NHL-Einsätze für fünf verschiedene Teams (Nashville, Dallas, Arizona, Tampa, Buffalo) – gestern traf der «Neue» in Davos an.
2. Lindbäck ist kein Verlegenheitskauf: Der Schwede hat in seiner Karriere durchwegs solide bis sehr gute statistische Werte vorzuweisen. In seinen 102 Spielen in der NHL (130, wenn man Teileinsätze auch berücksichtigt) kassierte er insgesamt 387 Tore, was eine Fangquote von 90,4% ergibt. Eine leicht bessere Bilanz weist er in den letzten zwei Jahren auf, als er zum schwedischen Verein Rögle (2016/17) und in die AHL nach Milwaukee (2017/18) ausgeliehen wurde. Lindbäck gehört definitiv noch nicht zum alten Eisen.
3. Keine Zukunft für Senn und JvP beim HCD: Davos gibt mit der Verpflichtung das Nachwuchs-Experiment mit Joren van Pottelberghe und Gilles Senn auf. Offiziell wurde als Grund angegeben, dass beide nach der kommenden Saison ihr Glück in den USA versuchen wollen und deshalb keine langfristige Option mehr für den HCD sind. Ob Davos die Saison nun mit drei Goalies bestreitet, ist unwahrscheinlich. Eher dürfte nun einer der Youngsters – wahrscheinlich JvP – ausgeliehen werden und der andere als Backup dienen.
4. Schon jetzt Ausländersorgen: Auch dieses Jahr sind die Söldner ein Fragezeichen bei Davos, wie schon letztes Jahr sind die Verletzungssorgen beträchtlich: Zwar hat Perttu Lindgren letzte Woche sein Comeback gegeben, ob der finnische Hoffnungsträger die Saison durchhält, ist aber alles andere als gewiss. Dazu kommt, dass der bisher überzeugende neue finnische Stürmer Sami Sandell (31) mit notorischen Knieproblemen (Knorpel) kämpft.
5. Es muss noch einer her: Der Unsicherheit auf den Ausländerpositionen will der HCD mit einer weiteren Verpflichtung – wohl einem Center – begegnen. Was bereits vor Saisonbeginn an den letzten Winter erinnert, als die Davoser im Verlauf der Saison sechs Söldner im Team hatten. Allerdings will man nun erstmal die Möglichkeiten abwarten, die sich nach Abschluss der eben gestarteten NHL-Camps ergeben. Mit der Verpflichtung des neuen Goalies hat der HCD aber bereits fünf Ausländer unter Vertrag: Lindbäck, Verteidiger Magnus Nygren und die Stürmer Shane Prince, Perttu Lindgren und Sami Sandell. Eingesetzt werden dürfen pro Match nur vier.
(Bilder: Facebook Anders Lindbäck)