Umgang mit steigenden Kosten: Gesundheitssystem unter der Lupe

Die Kosten des Schweizer Gesundheitswesens sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Umstrukturierungen, zunehmend wirtschaftliche Interessen und nicht zuletzt der demographische Wandel mit einer immer älteren Gesellschaft sind die Ursachen dafür. Die Politik und auch die Versicherer reagieren ganz unterschiedlich darauf. Um die Qualität der Versorgung zu sichern sind umfangreiche Massnahmen notwendig.

Die Gesundheitsvorsorge in der Schweiz gehört zu den besten der Welt. Dies ist jedoch auch mit hohen Kosten verbunden. (Bild: Fotolia, © R.Babakin)

Im globalen Vergleich liegt die Schweiz beim Qualitätsniveau der Gesundheitsvorsorge auf einem der vordersten Ränge. Mit dem Anstieg der Qualität sind auch die Kosten stetig höher geworden. Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag der Anteil der Ausgaben für die Gesundheit 2015 bei fast zwölf Prozent, so die Angaben des Bundesamts für Statistik. 1960 waren es noch rund fünf Prozent. 

Schweizer Spitäler als grösster Kostenfaktor

Das meiste Geld fliesst innerhalb des Gesundheitssystems in unsere Spitäler. Rund ein Drittel des jährlichen Budgets wird in die Finanzierung dieser Institutionen gesteckt. Positiv ist zu bewerten, dass zuletzt die Qualität der Versorgung in diesem Bereich noch einmal gesteigert werden konnte. Dennoch werfen die entsprechend hohen Ausgaben auch die Frage auf, wo bei den Spitälern Sparpotentiale ausgeschöpft werden können.

Als erste Massnahme wurden verschiedene Möglichkeiten geschaffen, um den Wettbewerb zu erhöhen. Allerdings blieb bislang ein deutlich spürbarer Rückgang der Kosten aus. Das strategische Planungsunternehmen Avenir Suisse sieht Verbesserungspotential unter anderem bei der Vergabe der Subventionen. Hier sollte für mehr Transparenz gesorgt werden. Landesweit einheitliche Standards sollen anstelle der kantonalen Spitallisten treten. Zudem wird die mehr Eigenverantwortung von den Patienten gefordert.

Mehr Eigenverantwortung der Versicherten gefordert

Je nachdem für welches Modell sich die Schweizer Bürger bei ihrer Krankenversicherung entschieden haben, müssen bereits jetzt verschiedene Ausgaben im Rahmen der Franchise selbst übernommen werden. Dem aktuellen Bundesrat sind die bisherigen Limits allerdings noch zu eng gesteckt. Sie sollen künftig bei den erwachsenen Versicherten angehoben werden.

Zunächst ist eine Anhebung um 50 Franken geplant, so die Mitteilung zum Beschluss des Bundesrates. Zudem, so der Vorschlag, sollen sie parallel zu den steigenden Gesundheitskosten in Zukunft automatisch regelmässig steigen. Zudem ist im Gespräch, die Höhe der Franchise nur noch alle drei Jahre anpassen zu können. Die nationalrätliche Gesundheitskommission erwartet, dass die Franchise so noch niedriger gestaltet werden kann.

Mit dieser erzieherischen Massnahme möchte der Gesetzgeber die Versicherten dazu bewegen, nicht mehr wegen einer Bagatelle gleich einen Arzt aufzusuchen. Somit sollen günstige Leistungen beim Arzt oder in der Apotheke von den Versicherten noch stärker selbst getragen werden, um die Kassen zu entlassen. Vor allem die Kosten für die Grundsicherung sind nämlich in den letzten Jahren stark gestiegen. Durch diese Massnahme können die Prämien dann langfristig gesenkt werden. Vor allem chronisch Kranke und Versicherte mit niedrigem Einkommen sollen davon profitieren.

Von den Patienten ist künftig mehr Eigenverantwortung gefordert. Niedrige Krankheitskosten sollen noch mehr selbst getragen werden. (Bild: Fotolia, © rh2010)

Sozial Schwache als Verlierer?

Vertreter aus dem linken politischen Flügel befürchten allerdings, dass dann gerade Personen mit geringem Einkommen aus Kostengründen auf vermeintlich unnötige Arztbesuche komplett verzichten. So könnten Krankheiten auch verschleppt oder zu spät diagnostiziert werden.

Zudem droht die Situation, dass sich sozial schwache Versicherte alternativ dazu entscheiden Sozialhilfe zu beantragen, um die Ausgaben stemmen zu können. Während die Prämien stetig gestiegen sind, gewähren die Kantone gleichzeitig immer seltener individuelle Verbilligungen. Am Ende müssen vor allem die Versicherten selbst die steigenden Kosten tragen.

Umstrittenen Leistungen auf dem Prüfstand

Zu den Vorsorgeleistungen, die bereits jetzt in der Kritik stehen, zählen beispielsweise Brustkrebsscreenings für Frauen. Bislang werden die Kosten dafür im Rahmen des Früherkennungsprogramms noch von den Kassen übernommen. Seit einiger Zeit läuft dazu eine flächendeckende Vorsorge. Allerdings wird Kritik am Nutzen der hohen Kosten für das Programm laut.

Der Grund: Die Diagnoseform steht in der Kritik ungenau zu sein und bislang haben noch recht wenige Frauen an dem Programm teilgenommen, um aussagekräftige Schlüsse ziehen zu können. Der Kanton Bern ist der Erste, der sich im Januar aus der Initiative zurückgezogen hat. Die verantwortlichen Mediziner setzen das Vorsorgeprogramm jetzt mit einem neuen Partner fort.  

Eigenverantwortung beim Thema Brustkrebs

Bezahlt wird das Mammografie-Screening derzeit für Frauen zwischen 50 und 70 Jahren – der grössten Risikogruppe. Allerdings sind unter allen an Brustkrebs erkrankten Patientinnen rund 20 Prozent jünger als 50 Jahre, ein nicht geringer Anteil. Sie müssten eine umfassende Vorsorgeuntersuchung selbst bezahlen.

Die Heilungschancen sind dabei jedoch umso grösser, je früher die Diagnose erfolgt. Hier liegt es an den jüngeren Frauen, sich selbstverantwortlich um eine Früherkennung zu bemühen. Vor allem das regelmässige Abtasten ist wichtig, um Veränderungen frühzeitig festzustellen. Hier gibt es verschiedene Initiativen, die sich dafür stark machen, die Frauen zu diesem Thema zu sensibilisieren und selbst aktiv zu werden. Mit besonderen Aktionen wird auf die Dringlichkeit des Themas aufmerksam gemacht und Hilfestellungen zur Selbstdiagnose und möglichen Ansprechpartnern vermittelt.

Einheitliche Standards gefordert

Um die Kosten zu reduzieren wird immer wieder darüber diskutiert, ob und welche Leistungen aus dem Katalog der Grundsicherung gestrichen werden sollen. Durch das breite Angebot werde die Allgemeinheit zu stark belastet, so die Kritiker.

Die Herausforderung liegt jedoch vielmehr darin, den einzelnen Patienten die jeweils beste Versorgung und Behandlung zukommen zu lassen. Deshalb auch die Kritik am bisherigen Programm zum Mammografiescreening. Hier müsse die Qualität landesweit noch mehr verbessert werden, da es bislang zu häufig Fehldiagnosen gab. 

Dies führte nicht zuletzt zu einer Verunsicherung bei den Patienten und schliesslich auch zu einer geringen Teilnehmerquote. Sollen die Versicherten mehr Eigenverantwortung zeigen, müssen sie der Qualität der Leistungen vertrauen können, so dass in Absprache mit dem Arzt die jeweils beste Lösung gefunden werden kann. 

Eine Mammografie zur Krebsvorsorge wird erst ab 50 Jahren von der Kasse bezahlt. Jüngere Frauen müssen sich eigenverantwortlich um eine Früherkennung bemühen. (Bild: Fotolia, © chompoo)

Unter Umständen sollte der Leistungskatalog stetig zu aktualisiert werden. Studienergebnisse über die Wirksamkeit und Effizienz verschiedener Medikamente und Behandlungsmethoden können berücksichtigt werden und so dabei helfen sinnvolle von weniger sinnvollen Massnahmen zu unterscheiden.

Kritik am geplanten Globalbudget

Die Schweizer Regierung hat weitere Massnahmen geplant, um das Gesundheitssystem zukunftsfähig zu machen. Eine davon ist die Schaffung eines Globalbudgets für die verschiedenen Leistungen. Kantonale Einheitskassen sollen dieses Geld zentral verwalten. Auf diese Weise sollen zu stark steigende Kosten künftig vermieden werden. Allerdings ist dieser Vorschlag bisher vor allem auf Kritik gestossen. Einerseits sei ein solches Vorgehen kontraproduktiv zu jüngeren Bemühungen, das Gesundheitswesen durch mehr Wettbewerbsmöglichkeit zu öffnen.

Auch die Stimmberechtigten, die im Rahmen des gfs.Gesundheitsmonitors befragt wurden, sehen verschiedene Probleme bei einer Deckelung der Ausgaben: Sie fürchten längere Wartezeiten und generell eine Verschlechterung der Versorgungsqualität.

Im stationären Bereich sind in den Kantonen Waad und Genf Globalbudgets seit einiger Zeit bereits üblich. Die Verantwortlichen sind hier bislang mit diesem Modell zufrieden. Allerdings ist fraglich, wie weit das Konzept auch auf den ambulanten Bereich ausgeweitet werden kann. Denn gleichzeitig sind die Zuschüsse der Kantone für die Spitäler in den beiden Regionen mehr als doppelt so hoch wie im übrigen Land.

Weitere politische Massnahmen auf dem Prüfstand

Im März wurde vom Bundesrat ein umfangreiches Massnahmenpaket verabschiedet, das die steigenden Kosten im Gesundheitswesen eindämmen soll.

Noch für dieses Jahr ist die Einführung eines zentralen Tarifbüros im ambulanten Bereich geplant, das bestimmte Ausgaben und Tarife künftig landesweit pauschal abgerechnet und so transparenter und vergleichbarer werden sollen. In Testprojekten soll zudem geprüft werden, in welchem Umfang es möglich ist wirkstoffgleiche Alternativmedikamente zu niedrigeren Preisen einzusetzen. Dann übernehmen die Kassen nur noch die Kosten des günstigeren Präparats.

Im Rahmen eines zweiten Massnahmenpakets sollen 2019 bestehende Daten und Erkenntnisse noch besser zwischen den Kantonen ausgetauscht und vernetzt werden. Die soll ebenfalls dazu beitragen, dass die Versorgung in Zukunft noch zielgerichteter erfolgen kann und unnötige Ausgaben oder ineffiziente Behandlungen vermieden werden.

 

(Bilder: zVg.)