Der People-Blog «Lüt vu Graubünda» schreibt über einen Aspekt aus dem Leben von «normalen» BündnerInnen. Der Blog ist lose angelehnt an die populäre Webseite «Humans of New York».
Nöldi Caviezel, 56, Bergün. Verkehrswegebauer bei der RhB.
«Vor ein paar Monaten hat mich meine Tochter gefragt, ob ich bei einer Challenge mitmachen würde. Es ginge darum, als Viererteam innerhalb von 10 Wochen möglichst viele Schritte zu machen, und sie hätte mich gerne in ihrem Team. Ich mache sonst eigentlich nicht noch wahnsinnig viel Sport, ich bewege mich ja schon während der Arbeit genug. Aber meiner Tochter tut nach ihrem Unfall Bewegung gut, und da ich alles für mein Töchterchen mache, habe ich gesagt, ich mache mit. Ihr Ziel sei, täglich etwa 15’000 Schritte zu laufen. Das wollte ich dann auch schaffen, habe ich mir vorgenommen, und dann ging es los mit der Challenge. Insgesamt machen 24 Teams à 4 Personen mit, und mich hat recht schnell der Ehrgeiz gepackt, vorne mit dabei zu sein.
Manchmal bin ich abends nach dem Schaffen noch los Richtung Campingplatz und bin 10 Mal um das Ausgleichsbecken drum herum gelaufen, damit ich auch genügend Schritte zusammen bekomme. Einmal bin ich an einem freien Tag von daheim bis nach Tiefencastel gelaufen, von dort mit dem Zug nach Preda gefahren und wieder bis auf Bergün gelaufen. Und da es noch nicht genug war, habe ich eben noch ein paar Runden um das Ausgleichsbecken angehängt. An dem Tag habe ich 60’000 Schritte zusammen bekommen! Tja, und nun bin ich so im Laufen drin, dass ich durchschnittlich etwa 37’000 Schritte am Tag laufe. Meine Tochter läuft auch viel mehr als die ursprünglich angepeilten 15’000 Schritte, und nun, 4 Tage vor Ende der Challenge, liegt unser Team knapp 1 Million Schritte vor dem zweitplatzierten Team. In der Einzelwertung liege ich auch unangefochten auf Platz 1, dabei ging es mir eigentlich gar nicht so sehr ums Gewinnen, sondern ich tue das einfach für meine Tochter.
Sie hatte vor ein paar Jahren einen ganz schrecklichen Autounfall, den sie nur wie durch ein Wunder überlebt hat, und ich unterstütze sie, wo ich nur kann. Sie arbeitet als Zugbegleiterin bei der RhB, dort läuft sie ja auch schon recht viel, aber eben, je mehr sie läuft, je besser für sie. Sie wohnt in Samedan, und wir telefonieren oft abends. Wir fragen, was der andere gerade so tut – und dann müssen wir lachen, weil wir momentan meistens beide in jeder freien Minute am Laufen sind. 10 Wochen ist schon eine lange Zeit, und ich freue mich jetzt schon drauf, wenn ich nach der Challenge endlich mal wieder etwas freie Zeit im Sitzen verbringen kann, einfach nur auf der Couch oder so. Aber es tut auch gut, und schlafen tu ich seit Beginn der Challenge wie ein Herrgöttli! Es gibt gar nicht wirklich etwas zu gewinnen, ich glaube, die Vorjahresgewinner haben ein feines mehrgängiges Nachtessen bekommen. Aber darum geht es mir auch gar nicht. Meine Motivation ist einzig und allein meine Tochter, und es macht wahnsinnig Spass, so etwas gemeinsam mit ihr zu machen.»
(Bild: zVg. / Nöldi Caviezel mit Tochter Michaela)