Geoff Buffum: «Die Einheimischen haben einen fantastischen Job gemacht»

Als Titelverteidiger starten die Calanda Broncos wieder als Gejagte in die Football-Saison 2018. Wir haben mit Erfolgscoach Geoff Buffum über die Erwartungen in dieser Saison gesprochen.

 

Coach Buffum, wie stark sind die Calanda Broncos im Vergleich zur letzten Saison?

Das ist schwierig zu sagen. Wir konnten erstmals den ganzen Winter auf
dem neuen Kunstrasenplatz draussen trainieren, hatten ein gutes Camp in Tenero und haben insgesamt ein grösseres Kader als letztes Jahr. Rund acht Spieler aus der letzten Saison sind nicht mehr da, dafür haben wir etwa 15 neue Spieler. Rookies, aufgestiegene Spieler aus der U19 und einige, die nach einer Pause wieder eingestiegen sind. Vor drei Jahren war unser Kader 30 Mann stark, letzte Saison 40 und dieses Jahr rund 50. Diese Entwicklung ist sehr ermutigend.

Bei den US-Verstärkungungen setzen Sie auf QB Clark Evans und D-Liner Jeff Worthy, die mit den Broncos letztes Saison den Titel gewonnen haben. Dazu ist auch Jamal Clay, der sich vorletzte Saison im Halbfinal schwer verletzt hatte, wieder zurück. Was erwarten Sie von den Verstärkungen?

Es ist immer ein Vorteil, wenn man weiss, was man hat. Wir mussten dieses Jahr nicht von Null beginnen. Das macht alles einfacher.

Wieviel Druck liegt auf den US-Spielern?

Das ist kein Faktor. Ich hoffe, dass wir besser werden als letztes Jahr. Wir müssen nichts wiederholen. Clark hatte statistisch ein aussergewöhnliches Jahr, aber ob er dieselben Zahlen erreicht, ist mir eigentlich egal. Es geht darum, den Level des ganzen Teams zu steigern, in einem Jahr, in dem wir mehr und gegen stärkere Gegner spielen werden als letztes Jahr.

Die Schweizer Spieler sind zu einer grossen Stärke der Broncos herangewachsen, denkt man nur bei- spielsweise an den Einfluss der Passfänger Lukas Lütscher und Swiss-Bowl-MVP Adrian Sünderhauf. Was darf man von ihnen erwarten?

Wie immer, dass sie ein Vorbild sind, dass sie die Vereinskultur vorleben. Wir hatten in den letzten Jahren grossen Erfolg darin, neue Spieler mit verschiedenstem Background zu integrieren. Als wir vor knapp vier Jahren nach den grossen Erfolgen mit vielen Imports neu starteten, haben die Einheimischen einen fantastischen Job gemacht, das Team anzuführen und einen Level zu etablieren, wie wir trainieren und spielen. Ich gehe davon aus, dass sie auch dieses Jahr das machen, was sie machen und das Team anführen.

Coach Buffum an der Sideline der Broncos.

Einen Spieler, den man besonders nennen muss, ist Rückkehrer Dea Baumann, der nach zwei Jahren als Linebacker beim Fullerton College in den USA wieder im Team zurück ist. Was bedeutet seine Rückkehr für die Broncos?

Dea kommt wie viele andere im Team aus der eigenen Juniorenbewegung. Es ist immer schön, alte Freunde zurück zu begrüssen, nachdem sie andernorts Erfahrungen gesammelt haben. Die Freundschaften, die man im Sport aufbaut, sind etwas ganz Besonderes. Für Spieler wie Dea oder auch O-Liner Federico Ferretti bedeutet es viel, nach «Hause» zu kommen. Und das Team begrüsst sie natürlich mit offenen Armen.

Die Broncos haben aber auch einige Spieler verloren. Keiner vielleicht bedeutender als Offense Lineman und «spiritueller Leader» Andre Mathes, der seine Football-Laufbahn nach einer Wahnsinnskarriere und sechs Jahren bei den Broncos an den Nagel hängte. Wie kann man einen solchen Spieler ersetzen?

Du kannst einen Spieler wie Mathes nicht ersetzen. Weder als Spieler noch von seiner Personality her. Er war ohne Zweifel einer der wichtigsten Bausteine beim Neuaufbau der Broncos. Ich sage Folgendes über Mathes: In den europäischen Erfolgsjahren kamen viele Spieler zu den Broncos. Und als sich die finanzielle Situation im Verein änderte, verliessen fast alle den Klub wieder. Mathes war einer der wenigen, die blieben. Das sagt etwas aus, und es bedeutet mir persönlich viel, und es bedeutet den Broncos viel. Wir werden ihn auf jeden Fall vermissen.

Nach Ihrem Eurobowl-Triumph 2012 mit einer Import-gespickten Star-Mannschaft kamen sie 2015 zu den Broncos zurück mit dem Auftrag, den Verein in ruhige stabile Gewässer in der NLA zu führen. Seither wurden die Broncos zweimal Meister und einmal Vizemeister. Haben Sie erwartet, so schnell so erfolgreich zu sein?

Absolut nicht. Ich war sehr positiv überrascht über die Führungsqualitäten im Klub, von den einheimischen Spielern bis zur Organisation. Das Recruiting lief besser als ich es je in Europa erlebte. Wenn bei uns jemand ein Probetraining absolviert, bleibt er mit einer grossen Wahrscheinlichkeit dabei. Das habe ich so in Europa noch nirgendwo erlebt. Wir haben sicher auch Glück mit den Import-Spielern gehabt, die meiner Meinung nach die besten der Schweiz waren. Es ist auch bezeichnend, dass in den letzten vier Jahren nur fünf Amerikaner mehr als ein Jahr bei derselben Schweizer Mannschaft spielten – und vier davon sind Broncos. Ich glaube, das sagt auch viel über den Klub aus. Leute wollen zu uns kommen. Und um Geld geht es nicht, da gibt es in Europa ganz andere Möglichkeiten. Es ist sicher auch nicht das «Big- City-Life» hier, wo man jeden Abend ausgeht. Chur ist klein und fein und die Umgebung hat sehr viel zu bieten. Wir machen das den neuen Spielern klar. Wir haben mit unseren Verstärkungsspielern die Erfahrung gemacht, dass sie sich sehr gut an die Kultur in Graubünden anpassen.

Seit Sie zurück bei den Broncos sind, haben Sie 32 Spiele gewonnen und nur 4 verloren. Wenn man die 2012er- Saison dazuzählt, haben Sie gar einen 48-4-Record. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolgs?

Ich glaube, es sind zwei Siege weniger. In der 2012er-Saison hatten wir zwei Forfait-Siege und diese zähle ich nicht. Zur Frage: Es gibt kein Erfolgsrezept. Oft hört man von Coaches, die von ihrer Coaching-Philosophie sprechen. Für einen US-Coach in Europa ist es meiner Meinung nach wichtig, seinen Stil den hiesigen Verhältnissen anzupassen. Es gibt Leute, die fahren jedes Mal eine Stunde ins Training. Man kann von ihnen neben der Arbeit und der Familie übers Jahr gesehen nicht dieselbe Trainingspräsenz erwarten wie von einem Einheimischen. Ich würde aus meiner Erfahrung aus anderen Ländern sagen, dass die Leute in der Schweiz ernsthafter studieren und arbeiten und ihren Fokus primär darauf legen. Da muss man sich als Coach darauf einstellen. Es ist nicht wie in den USA, wo für viele Football das Zentrum ihres Lebens ist. Wir trainieren auch nicht so oft wie wir es beispielsweise in Innsbruck taten, aber dafür sichern wir eine gute Trainingsbeteiligung, können einen engen Teamgeist entwickeln und involvieren die Team Captains bei allen wesentlichen Entscheiden. Das sind viele Worte und irgendwo darin versteckt sich wohl auch eine Philosophie.

Mit dem 8. Titel wurden die Broncos 2017 Schweizer Rekordmeister.

Blicken wir auf die NLA. Wer wird der grösste Herausforderer der Broncos?

Schwer zu sagen, man weiss noch nicht viel, wie neue Spieler einschlagen. Man darf nicht vergessen, dass uns jedes Schweizer Team auf unserem Spielplan in den letzten Jahren einmal geschlagen hat, mit der Ausnahme von Genf, die erst seit letztem Jahr wieder in der NLA sind. Wir wissen, dass wir sehr gut geschlagen werden können, wenn wir nicht gut spielen. Ich denke, man muss auf die Geneva Seahawks aufpassen. Letztes Jahr startete Winterthur mit viel Momentum, als sie mehrere Zuzüge aus Zürich hatten. Dieses Jahr hat Genf mehrere Spieler vom Absteiger Lausanne geholt. Genf hatte letztes Jahr Pech mit den Importspielern und verpasste die Playoffs doch nur hauchdünn. Und sie haben mit Larry Legault einen sehr guten, europäisch erfolgreichen Coach. Sonst? Schwer zu sagen. Bern ist immer tough, Winterthur schlug uns letzte Saison, Basel vor zwei Jahren und stand letzte Saison im Swiss Bowl. Wir nehmen jedes Team sehr ernst, aber wenn ich jetzt eins sagen müsste, auf das man besonders aufpassen muss, dann sind das die Geneva Seahawks.

Sie kennen als langjähriger Coach in Europa beide Footballwelten. Was schätzen Sie persönlich am Lifestyle in Europa verglichen mit jenem in der USA und umgekehrt?

Ich vermisse das mexikanische Essen, sehr, obwohl es in Chur gute Möglichkeiten gibt. Mir gefällt an der Schweiz, dass die Leute hier insgesamt besser informiert sind, was in der Region und in der Welt passiert. Auch, dass Bildung und das Gesundheitssystem hier eine hohe Priorität haben. Ich mag – obwohl mir das vielleicht persönlich nicht gefallen hat -, dass mich eine alte Lady von ihrem Balkon anfaucht, wenn ich falsch parke. Irgendwie gibt das alles eine Art von Community-Gefühl. In den USA hatte ich zuletzt oft das Gefühl, dass es immer mehr um das einzelne Individuum geht. Jeder hat letztlich seine Individualität, aber es ist das Gemeinsame, das die Menschheit von Zeiten in der Höhle zu heute weiter entwickelt hat. Das sind so Sachen, die mir hier gefallen. Und so plane ich auch, lange in der Schweiz und in Chur zu bleiben. Es ist ein guter Ort zum Ankommen, auch, um eine Familie zu gründen. Das ist heute auch wichtig.

 

Die Calanda Broncos starten am Sonntag um 14 Uhr an der Churer Ringstrasse gegen die Winterthur Warriors in die Football-Saison 2018.

 

(Bilder: GRHeute/Ana Zinsli)