Der mit einem deutsch-französisch-afghanisch-israelischen Ensemble erarbeitete Theaterabend «Malalai» widmet sich den weiblichen Freiheitsikonen und Gotteskriegerinnen Jeanne d’Arc und Malalai von Maiwand, die nicht nur Schwestern im Geiste sind, sondern deren Geschichten zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen. Das Theater Chur zeigt dieses transnationale Theaterprojekt nach Friedrich Schiller von Robert Schuster und Julie Paucker am Donnerstag, 16. November 2017 als Schweizer Erstaufführung im Rahmen des Festivals «Welt in Chur».
Die Legende von der jungen Frau aus dem Volk, die für ihre Überzeugung, ihren Glauben und ihr Land kämpft, ist in Frankreich ein Nationalmythos und lieferte Schiller den Stoff für eines seiner bekanntesten Dramen. In Afghanistan erzählt man eine ähnliche Geschichte: Malalai von Maiwand war 1880 Sanitäterin im Unabhängigkeitskrieg gegen die britische Kolonialmacht. Als die Afghanen die Hoffnung auf einen Sieg verloren und die Flucht ergreifen wollten, löste sie ihren Schleier, machte eine Flagge daraus und rannte mit einem Schlachtruf auf den Feind zu. Die Soldaten kehrten daraufhin um und siegten.
Beide Geschichten hatten und haben nationenbildende, aber auch emanzipatorische Funktion, und beide werden – gerade in jüngerer Zeit – von nationalistischen und religiös-fundamentalistischen Kräften instrumentalisiert. Ihre mythische und politische Aufladung bildet den Ausgangspunkt für das Theaterprojekt von Robert Schuster und Julie Paucker, in dem sich Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher kultureller und religiöser Hintergründe begegnen und miteinander ins Spiel kommen. Entstanden ist ein intelligenter, eindrucksvoller Theaterabend, der ausgehend von Schillers Drama, in Verbindung mit der französischen Legende und der Geschichte der afghanischen Kriegsheldin, den trinationalen Stoff in vier Sprachen verhandelt.
Das Projekt setzt dort an, wo die Produktion «Kula – Nach Europa» im Jahr 2016 zwangsläufig innehalten musste. Teil der damaligen Inszenierung, mit der das Theater Chur die Saison 2016/17 eröffnete, sollte die in Kabul agierende Theatergruppe «Azdar» sein, die seit der politisch brisanten Inszenierung «Heartbeat – The Silence after the Explosion» von den Taliban bedroht wird. Trotz monatelanger Bemühungen gelang es nicht, die Visa für die afghanischen Schauspieler zu erhalten. Durch beharrliche Bemühungen aller Beteiligten konnten die afghanischen Künstler dieses Jahr nach Deutschland einreisen und sind nun Teil des Ensembles von «Malalai».
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(Bilder: Annette Hausschild / zVg.)