Am 9. November, dem nationalen Zukunftstag, findet in Graubünden zum dritten Mal ein Bündner Mädchenparlament statt. Genau 101 engagierte und junge Frauen zwischen 13 und 15 Jahren reisen aus zahlreichen Talschaften nach Chur ins Grossratsgebäude. Einige von ihnen reisen sogar aus den italienischen Tälern, den Valli, an. Und das zeigt auch eine Besonderheit unseres Kantons und unserer Politik auf: Im Grossen Rat sitzen Politikerinnen und Politiker aus 39 Wahlkreisen und allen drei Kantonssprachen. Deutsch, Italienisch und Romanisch sind die offiziellen Sprachen während der Grossrats-Sessionen.
Das ursprüngliche Vorbild für das Bündner Mädchenparlament war das „parlement des filles“ aus dem Kanton Waadt. Im Rahmen des Nationalen Zukunftstags organisiert die Bündner Stabsstelle für Chancengleichheit von Frau und Mann bereits zum dritten Mal das Mädchenparlament. Mit dem Mädchenparlament wird den jungen Frauen aufgezeigt, dass Politik ein wichtiger Bestandteil in unserer Gesellschaft ist. Damit erhoffen sich die Organisatoren die grosse Lücke, nämlich die Untervertretung von Frauen im Grossen Rat, längerfristig schliessen zu können. Die aktuellen Zahlen sprechen für sich: in der vergangenen Grossratslegislatur von 2010 – 2014 waren 26 von 120 Mitgliedern, also 22%, Frauen. In der aktuellen Legislatur, welche noch bis August 2018 dauert, sind es nur noch 23 Frauen, also 19.6%. Aus diesem Grund ist es so wichtig, die jungen Frauen schon früh für die Politik zu begeistern. Denn nur eine ausgewogene Vertretung zwischen Grossrätinnen und Grossräten entspricht der heutigen Gesellschaft. Die jüngste Grossrätin ist heute 42 Jahre alt. Der jüngste Grossrat 26. Würden die jungen Frauen vom Mädchenparlament in die Politik einsteigen wollen, müssten sie sich – gemäss heutigem Abbild – rund 27 Jahre gedulden. Doch auch Vertretungen über mehrere Generationen und über zahlreiche Berufsgruppen hinweg sind wichtig. Auch da kann die Politik noch besser werden.
Aber welches sind denn überhaupt die Gründe für die tiefe Anzahl der Frauen im Grossen Rat? Es beginnt bereits auf kommunaler Ebene: dort wird oft ehrenamtlich politisiert. Wenn eine Frau berufstätig ist und ihre Familie organisiert und betreut, fehlt oft die Zeit und die Energie, noch ein politisches Amt auszuüben. Damit sind bereits auf lokaler Ebene die Frauen untervertreten. Hinzu kommt, dass sich viele Frauen gar nicht erst trauen, an die Öffentlichkeit zu treten. Oft fehlt das Selbstbewusstsein, dass junge Frauen von sich aus Interesse an einem politischen Amt zeigen. Viele Frauen trauen sich erst nach mehrmaligem Ansprechen und Ermutigen, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen. Wichtig ist, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Sache eben auch Freude macht und dass Politik auch Frauen betrifft. Klar braucht es auch Durchsetzungsvermögen und etwas sportlichen Kampfgeist, aber das kann alles auch Befriedigung geben. Es gibt in Graubünden schon einige, aber noch zu wenige, Beispiele von Frauen mit Vorbildfunktion. Die Gemeindepräsidentin aus dem Bergell, Anna Giacometti, die diesen Herbst während der Bergsturzkrise in Bondo alle Hilfsaktionen leitete und sich Tag und Nacht einsetzte ist sicher solch ein weibliches Vorbild. Aber ganz klar, es sind noch viel zu wenig Frauen. Und so wundert es nicht, dass halt neben der Wirtschaft auch die Politik und die Parteien in unserem Land männlich dominiert sind.
Das kann sich jedoch ändern. Heute zumindest sitzen 100 interessierte Mädchen im Grossratsaal und schnuppern politische Luft. Es bleibt zu hoffen, dass diese jungen Frauen für die Politik zu begeistern sind und die Gesellschaft in Bälde besser durch das eigene Abbild vertreten ist.
Das Politforum auf GRHeute besteht aus 12 PolitikerInnen aus Graubünden. Jede Woche nimmt eine/r zu einem aktuellen Thema Stellung.
(Bild: GRHeute)