Die letzten Wochen genossen WIR einige herrliche Herbsttage in den Bergen. Und mit WIR meine ich nicht nur die privilegierten Einheimischen in den Bergregionen, mit uns waren Tausende am Berg und haben die farbenprächtige Bergwelt genossen, fotografiert und gepostet. Der Herbst hat sich in den letzten Jahren zu einer sehr wichtigen Saisonzeit heraufgearbeitet, welche den Leistungsträgern in den Ferienregionen zusätzliche, wichtige Wertschöpfung bringt und mittlerweile wichtiger als die Frühlingszeit ist. Und eine Verlängerung der Herbstaktivitäten bis in den November wird von Hotels, Bergbahnen und Leistungsträgern erwünscht und gelebt.
Parallel dazu sitze ich am Samstag – Sonne geniessend – auf meinem Gartensitzplatz in Lenzerheide und höre am Radio, dass die Ski Weltcup Saison in Sölden eröffnet wird. Gleichzeitig eröffnen in Davos und Lenzerheide die ersten Langlaufloipen – mit „Farming-“ oder auch technischem Schnee. Und wie ich den vielen Facebook-Posts entnehmen kann, haben sich Hunderte (Langlauf) bzw. Tausende (Sölden) auf den Weg in den Schnee gemacht. Und dies Ende Oktober, auf 1‘500 M.ü.M., mitten im wichtigen Herbstgeschäft, startet leise und sanft das Winterbusiness.
https://www.facebook.com/biathlonarenalenzerheide/
Als Geschäftsführer einer winterlastigen Tourismusdestination, welche auch für das Bergbahnmarketing verantwortlich ist, diskutieren wir bereits im Hochsommer, welche Marketingmassnahmen im kommenden Winter mehr Gäste in die Destination bringen soll. Der Fokus der letzten Jahre lag stark in der Erhöhung der Frequenzen in den Nebensaisonzeiten, also Januar und März, und vor allem in der Saisonverlängerung bis Ostern. Man (also wir und andere Destinationen) schrauben am Preisgefüge bis es schmerzt, wir organisieren Events und Partys, wir versuchen Mehrwert zu bieten um ein absolut geniales Erlebnis – nämlich Frühlingsskifahren – wieder populär zu machen. Frühlingsskifahren ist etwas vom Schönsten was es gibt, bereits bei der ersten Kurve scheint die Sonne (wenn sie scheint), man friert nicht, sondern geniesst wenige Schichten Winterkleidung, die Pisten sind bereits griffig und „carvig“, und ab Mittag geniesst man den Après-Ski, die natürliche Bräunung oder man chillt! Dieses Erlebnis müsste man eigentlich nicht „beschreiben“ oder bewerben, denn es entspricht unserem Naturell.
Stattdessen fehlen uns im März und April die skifahrenden Gäste. Sie geniessen im Unterland die ersten Frühlings-Sonnenstrahlen, nehmen die ersten Kilometer auf Bike oder Rennvelo unter die Füsse, die neuen Laufschuhe müssen eingelaufen werden und das Schneesportmaterial wird eingelagert. Der Winter endet für viele dann, wenn er eigentlich beginnt, nämlich nach den Sportferien.
Parallel dazu führen wir momentan grosse Diskussionen über Nachhaltigkeit. Wir hinterfragen unser Tun und suchen nach Möglichkeiten, nachhaltigeren Tourismus zu betreiben. Wir optimieren die Stromversorgung, wir produzieren Strom aus Sonnenenergie oder Wasserkraft, wir reduzieren Printprodukte und fahren elektrische Autos oder noch besser – wir kaufen die Kompensation ein. Und wir zeichnen unsere Bestrebungen mit Gütesiegeln und Zertifikaten aus, um unserem Gast zu suggerieren, dass nachhaltige Ferien bessere Ferien sind. Und gleichzeitig verändern wir seit Jahren das Gästeverhalten bzw. die Jahreszeiten mit unseren Bestrebungen, früher in den Schnee zu kommen. Eigentlich schizophren, das Verhalten unserer Generation.
Gut, Sie können jetzt sagen, der Herr Tourismusdirektor Lenzerheide versuche „Weltverbesserung“ oder „trinke Wein und predige Wasser“. Ja, hat was 🙂 Ich denke das ist eine der Schwierigkeiten, welcher die heutigen Tourismusmacher ausgesetzt sind. Einerseits müssen wir auf Biegen und Brechen Wertschöpfung in unsere Täler bringen, dorthin wo Tourismus – vor allem Wintertourismus – momentan die fast einzige Chance für Entwicklung bringt, anderseits sollten wir Nachhaltig sein und nicht an unserem eigenen Ast – der Erhaltung der Naturschönheiten – sägen. Ein schwieriges Unterfangen, welches neben der Hauptdisziplin noch viele kleine Nebendisziplinen beinhaltet.
Können wir das Verhalten der schneesportbegeisterten Menschen in diesem Land wieder verändern, wie wir es vor Jahren mit „je früher desto besser“ gemacht haben? Können wir das Thema Nachhaltigkeit in unsere Produkte und unsere Entwicklung so einbinden, dass es glaubhaft ist und auch von unseren Kunden aufgenommen und gelebt wird? Wo ist die Grauzone, die wir „leben“ dürfen und müssen? Diese wichtigen Fragen für eine nachhaltige Tourismusentwicklung kann ich – zum Glück – nicht alleine beantworten. Aber die Touristiker im Alpenraum müssen diese Fragen diskutieren und Sie müssen gemeinsam einen Weg finden, miteinander und nicht konkurrenzierend gegeneinander zu agieren. So finden sich die Schneesportler in den Wintermonaten und die Sommersportler im Sommer wieder, in einer hoffentlich nachhaltigen Welt.
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(Bilder: Lenzerheide, GRHeute)