Gott ist nicht auch noch davon überzeugt ein guter Jäger zu sein. Derselbe Witz lässt sich ebenso auf Zlatan Ibrahimovic oder auf Bergführer anwenden. Im Zusammenhang mit letzteren darf ich ihn sogar selber erzählen, da ich Bergführer bin. Und Fussball spielen kann ich auch wie kein anderer… Sie sehen: zwischen dem, wie man sich selbst wahrnimmt und wie man von aussen wahrgenommen wird, liegen oft Welten. Dies gilt auch für Jägerinnen & Jäger, Fussballer, Tierschützerinnen & Tierschützer, Politikerinnen & Politiker, Bergführerinnen & Bergführer, mich selbst (Aufzählung bei weitem nicht abschliessend).
Wir werden täglich mit viel Information zu allem möglichen ‚gehügelt’. Zu selten nehmen wir uns Zeit, tiefer zu recherchieren. Leicht aufnehmbare, nicht differenzierte und mit einem Bild kombinierte Einzeiler sind bequem zu registrieren. Als ob das nicht genug wäre, verbreiten wir unsere Meinungen oft schriftlich über ein zwischengeschaltetes Gerät. Dadurch fällt die physische Anwesenheit der anderen Diskutierenden weg. Dies führt zu mehr Missverständnissen und sinkendem Respekt. Kombiniert mit der oben beschriebenen mangelnden Selbstreflexion, verändern sich der Meinungsbildungsprozess, die Diskussionskultur und damit das Finden von guten Lösungen stark.
Beispiel Jagd: ‚Ziel und Aufgabe der Jagd bestehen darin, gesunde, den örtlichen Verhältnissen angepasste und natürlich strukturierte Wildbestände zu erhalten.‘ (zu lesen in der Einleitung der Jagdbetriebsvorschriften 2017). Die Ausarbeitung dieses Reglements wird wildbiologisch, empirisch und statistisch begleitet und soll dazu führen, die Zielsetzung zu erreichen. Gemäss meinen Vorstellungen von ‚gesundem Menschenverstand’ passt das so und nüchtern betrachtet, funktioniert die Bündner Jagd nicht fehlerfrei aber grundsätzlich gut. In der Bedeutung des Worts ‚grundsätzlich’ liegt ein Hase im Pfeffer: Die Jägerschaft und die ‚Tierschützerschaft’ bestehen aus einzelnen Menschen. Jede individuelle Gefühlswelt, die durch unzählige Einzelerlebnisse und Erfahrungen entstanden ist, bildet Haltungen, die von offen/diskussionsbereit bis intolerant/militant reichen. Die Art wie das Schweizer Fernsehen zu den Themen Fehlabschüsse und Nachsuche berichtet hat, füttert wenig differenzierte Klischees und folgt somit dem Zeitgeist der Informationskultur.
Die Bündner Jagd wird bald öffentlich emotional diskutiert. Auch in dieser Diskussion werden die Meinungen nach den beschriebenen Mustern gemacht. Herauskommen wird ein Resultat, das entweder Ja oder Nein lautet. Ob und wie das Resultat mit den Zielen und Aufgaben der Jagd zu vereinen ist und wie weit es dem ‚gesunden Menschenverstand’ entspricht, werden wir erst am Abend des Abstimmungssonntags wissen.
Das Politforum auf GRHeute besteht aus 12 PolitikerInnen aus Graubünden. Jede Woche nimmt eine/r zu einem aktuellen Thema Stellung.
(Bild: GRHeute)