Der Erfindung der Schellackplatte war zugleich die Geburtsstunde eines ganzen Industriezweiges. Der Musikindustrie. Neben den Schallplattenfirmen, Musikverlagen erhielten auch die Künstler eine zusätzliche lukrative Einnahmequelle. Die Schellackplatte wurde durch die Vinylplatte abgelöst. Mitte der 60er Jahre erweiterte die Musikkassette die Auswertungspalette und das Revenuemodell der stetig nach grösseren Umsetzenden gierenden Musikindustrie. Bevor die Compact Disc zum neuen Massenmedium wurde, war diese anfänglich nur für einen kleinen Kreis von wohlhabenden Ludwig van Beethoven Fans erschwinglich. Doch dann verpasste die Industrie – aus naiver Überheblichkeit – den wohl wichtigsten Paradigmawechsel. Die Digitalisierung. Anstelle sich mit den neuen Entwicklungen eingehend auseinander zu setzen, den Mut für Visionen zu haben, wurde mit grösst möglichem juristischen Aufwand gegen die Entwicklung angekämpft. Doch während dem beharrlichen Verteidigen alter Strukturen verlor die Musikindustrie ihre Haupteinnahmequelle, den Vertrieb von Tonträgererzeugnissen. Denn dieser fiel unbemerkt in die Hände dieser neuen digitalen Welt. Denn im binären Zahlensystem gedacht ist der iPod nichts anderes als die Weiterentwicklung der Compact Disk. Der Makel, visionär die Entwicklung des iPod nicht selbst initiiert zu haben, führt seit Jahren zum schrittweisen Untergang einer ehemals selbstherrlichen weltweit agierenden Industrie.
Aktuell stehen wir wieder vor einer digitalen Revolution. Dieses Mal betrifft es die audiovisuelle Kommunikation. Die digitale Welt von heute wird in zehn Jahren nicht mehr dieselbe sein. Bisherige starre digitale Strukturen werden durch dynamische von künstlicher Intelligenz gesteuerte Systeme ersetzt. Es werden neue Plattformen entstehen, die neue Devices hervorbringen werden. Inhalte werden neu definiert und über neue Vektoren konsumiert. Es werden Unternehmen entstehen, die nicht nur die globalen Finanzströme, sondern die digitale Welt unter sich neu aufteilen werden. So steht heute die Tourismusbranche an der Schwelle, wo Ende der 90er Jahre die Musikindustrie stand. Dass derzeit die grossen Player, wie z.B. Google, Alibaba, J.P. Morgan und Microsoft, mit Milliarden die Themen Augmented Reality, Blockchain und FinTech vorantreiben, ist bisher in der Tourismusbranche nur bei Experten angekommen. J.P. Morgan behauptet sich als grösster Player in dynamischen und intelligenten Blockchain-Systemen und revolutioniert somit den Kundenservice. Microsoft baut digitale Plattformen, über die mit Augmented Reality die
Entertainment und Marketingindustrie revolutioniert werden. Und Amazon kauf weltweit Smartglasses Innovationen zusammen und stellt damit alle bisherigen Wireless Devices in Frage. Charlie Morris, ehemaliger Chef Stratege von HBSC und Ikone der Bankenwelt, rät letzte Woche in London: „Bitte macht Fehler. Und zwar jetzt und sofort. Denn entsprechend progressiver steigt die Erfolgskurve“. Heisst, wer jetzt Fehler macht, wird dank seiner Lernkurve an der Zukunft partizipieren, oder wie Gorbatschow sagte: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“. Die Gefahr, dass Entscheidungsträger in alten Modellen verhaftet oder noch durch Fehlentscheidungen aus alten Tagen blockiert sind, scheint in der Schweiz auch heute noch gegeben. Trotz offensichtlicher und nachhaltig wirkenden Erfahrungswerten aus der Musikindustrie. Nur eine vorurteilsfreie und pro-aktive Auseinandersetzung, gepaart mit der Erlaubnis Fehler machen zu dürfen, ermöglichen dem Tourismus, den Gast mit all seinen dynamischen kommunikativen Bedürfnissen wahrzunehmen. Wer die digitalen Modelle von morgen versteht, wird die digitalen Welt von übermorgen mitgestalten. So werden nur die Tourismusorganisationen, die ohne Angst, mit Neugier, und einer gesunden Fehlerkultur aktiv an die Gestaltung neuer digitaler Welten herangehen, die Gäste von morgen begrüssen – und für übermorgen für sich gewinnen. Mal schauen wer den Mut zum nächsten Fehler hat…
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