Vor rund elf Jahren wurde die Initiative „Grosser Rat: 80 sind genug“ an der Urne knapp abgelehnt. Wie die Standeskanzlei gestern informierte, wurde nun ein Fraktionsauftrag der SP Graubünden zur Verkleinerung des Grossen Rats von der Bündner Regierung verworfen. Unter anderem auch wegen der erneuten Forderung nach einem Wechsel vom heutigen Majorz- zum Proporzwahlsystem.
Die SP strebt erneut eine Verkleinerung des Grossen Rats an. Mit einem Fraktionsauftrag an die Bündner Regierung will sie deshalb einen neuen Artikel in der Verfassung. Dieser fordert eine Verkleinerung des Grossen Rats von 120 auf 90 Mitglieder.
Seit der Abstimmung vor elf Jahren habe sich der Kanton institutionell massgeblich verändert, schreibt die SP: «Die Anzahl Gemeinden im Kanton halbierte sich nahezu. 2006 existierten noch 207 Gemeinden. Aktuell sind es deren 112.» Dazu seien mit der Volksabstimmung zur Gebietsreform 2014 die Bezirke, Regionalverbände und Kreise abgeschafft und 2016 durch elf Regionen ersetzt worden. Parlamente in verschiedenen anderen Kantonen seien schon vor Jahren verkleinert (z.B. Bern, Aargau, St. Gallen, Schaffhausen, Solothurn, Basel-Stadt, Glarus, Fribourg, Luzern, Waadt) worden. Die Bündner Regierung wollte in ihrer Antwort nichts von diesen Argumenten wissen. «Die heutige Parlamentsgrösse erscheint auch im interkantonalen Vergleich angemessen. Der Kanton bewegt sich im Vergleich mit bevölkerungsmässig ähnlich grossen, aber strukturell weniger komplexen Kantonen nach wie vor im Mittelfeld», gibt sie zur Antwort. Die massgeblichen Umstände wie die geografische Ausdehnung, die kulturelle und sprachliche Vielfalt, die Aufteilung in Stadt- und Landgebiete und die wirtschaftlichen und bevölkerungsstrukturmässigen regionalen Unterschiede seien im Wesentlichen gleich geblieben.
In Absatz 3 des Artikels 27 fordert die SP in derselben angestrebten Verfassungsänderung: «Das Wahlverfahren garantiert, dass die Stimmen aller Wählerinnen und Wähler möglichst gleich zur Zusammensetzung des Grossen Rates beitragen.» Für die Bündner Regierung eine «offensichtliche Forderung nach einem Wechsel vom heutigen Mehrheitswahlverfahren (Majorz) zum Verhältniswahlverfahren (Proporz).» Das Volk habe dies bereits sieben Mal abgelehnt, letztmals am 3. März 2013 bei der Abstimmung über die Volksinitiative «Für gerechte Wahlen» mit einem Nein-Stimmen-Anteil von 56,10 Prozent.
Da auch der Zeitplan zu sportlich sei – nach den Plänen der SP soll der neue Artikel an den Grossratswahlen 2022 zur Anwendung kommen – empfiehlt die Bündner Regierung, den Fraktionsauftrag abzulehnen. Der Ball liegt nun beim Grossen Rat.
Art. 27 (neu) Zusammensetzung und Wahl:
1. Der Grosse Rat besteht aus 90 Mitgliedern.
2. Die Sitze werden entsprechend der schweizerischen Wohnbevölkerung auf die Wahlkreise verteilt.
3. Das Wahlverfahren garantiert, dass die Stimmen aller Wählerinnen und Wähler möglichst gleich zur Zusammensetzung des Grossen Rates beitragen.
4. Das Weitere regelt das Gesetz.
Übergangsbestimmungen zu Art. 27 KV (neu):
1. Die Grossratswahlen 2022 werden entsprechend Art. 27 KV (neu) durchgeführt.
(Bild: GRHeute Archiv)