Der Kanton Graubünden ist gesegnet mit vielen Openairs. Doch wie organisiert man eigentlich ein Openair/Festival? Vielfach wird unterschätzt, was alles hinter den Freiluftkonzerten/Events steckt. Wir haben mit allen Bündner Musikfestivals gesprochen und einen Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gewagt. Herzlich willkommen zu Backstage Festivalsommer.
Heute mit einem Festival, das erst später in diesem Jahr stattfindet.
Name des Openairs: Songbird Festival Davos
Datum: Freitag 8. – Samstag 23. Dezember 2017
Ausgabe Nr.: 10
Gründungsjahr: 2008
Anzahl Bands 2017: 70 (Im Hauptprogramm 20, im Nightcap 10, auf Open-Stages 30)
Programm 2017: Lovebugs, Pippo Polina, Marc Sway, Züri West, Shem Thomas, Ira May, Damian Linn u.v.m.
Webseite: www.songbirdfestival.ch
Fassungsvermögen Publikum: Diverse Locations, 100 – 1000 Personen
Organisationskomitee inklusive Funktionen: Michel Pernet, Gründer und Festivaldirektor, Jacqueline Haller, Geschäftsführerin
Interviewpartner: Michel Pernet
Wie entstand die Idee zu eurem Festival?
Mit der Grafik17, photo18 und architektur0.18 haben wir drei Werkschauen aufgebaut, die alle zu den grössten Plattformen in ihrer Disziplin gewachsen sind. Die photo17 zählte über 200 Aussteller und 25’000 Besucher. Unsere Idee war immer, jungen Talenten eine publikumswirksame Plattform zu sein, auf der sie sich präsentieren können. Das wollten wir auch für Schweizer Singer/Songwriter aufbauen. Heute sind wir das grösste Festival für Schweizer Singer/Songwriter – nach wie vor treten hier die Talente auf, die morgen Stars sind. Das Schöne ist, dass sie als Stars zurückkommen.
Welches war euer bisher bestes Jahr?
Das beste Festival ist immer das bevorstehende. Wir haben tatsächlich das Glück, dass das Festival nachhaltig gewachsen ist und von einem sehr treuen Stammpublikum getragen wird. Das erlaubt uns, das Festival stets weiter zu entwickeln. Heuer – zum 10 Jahre Jubiläum – können wir erstmals 30 Strassenmusiker nach Davos einladen und sie tagsüber auf 10 Bühnen spielen lassen. So kommen wir unserer Vision, dass man in den ersten drei Dezemberwochen in Davos überall auf Live-Musik von Schweizer Singer Songwritern trifft, näher.
Was sind die Highlights in diesem Jahr?
Es klingt unglaublich kitschig: Aber jedes Konzert ist für sich ein Highlight. Wir geben uns unglaublich Mühe, dass sich die Künstler wohl fühlen und dass sie auch die wunderbare Umgebung geniessen können und inspiriert werden. Diese positive Stimmung überträgt sich sehr oft auf die Künstler – und sie geben sie an das Publikum weiter, was zu einzigartigen Konzerten führt.
Wie viele Helfer sind vor Ort, wenn euer Festival steigt?
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Gab es irgendwann auch mal ein Jahr, als die Durchführung auf der Kippe stand?
Mein Geschäftspartner Peter Kurath und ich, wir sind Unternehmer. Wenn wir uns für etwas entscheiden, tragen wir dafür die Risiken. Und stehen für die Verpflichtungen ein. Unser grosses Glück war, dass wir von Anfang an mit Davos Tourismus und der Stadt Davos zwei sehr starke und loyale Partner hatten, die mit uns immer an den Erfolg des Festivals geglaubt haben. Im Unterschied zur klassischen Musik fehlen in der Popmusik noch Unternehmen, die sich mit einem Festival strategisch positionieren. Vielleicht müssen wir noch eine Managergeneration abwarten, damit sich das ändert. Auch bauen wir zum 10 Jahre Jubiläum einen Gönnerverein auf, der uns die Weiterentwicklung des Festivals ermöglicht. Ein Traum von mir sind exemplarisch eine Musik-Academy für junge Musiker, mit Workshops und Speeches von namhaften Leuten aus der Musikwelt. Sowie ein jährliches Treffen aller grossen Musikerveranstalter.
Wie viele Stunden sind die OK-Mitglieder mit der Organisation beschäftigt?
Wenn man etwas mit Freude macht, zählt man die Stunden nicht. Aber es sind viele.
Welche schweren Fehler kann man als Veranstalter in Graubünden begehen?
Ob Graubünden oder nicht: Man muss aus meiner Sicht die Künstler bewundern, die man veranstaltet.
Wie steht es um euer Sicherheitskonzept, nach den Terrorangriffen auf Konzerte?
Die meisten unserer Konzerte sind Sitzplatzkonzerte in kleinen atmosphärischen Lokalitäten.
Habt ihr beim OK hauptsächlich die gleichen Personen involviert oder wechselt das häufiger?
Wir organisieren das Festival sehr schlank, zu zweit. Und können so Kontinuität garantieren.
Niemand redet gerne über Geld, aber wer war der bisher teuerste Act an eurem Festival?
Wir zahlen dem Hauptact immer den gleichen Preis, egal ob Patent Ochsner, Pegasus, 77 Bombay Street oder Züri West. Da die Kapazität bei unserem Abschlusskonzert gegeben ist, muss das Kostendach dasselbe bleiben.
Was macht euer Festival aus?
Dadurch dass unsere Konzerte in ebenso kleinen wie atmosphärischen Locations stattfinden und wir uns bemühen, die Künstler nach Strich und Faden zu verwöhnen und sie alle auch bei uns übernachten, entstehen einzigartige, sehr intime Konzerte, wo man die Künstler näher, direkter, unmittelbarer erlebt als anderswo.
Warum gehen die Leute jährlich zu euch und nicht an andere ausserkantonale Openairs?
Ein Open Air ist ein soziales Ereignis. So gut die Inhalte sein müssen, so wichtig ist es auch, vertraute Gesichter zu treffen.
Welche Kosten werden zumeist unterschätzt von Organisatoren?
Viele machen keine Vollkostenrechnung und budgetieren ihre eigene Arbeitszeit nicht.
Wie rege ist der Kontakt unter den verschiedenen Veranstaltern?
Da ich noch Präsident des Verbandes Kreativwirtschaft Schweiz VKWS bin, der die Interessen von 500’000 Kreativschaffenden und 70’000 Unternehmen schweizweit vertritt, bin ich in regem Kontakt mit anderen Veranstaltern, aber auch mit Managern von Bands und Künstlern und Musikagenturen, die Künstler verbuchen.
Ist es ratsam in Graubünden ein weiteres Openair auf die Beine zu stellen oder sollte man besser die Finger davon lassen?
Veranstalter zu sein, ist eine Passion. Wer es macht aus Freude an der Musik, soll es machen. Aber einfach darauf achten, dass er klein beginnt und langsam wächst. Die Kosten im Griff zu haben ist der Schlüssel zu langfristigem Erfolg. Wenn man etwas aber mit Leidenschaft macht, wird man immer ein Umfeld kreieren können, dass das ästimiert.
Wie geht es weiter mit eurem Festival?
Ich musste dem Landammann Tarzisius Caviezel versprechen, dass wir mindestens noch 10 Jahre weitermachen. Was ich aber auch ohne dieses Versprechen machen würde. Wir können dieses Jahr 30 Strassenkünstler nach Davos einladen – mein primäres nächstes Ziel ist, Privatpersonen zu finden, welche diese Musiker eine Woche lang zu sich nach Hause einladen. Davos soll im Dezember das Mekka für gute Musik sein.