Graubünden, vor etwas mehr als 20 Jahren: Zwei unabhängige deutschsprachige Bündner Tageszeitungen, zwei romanische Blätter, diverse Wochenzeitungen aus verschiedenen Verlagen, einige Regionalsender, dazu ein übersichtliches nationales Medienangebot des Schweizer Fernsehens und Radios – und vor allem: kein Internet. Das waren die letzten blühenden Zeiten der klassischen Medienverlage. Auf dem freien Markt haben sich so manche eine goldene Nase verdient, auch in Graubünden.
In den letzten 20 Jahren hat sich die Schweizer Medienszene grundlegend verändert. Das ist ja nun nichts Neues. Was in der Schweiz seither aber passiert, ist bedenklich. Manche sprechen unverhohlen von einem Angriff auf die Meinungsfreiheit und die Demokratie. Viele Verleger und die SRF merkten, dass ihre Branche vom Internet und der Globalisierung zu einem grossen Teil hinweggefegt wird. Also taten sie sich zusammen und gingen – trotz ständigen internen Streitereien – ein Gentleman’s Agreement ein, die Medienlandschaft unter sich aufzuteilen und sich die Pfründe gegenseitig zu sichern. Und so sind wir im Heute gelandet: Die SRF betreibt mittlerweile 7 TV-Sender und 17 Radio-Stationen und verschlingt jedes Jahr die absurde Summe von 1,2 Millarden Franken. Jede Schweizerin, jeder Schweizer muss in unserem kleinen Land jährlich über 400 Franken für das staatliche (Über-)angebot bezahlen, ganz gleich, ob man ein Produkt davon konsumiert oder nicht. Firmen werden seit neuestem auch zur Kasse gebeten. Das Verursacherprinzip – dass man das bezahlt, was man auch konsumiert – gilt ausgerechnet bei der vierten Macht, den meinungsbildenden Medien, nicht.
Lange haben die privaten Verlage gegen Mediendiktatur gekämpft. Seit sie aber selbst Millionen-Krümel vom Milliarden-Billag-Kuchen abbekommen, haben sie opportunistisch das Lager gewechselt. Nicht nur das, sie sind auch aus Eigeninteresse zu Verteidigern des Systems mutiert. Mit Konzessionsgeldern für Lokal-Radio und -TV ruhig gestellt, haben sie bereits mit Trompeten und Fanfaren in die Angstmacher-Hymne der No-Billag-Gegner eingestimmt. «Bedrohliche Situation wird verkannt», «der Zusammenhalt in der Schweiz ist bei einer Annahme der Initiative gefährdet», war vor ein paar Wochen zu lesen. Anderslautende Stimmen kamen in den betroffenen Medien nicht zu Wort. Umso erstaunlicher, dass die Verantwortlichen der Staatsmedien betonen, die Unabhängigkeit der Medienlandschaft sei gefährdet, wenn die No-Billag-Initiative angenommen würde. Das Gegenteil ist der Fall: Die Mediensubventionierung hat auch viele «privaten» Anbieter in eine Abhängigkeit von SRF manövriert. Wirklich unabhängige Medien – wie GRHeute – stehen dadurch vor enormen Markteintrittshürden, weil sie die ungleichen Spiesse bei der Finanzierung nur mit Mäzenatentum oder Herzblut aufwiegen können. Eine vielfältige Medienlandschaft wird in diesem System verunmöglicht.
Vielleicht ist das auch wurst, weil die Realität ohnehin eine andere ist: Die jungen Leute von heute streamen Youtube und Netflix, bezahlen dafür 180.-/Jahr, und haben dafür Zugriff auf Tausende aktuelle Filme, Serien und Dokumentationen à discrétion. Und zahlen trotzdem jedes Jahr über 400.- aus dem eigenen Portemonnaie an die SRG. Geld, das jeder nach eigenem Gusto ausgeben könnte. SRF seinerseits hat das Internet entdeckt, und setzt nun den grossen privaten Anbietern von News-Portalen mit ihren Gebühren-finanzierten Inhalten zu – und fordert gleichzeitig Lockerungen bei den Werbe-Restriktionen. Bundesmedienministerin Doris Leuthard jongliert mit den verschiedenen Bedürfnissen der Grossen und versucht, alle irgendwie zufrieden zu stellen. Allerdings: Wenn es ihr ernst wäre mit der Medienvielfalt, dann müsste sie sich dafür einsetzen, dass die SRF zumindest alle Inhalte für die Einbettung auf anderen Schweizer Webseiten freigibt. Letztlich hat die Bevölkerung diese SRF-Beiträge ja bezahlt, also: Warum sollen diese nur auf den staatlichen Kanälen laufen? Natürlich wird das Staatsfernsehen sein Exklusivrecht auf diese bewegten Bilder verteidigen und nur Krümel gegen Bares an auserwählte Abnehmer abtreten – schliesslich sind diese Videos sein USP. Auch Pay-TV-Modelle für SRF werden lapidar mit «Nicht machbar» abgetan, was erstaunt, da diese ausserhalb der SRF-Welt nämlich nach den Regeln des Marktes funktionieren. Bezahl-Formate würden vielmehr aufzeigen, welche TV-Sendungen tatsächlich genügend Nachfrage wecken, um sich wenigstens zu einem Teil selbst zu finanzieren. Aber SRF will diese Transparenz gar nicht. Man will nicht auf seine willkürlichen Nischenprodukte verzichten. Das würde einen Machtverlust bedeuten.
Viele Print-Verlage, einst stolze Player in der Meinungsbildung, haben derweil aus wirtschaftlichen Gründen einen Teil ihrer Unabhängigkeit geopfert und fordern immer lauter nach öffentlichen Mitteln für Papier-Zeitungen. Die Quotidiana, deren «ANR-Redaktion» künftig vollumfänglich durch öffentliche Mittel finanziert werden soll, ist das neueste Beispiel. Die Somedia droht, das Blatt einzustellen, wenn nicht mehr Geld aus öffentlichen Mitteln fliesst. Das wäre dasselbe, wie wenn sich der Staat vor 20 Jahren dazu entschlossen hätte, Schreibmaschinenhersteller finanziell zu subventionieren. Kurz gesagt: ein Fass ohne Boden und ohne Zukunft. Bleibt abzuwarten, wie lange der Kanton bei der Zusatzfinanzierung der romanischen Tageszeitung hart bleibt. Ansonsten stehen die Chancen immer noch gut, dass der Bund in folkloristischer Anwandlung die (Teil-)Verstaatlichung der Schweizer Medien fortsetzt.
Und so bleibt als Fazit des Schweizer Online-Zeitalters eigentlich nur die Erkenntnis, dass viele traditionelle Medien ihren Grundauftrag aus politischen und wirtschaftlichen Gründen panikartig verdrängt haben. Und so wird auch jede sachliche Diskussion über die No-Billag-Initiative verunmöglicht. Denn das Anliegen greift den Kern des Systems frontal an. Die Medien haben bereits begonnen, mit harten Bandagen zurückzukämpfen. Money talks. Die Wählerinnen und Wähler sollten sich aber bewusst sein, dass es dabei nicht in erster Linie um Medien-, sondern um private Wirtschaftsunternehmen geht.
(Symbolbild: Pixabay)