Eine halbe Ewigkeit ist es gegangen und doch erscheint sie noch: Die neue CD von May Day. Seit dem letzten Album Morgarot. Satte neun Jahre haben sich die Zizerser seit dem Zeit gelassen. Was bei mir gefühlte vier Bandauflösungen sind, hat bei May Day ein neues Album ergeben. Wir von GRHeute haben es getestet.
Wer seit fast 40 Jahren als Band besteht, der erlebt diverse Umstrukturierungen, Niederlagen und Erfolge.
May Day ist eine Band, die es besonders bei den Sängern oftmals erwischt hat. Nach dem Debüt mit Edwin Zinsli am Gesang folgte die bisher erfolgreichste Phase mit André Renggli am Mikrophone. Doch dieser wollte sich beruflich weiterbilden, worauf man in den eigenen Reihen mit Martin Wittwer einen charismatischen Leitwolf fand. Doch auch er wollte irgendwann nicht mehr, und man holte sich Andri Padrun von Flapjack. Das einzige und letzte Album mit ihm war dann sperrig und für die May Day – Fans auch ein wenig zu hart. Dann schlug der Blitz in Zizers erneut ein und die Jungs fanden nach Padruns Ausscheiden glücklicherweise in Thomas Graf ein neues Goldkehlchen.
Für jede normale Bündner Band wäre das Ausscheiden des Sängers der Tod gewesen. Doch May Day stand immer wie eine Wand da. Es braucht viel Leidenschaft eine Band am Leben zu erhalten, doch Röbi Rohner und Edwin Zinsli haben da etwas geschafft, dass ihnen in Graubünden so schnell niemand nachmacht. Bands kommen und gehen, einzig die Erfinder des Bündner Mundartrocks bleiben bestehen oder auch stehen?
Wir haben in das neue Werk reingehört.
I heba ab
Der Start glückt wie beim Album Durchbruch ziemlich heftig. Ein kleines Riffmonster voller Sozialkritik und Drang nach vorne. Ja, die alte Boeing May Day hebt noch mal ab und legt alles in Schutt und Asche. Das dröhnt ganz schön heftig durch die Boxen. Ein gelungener Start.
Wirklich auch noch ein witziger Text, wenn man weiss, welches Auto Sänger Graf selbst fährt 😀
Rebell A.D.
Das ist ein wunderbares Geschichtchen eines Altrockers über jemanden, der seine Prinzipien über Bord geworfen hat. Man ist nie zu alt für Rock und Rebellion, May Day zeigen es hier ja vor. Echt, authentisch und mit einem Schuss Nostalgie. Schöne Uptempo- Nummer.
As goht miar guat
Es beginnt mit einem wundervollen Zusammenspiel zwischen Gitarren und Piano. Zuerst wird ein schlechter Tag in all seinen Facetten beschrieben, doch dann kommen die Medien und ihre Badnews ins Spiel, und auf einmal ist alles halb so wild. Recht haben sie eben schon. Wir leben in der Schweiz wirklich in einer privilegierten Gesellschaft. Ein Lied, dass zum Nachdenken anregt und trotz all den schlechten Ereignissen auf dieser Welt eine positive Hoffnung zurück lassen.
Mach is richtig
Endlich hat May Day in ihren Reihen wieder einen Sänger und Texter, der gute Hymnen schreiben kann. Das von Graf verfasste Elternthema ist bei mir zwar noch ein wenig weit weg, und trotzdem kann ich mich in diese Lage rein versetzen. Sehr gelungen, auch mal für später.
Calanda
May Day ist eine Bündner Marke wie der Berg und das Bier mit diesem Namen. Hier geht’s aber tatsächlich um den Berg. Eine solide Ode an Graubünden für alle Heimwehbündner und welche, die im Unterland im Nebel versinken und zu träumen beginnen. Bergweh, Heimatliebe, May Day pur! Yeah!
Wechseljohr Blues
Diese Nummer haben sie ursprünglich mit 20 aufgenommen. Jetzt, da sie wirklich mitten in den Wechseljahren sind, haben sie dem Lied einen neuen bluesigen Anstrich verpasst. Es groovt ganz cool.
New Orleans
Hier gibt sich May Day sehr verspielt mit Wild-West-Romantik und einem Blues-Riff-Monster, das ganz schön rein knallt. Eine Ode an die Musik, an die Schallplatte, den Blues und alles, was an der Musik im Allgemeinen fasziniert. Ein rechtes Brett, dass ich ihnen so nicht mehr zugetraut hätte.
Du bisch, was du bisch
Ich fühle mich bei diesem Lied in eine Bar versetzt. Sehr tanzbare Nummer, triolisch, balladesk, schwebend. Etwas in diesem Stil habe ich von ihnen noch nie gehört.
Do und jetzt
Ebenfalls eine schöne Ballade haben die Jungs hier gezimmert. Doch es ist kein lascher Schmalz, sondern ein grooviger Track, der sehr viel Mitsingcharakter mitbringt. Es spielt ihnen wahrscheinlich ein wenig in die Karten, dass meine Frau aktuell auf Reise im Ausland ist und diese Nummer bei mir exakt den Zeitgeist trifft. I will di gspühra…. <3
Nümma do
Diesen Song habe ich inzwischen sicherlich an die 20 Mal gehört und er läuft mir auch jetzt noch eiskalt den Rücken herunter. May Day hat eine Ballade über ihren Merchandiser Dani Cavelti geschrieben, der sich kurz nach dem letzten Album das Leben genommen hat. Da kommen mir Erinnerungen rauf, an diverse Menschen, die zu früh gegangen sind. Ganz grosses Kino, emotional und wuchtig. Beim ersten Mal habe ich einige Tränen verdrückt.
Miar wüssten’s jo
Endlich wieder mal eine Rocknummer mit einer versteckten Sozialkritik. So macht May Day Spass, denn genau für so Nummern haben viele ihre alten Scheiben gekauft. Der Mensch ist leider auch nach 40 Jahren zwar vernetzter, aber nicht unbedingt gescheiter geworden. Die Hintergrundvocals von Edwin sorgen immer noch für Gänsehaut und funktionieren mit Grafs Stimme sehr gut. Als ich dachte der Track wäre fertig, packte der Flitzefinger Ainga gleich noch ein fettes Solo obendrauf.
Furt
Einer meiner grossen Favoriten kommt ganz am Schluss. Furt beschreibt das Fernweh kreativ, witzig und vor allem mit ziemlich viel Druck nach vorne. Wow! Nicht so geeignet ist der Track für das Autoradio, denn er animiert mächtig auf die Tube zu drücken.
Schlussfazit:
Wer May Day bereits abgeschrieben hat, auf den warten harte Zeiten. Denn die Zizerser haben in ihren Homestudios ein grosses Werk produziert. Mit dieser Diskografie im Rücken müssten sie eigentlich niemandem mehr was beweisen und vielleicht genau darum, beweisen sie es allen so leichtfüssig. Die Scheibe hat Balladen, reissende Rocknummern, kluge Texte und nicht einen Füller. Bei den Alben zuvor hat es immer wieder mal einen Song gegeben, der aus dem Konzept gefallen ist. Nun zeigen May Day, wie es richtig geht und folgen einem roten Faden. Hin und wieder gibt’s einen Schuss Nostalgie, doch der gehört einfach dazu.
Der wichtigste Punkt, was an dieser CD extrem heraussticht, ist nicht das solide Zusammenspiel oder der rote Faden, den May Day achtsam im Fokus behalten, sondern:
Der neue Sänger Thomas Graf. Zuletzt so gefühlvoll gesungen bei May Day hat Renggli und das ist doch auch schon eine Weile her. Hier haben sie endlich wieder einen Sänger, der den Legendenstatus der Jungs nicht beschmutzt, sondern in eine neue Ära führt. Grandios, sind sie wieder da.
May Day tauft VIII am 8. April 2017 im Palazzo Beat Club Chur. Tickets gibt’s im Vorverkauf.