Jan Koch: «Hat Graubünden die Chance, ein kleines Silicon Valley zu werden?»

Portrait_Jan KochDie Digitalisierung ist in aller Munde. Doch wo eigentlich beginnt die Digitalisierung? Leider wird gerade in der Politik unter der Digitalisierung oft das Bereitstellen von Bandbreitinfrastruktur oder das Verlegen von Glasfaserkabeln verstanden. Doch das greift eindeutig zu wenig. Digitalisierung ist grundsätzlich kein Kabel. Alle reden von Digitalisierung und davon, dass man jetzt handeln muss. Was aber genau steckt hinter den Begriffen wie Digitalisierung, digitale Transformation oder digitalem Wandel?

Eigentlich machen es wir alle seit vielen Jahren. Erst seit gut zwei Jahren geistert jedoch der Begriff der digitalen Revolution umher. Die Datennetze wurden schneller und die Zugänge günstiger. Smartphones sind heute schon nicht mehr weg zu denken. Drohnen sind längst keine Science-Fiction mehr. Selbstfahrende Autos werden getestet oder sind gar schon auf unseren Strassen unterwegs, Fitness-Apps sagen uns, wann wir uns mal wieder bewegen sollten. Kurz, die Welt um uns herum wird immer digitaler und dies längst nicht mehr so schön gemächlich und schleichend, wie es vor einigen Jahren vielleicht noch erschien. Und auch, wenn wir uns diesen Herausforderungen noch gar nicht gestellt haben, das Internet der Dinge oder auch die Blockchain Technologie bringt bereits die nächste Stufe der Evolution. Der Drucker, der seine Druckerpatronen selbst nachbestellt oder der Kühlschrank der das ausgehende Calanda bestellt, oder der Bohrer, der merkt, dass die Bohrköpfe nichts mehr nützen und sich selbständig um den Nachschub kümmert. All diese Dinge, die kommen, werden in den nächsten Jahren so ziemlich alles zum direkten Point of Sale machen, was mit dem Internet kommunizieren kann. Aber jeder muss sich selbst die Frage stellen, was hat das für Auswirkungen auf meine Branche, auf mein Leben und als Unternehmer auf mein Unternehmen? Auch wenn heute noch viele Betriebe und Dienstleister analog sehr effizient funktionieren, wird mit einer zunehmenden Digitalisierung der Effizienzdruck so weit steigen, dass Unternehmen, die sich mit dem digitalen Wandel beschäftigt haben und eine digitale Transformation durchlaufen haben, einen klaren Wettbewerbsvorteil haben werden. Dies gilt auch für die öffentliche Hand, welche diesem Wettbewerb genauso ausgesetzt ist, wie alle anderen.

Digitale Prozesse sind vielfach Prozesse, die in einer kleinen unscheinbaren Nische einer Branche beginnen. Beispiele, die helfen dies zu verstehen: Napster, Uber, Airbnb, Whatsapp, Booking, Tripadvisor und viele Weitere. Die Folgen: Neuer Wettbewerb aus ganz anderen Branchen oder Nischenanbieter erobern immer schneller angestammte Geschäftsfelder. Kodak und Nokia sind hier wohl die bekanntesten Negativbeispiele.

Die Digitalisierung ist für uns eine Chance und muss auch als solche verstanden werden. Es geht nicht nur um Technologie, es geht im ersten Schritt darum, den Wandel in unseren Köpfen durchzuführen. Erfolgreiche und frühzeitige Digitalisierung braucht Raum. Raum, um Erfahrungen zu sammeln, Raum für Innovation aber auch Raum für Rückschläge und keine Sorge, digitale Transformation muss nicht auf einen Schlag in allen Bereichen umgesetzt werden. Es ist aber wichtig, dass wir hier und heute mit den Schlüsselbereichen beginnen können.

Was wir aber auch brauchen, sind flexible Rahmenbedingungen, denn die Digitalisierung ist weder auf Graubünden, auf die Schweiz, noch auf Europa, sondern nur global zu betrachten und hier wird der Bund mit seiner Gesetzgebung noch extrem stark gefordert sein. Schon heute sind Daten Macht. Wer Daten hat und weiss, diese richtig zu benutzen, wird die digitale Transformation schaffen und erfolgreich, sehr erfolgreich agieren können.

Was aber braucht Graubünden, um digital erfolgreich sein zu können:

  • Konsequenter Abbau von bürokratischen Hürden für Startups und Innovationen
  • Konsequente Förderung der Digitalisierung
  • Schaffung eines Digital HUB Graubünden
  • Mehr Offenheit gegenüber neuen Technologien und Geschäftsmodellen auch wenn diese etablierten Geschäftsmodelle frontal angreifen
  • Digitale Bildungsoffensive auf sämtlichen Schulstufen
  • Flexible Arbeitskultur auch innerhalb der öffentlichen Verwaltung
  • Beschleunigung von Verwaltungsvorgängen durch konsequentes E-Government

Ich bin überzeugt davon, Graubünden hat noch die Chance sich innerhalb der Schweiz als kleines digitales Paradies zu entwickeln und wir können es schaffen. Wir müssen dazu aber konsequent und schnell an den dazu notwendigen Rahmenbedingungen arbeiten und uns bewusst sein, Digitalisierung bedeutet auch immer, los zu lassen. Dort loslassen, wo es manchmal kurzfristig auch weh tut.

Jan Koch, Vize-Präsident SVP Graubünden

 

Kommentar

«Wandel als Chance wahrnehmen»

Das Thema der Digitalisierung ist sicher ein brisantes Thema, welches nicht erst in zehn Jahren thematisiert werden sollte. Die Vorstellung, dass ich immer frisches Spezli im Kühlschrank habe, gibt dem Wort Digitalisierung auch noch ein Bild für die praktische Vorstellung und nimmt einem ein wenig die Angst vor der rasanten Entwicklung in diesen Bereichen. Dass sich darauf jede Branche vorbereiten sollte, liegt auf der Hand. Die aufgezählten Punkte deinerseits, sind sicher wichtige Aspekte. Es benötigt für erfolgreiche Start-Ups in diesem Bereich aber auch eine liberale Gesellschaft und offene Grenzen um die richtigen Fachkräfte zu finden. Die Digitalisierung wird auch zu einer Verdrängung von administrativen Arbeitsplätzen führen. Damit muss man sich auseinandersetzen und Lösungen für die Konsequenzen auf die Gesellschaft frühzeitig suchen. Damit wir genügend Personen für diesen Bereich „hungrig“ machen können, müssen die Berufe für diesen Bereich aktiv beworben werden und dies bereits in der Schule. Genau da wird aber bekanntlich gerne gespart… zudem ist interessant zu beobachten, dass im Rahmen der digitalen Transformation jeder Kanton ein weiteres Silicon Valley werden will, als ob die Schweiz nicht bereits genügend Gräben und Täler hätte. Zentral für die Wirkungsfelder der Digitalen Transformation sind doch die Entfernung zur nächsten Universität/Fachhochschule, die Form der Kapitalgesellschaft, die Markeneintragung, Patente, die Grösse des Gründungsteams und die räumliche Dichte von Geschäften mit digitalen Geschäftsmodellen (Müller et al., 2016) sowie die Nähe zu internationalen Flughafen. Daraus folgt aus meiner Sicht, dass sich die Kantone in erster Linie für folgendes einsetzen sollten:

  • Rechtssicherheit
  • Technologieneutralität
  • flexibler Arbeitsmarkt
  • hohe Verfügbarkeit/Attraktivität für Akademiker in diesem Bereich

Man muss den Wandel als Chance wahrnehmen und die ermöglichenden Faktoren ausbauen. Sprich für gute Erschliessung der Peripherie mit hohen Datenraten sorgen, die Grundversorgung der technischen Machbarkeit anpassen und sich für ein freies Internet einsetzen.

Weiter brauchen Start-Ups in einer frühen Phase mehr finanzielle Unterstützung: die Politik kann es beispielweise für Banken attraktiver machen diesen Start-Ups Kredite zur Verfügung zu stellen.

Im Allgemeinen braucht es mehr Mut und Vertrauen in die Innovationsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger. Ob es ein weiteres Silicon Valley benötigt, stelle ich jedoch in Frage:  In den USA, mit einer vielfach grösseren Fläche als der Schweiz, existiert eines davon.

Salome Mathys, Vorstandsmitglied glp GR

 

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Das Politforum auf GRHeute besteht aus 12 PolitikerInnen aus Graubünden. Jeden Donnerstag nimmt eine/r zu einem aktuellen Thema Stellung, die anderen Mitglieder des Politforums können diesen Beitrag ihrerseits kommentieren.

 

(Bild: GRHeute)