Er ist selbsternannter Wasserbotschafter, hat mit verschiedenen Schwimm-Expeditionen weit über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen gesorgt und ist unter anderem auch als Kolumnist im Tourismus-Forum von GRHeute dabei. Gestern stellte der in Davos wohnhafte Engadiner Ernst Bromeis in Zürich sein drittes Buch vor: «Jeder Tropfen zählt – Schwimmen für das Recht auf Wasser». Wir haben den umtriebigen Wasserbotschafter interviewt.
Ernst Bromeis, warum ein Buch?
Irgendwie war ich mir das selber schuldig. Obwohl das nach Schuld tönt. Aber das blaue Wunder gibt es nun schon seit neun Jahren, ich habe unzählige Vorträge gehalten und Expeditionen durchgeführt und hatte immer irgendwie das Gefühl, es sei schwierig, meine Botschaft nachhaltig auf den Punkt zu bringen. Ich wurde auch immer wieder angefragt, ob es eine schriftliche Form meiner Reden gebe. Insofern – und das tönt jetzt etwas nach Pathos – ist das Buch ein Credo, ein Bekenntnis von mir, einen ‚Pflock’ einzuschlagen. Ein Buch hat immer noch eine gewisse Wertigkeit und, so wie ich zumindest hoffe, auch Langlebigkeit.
Sie sind schweizweit als Wasserbotschafter bekannt. Was ist das überhaupt?
Das ist eine Funktion, die ich mir selbst gegeben habe. Das ist kein geschützter Name, sondern ein Lebensmodell, mein Lebensmodell. Im Grunde kann man sich ja nennen, wie man will. Ich möchte damit der Gesellschaft gegenüber ausdrücken, wofür ich mich einsetze.
Das wäre?
Das Wort Wasserbotschafter bringt es auf den Punkt. Es geht um die Sensibilisierung, wie sehr die ganze Welt am Wassertropf hängt. Wir sind alle vollkommen abhängig davon. Beim «blauen Wunder» geht es nicht um Bilder von schönen Seen, das bedeutet etwas ganz anderes. Deshalb möchte ich sicher auch zur Aktion aufrufen.
Zu welcher?
Die Wasserabhängigkeit beeinflusst uns jeden Tag. Und nicht nur uns, sondern den ganzen Lebenskreislauf, die Wirtschaft, die Energie. Nehmen wir Graubünden: Die gesamte Winterindustrie baut auf Wasser auf. Früher auf Schnee, heute – wenn er denn nicht kommt – auf Kunstschnee aus Speicherseen. Heute zittern die Touristiker jeden November, ob der Schnee kommt oder nicht. Dies entscheidet dann letztlich zu einem grossen Teil, ob Graubünden erfolgreich ist oder nicht.
Wir duschen, kochen, spülen – Wasser ist bei uns kein knappes Gut. Wie schwierig ist es bei uns, die Leute auf die Bedeutung des Wassers aufmerksam zu machen?
Ich glaube an den Menschen und an die Kraft der Worte. Was ich damit sagen will, ist, wir entscheiden, wen wir wählen und wie wir leben wollen. Wir wissen, wie man sich verhalten sollte, stellen aber oft Partikularinteressen über jene der Gemeinschaft. Das will ich auch gar nicht pauschal kritisieren, aber in einer globalisierten Welt müssen wir beginnen, global zu denken.
Wie meinen Sie das in Bezug auf Wasser?
Ganz einfach. Schauen wir unsere menschliche Zivilisation an: Sie ist da entstanden und gewachsen, wo es Wasser gab und gibt. Alle Errungenschaften der Menschheitsgeschichte haben sich da entwickelt, wo auch Wasser war. Selbst heute findet der Grossteil des Welthandels über Wasserwege statt. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass alle Menschen und alle Lebewesen schicksalshaft mit Wasser als gemeinsamem Faktor verbunden sind.
Die Globalisierung führt dazu, dass wir jederzeit wissen, wo es Trockenperioden gibt, wo die Leute verdursten etc. Was wir oft vergessen ist, dass diese Menschen durch die Globalisierung auch wissen, wie es bei uns aussieht. Dass man einen Wasserhahnen zu jeder Stunde des Tages an- und abdrehen kann. Wir dürfen nicht vergessen, dass ein Drittel der Weltbevölkerung ungenügenden Wasserzugang hat, sei es als Trinkwasser oder für die Hygiene. Sind unter diesem Gesichtspunkt beispielsweise Flüchtlingsströme verwunderlich? Es ist ein Hohn zu glauben, dies sei nicht unser Problem, weil wir in unserem Umfeld nicht über Wasser nachdenken müssen. Aber heute wird es zu unserem Problem, weil die ganze Welt vernetzt ist. Wir müssen umdenken und eine globale Verantwortung wahrnehmen.
Was bedeutet dies für Graubünden?
Graubünden mit der Abhängigkeit vom Wintertourismus und der Energiewirtschaft basiert fast zu 100 Prozent auf Wasser. Wir müssen uns fragen, ob wir auch in einigen Jahrzehnten noch so wirtschaften können, wie viel wir beispielsweise in den Wintertourismus investieren können, damit es sich noch rechnet. Wenn sich diese Grundlage verändert – wie wir jetzt durch den Klimawandel erleben – dann wird sich auch in Graubünden sehr viel verändern. Denn Wasser ist nicht nur Leben, Wasser nimmt auch Leben. Ich denke an Rüfen und Erosion und die Frage, was uns wie viel wert sein wird. Schliesslich sind es heute vor allem andere Kantone, die für unsere Sicherheit bezahlen. Das ist auch eine Abhängigkeit, die vielleicht nicht ewig funktioniert. Es geht nicht darum, dass wir in Graubünden irgendwann verdursten werden, sondern um die Frage: Können wir den heutigen Status bewahren? Ich bin der Meinung, dass dies nicht möglich sein wird.
Ihr drittes Buch «Jeder Tropfen zählt – Schwimmen für das Recht auf Wasser» ist gestern erschienen. Kämpfen Sie als Wasserbotschafter als «Don Quijote» gegen Windmühlen an?
Vielleicht ein bisschen. Vielleicht würde es helfen, wenn mich die UNO beispielsweise zum offiziellen Wasserbotschafter benennen würde, das gäbe vielleicht eine grössere mediale Aufmerksamkeit für das Thema. Aber darum geht es mir nicht. Mich hat das Thema Wasser vor zehn Jahren in all seinen Facetten gepackt – und es hat sich für mich als unerschöpflich erwiesen. Ich habe keine Ahnung, wie gut sich das Buch verkaufen wird. Für mich war und ist es wichtig, meiner Überzeugung zu folgen. Deshalb habe ich es geschrieben.
Ernst Bromeis, 1968 geboren, ist in Ardez im schweizerischen Unterengadin aufgewachsen. Er absolvierte das Lehrerseminar und unterrichtete an der Primarschule in Zuoz. Darauf folgten das Sportstudium an der Universität Basel und die Spezialisierung zum Trainer Spitzensport von Swiss Olympic. Nach der Spitzensportzeit war er als Sport- und Eventmanager der Destination Lenzerheide und als Redaktor bei SRG/Radio Rumantsch tätig. Ernst Bromeis gründete «Das blaue Wunder» und ist seit Ende 2007 hauptberuflich Wasserbotschafter und Expeditionsschwimmer. Parallel engagiert er sich in Schulen, Universitäten und in der Wirtschaft als Referent. Er war Mitinitiant der UNO-Weltwasserwochen in Scuol/CH und setzt sich für das Thema Wasser im Tourismus oder als Botschafter für das Wassersolidaritätsprojekt «Solidarit’eau Suisse» der DEZA ein. Ernst Bromeis ist auch regelmässiger Kolumnist im Tourismus.total-Forum von GRHeute.
Das Ziel von Ernst Bromeis ist es, die Menschen mit spektakulären Aktionen darauf aufmerksam zu machen, dass Wasser nicht unendlich vorhanden ist. Als Wasserbotschafter durchquerte er im Jahr 2008 unter anderem zweihundert Seen im Kanton Graubünden und schwamm 2014 rund 1200 Kilometer vom Lago di Dentro bis zur Mündung des Rheins in den Niederlanden.
In seinem Buch «Jeder Tropfen zählt – Schwimmen für das Recht auf Wasser» berichtet er, wie er zu seiner Vision fand und wie er es schafft, trotz Widerständen weiter zu kämpfen. Mit seinen Aktionen und dem Buch will er jedoch nicht nur für das Thema Wasser sensibilisieren, sondern jedem Einzelnen Mut machen, sich zu engagieren und sich für Mensch und Umwelt einzusetzen.
Ernst Bromeis | Jeder Tropfen zählt – Schwimmen für das Recht auf Wasser
192 S. | Broschur | sw-Bilder
ISBN 978-3-906304-06-9
CHF 18.00 | EUR 18.00
rüffer & rub Sachbuchverlag | Nov. 2016
(Bilder: zVg.)