Der HC Davos spult dieses Jahr erneut ein Mammut-Programm ab. Wo liegt für den Rekordmeister die Priorität?
50 Meisterschafts-Spiele, 21 Playoff Spiele, 14 CHL Spiele, 6 Spengler Cup Spiele, 5 Swiss Ice Hockey Cup Spiele – Davos spielt diese Saison potentiell an die 100 Spiele. Zum Vergleich: Die San Jose Sharks haben letztes Jahr in der NHL (und demzufolge weltweit) am meisten Spiele absolviert: 106 Spiele.
Beim Spengler Cup und in der Champions Hockey League trifft der HCD dabei unter Anderem auf die Top-Teams Europas. Das ist ein Ansporn für Trainer Del Curto, der im Interview mit der Davoser Zeitung sagt: „Der europäische Klubwettbewerb ist für uns wichtig. Wir wollen auch in der neuen Saison in der Champions Hockey League so weit als möglich kommen.“
Ähnliche Töne stimmte der Head Coach der Landwassertaler auch schon letztes Jahr an. Der Grund für seine Motivation für die CHL liegt darin, dass der Engadiner Herausforderungen liebt. „Die Partien auf hohem europäischen Niveau haben uns extrem viel gebracht. In elf der zwölf Spiele bewegten wir uns in allen Belangen auf Augenhöhe mit den hochkarätigen Gegnern – spielerisch, körperlich, offensiv und auch bezüglich Kreativität. Wir sahen, dass man gegen solche Gegner keine Sekunde schlafen und das Spiel fahren lassen darf. Fehler in der Defensive wurden gnadenlos ausgenützt, und für dumme Strafen wurden wir gleich doppelt bestraft, weil alle Mannschaften über einen Top-Powerplay-Block verfügen.“
Dass Davos Herausforderungen mag, ist mittlerweile bekannt. Auf jeden Fall wird es wieder eine Heavy Saison für die Bündner. Ob die Landwassertaler an die Grenzen stossen werden, hängt davon ab, wie sie die verschiedenen Ligen priorisieren, phyisch wie psychologisch.
Grundsätzlich ist klar, dass ein Spieler jedes Spiel als gleich wichtig erachtet, und immer vollen Einsatz gibt. Das ist nicht zu bestreiten – die Spieler sind Profis, und wollen gewinnen. Das macht auch Sinn – ein Angestellter sollte alle Arbeiten mehr oder weniger gleich gewissenhaft erledigen, unabhängig der Herausforderung.
Und auch Del Curto wies letzte Saison nach dem Out gegen einen Erstligisten im Swiss Ice Hockey Cup keine Ausreden gelten. Vehement verteidigte er (zurecht) seine Entscheidungen und sprach davon, dass Dübendorf eine gute Mannschaft ist.
Es ist aber auch klar, dass die Spieler einen unterschiedlichen Bezug zu den verschiedenen Ligen und Cups haben. Alle Spiele sind gleich wichtig, aber gewisse sind eben doch wichtiger. Das geht vom Kleinen (ein Shift) bis zum Grossen (eine Meisterschaft).
Ein Athlet, der ein solches Pensum abspult, muss seine Kräfte einteilen, sei die körperlich oder mental. Die Vergangenheit zeigt: Ein Team hat dann Erfolg, wenn es im richtigen Zeitpunkt (Bsp. Playoff-Beginn) peakt. Dafür muss die körperliche und mentale Verfassung stimmen. Die Realität ist demzufolge, dass ein Spieler nicht konstant in ‚bester’ Verfassung sein kann.
Wenn die Davoser also aus allen Titeln einen bestimmen könnten, den sie gewinnen, so wäre die Wahl nicht schwierig.
Spannender ist es zu sehen, wie der HCD die verschiedenen Herausforderungen angehen wird – sei dies mit dem Einsatz von Jungen, dem Schonen von Stars, der Verpflichtung von neuen Spielern oder auch der Möglichkeit, Linien, Taktiken oder Special Teams um zu stellen, um alle Challenges zu meistern.
Ein Blick auf die verschiedenen Titel, die der HCD dieses Jahr gewinnen kann.
4. Swiss Ice Hockey Cup
Der neue Swiss Ice Hockey Cup geht in die dritte Runde, und die Fans des EHC Wetzikon sind ganz aus dem Häuschen, dass sie den Schweizer Rekordmeister als ersten Gegner empfangen dürfen. Für Davos wiederum ist der Cup weiterhin nicht erwähnenswert. Irrelevant? Ja. Überflüssig? Ja. Wenigstens kann Del Curto den Cup nutzen, um jungen Spielern Eiszeit zu geben. Dass sich der Erfolgstrainer rechtfertigen muss, wenn er beim Cup seine Stars schont, ist einfach nur lächerlich. Eine Competition mit wenig Stellenwert und zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt braucht es in dieser Form nicht. Auch wenn sich Wetzikon nicht zu früh freuen sollte: Der Swiss Ice Hockey Cup ist wohl die Challenge, die der HCD am ehesten locker angehen wird.
Am 28. September beginnt der Swiss Ice Hockey Cup auswärts gegen den EHC Wetzikon.
3. Spengler Cup
Team Canada, Dinamo Minsk, Avtomobilist Yekaterinburg, das tschechische Mountfield HK sowie der HC Lugano laufen am Spengler Cup gegen den HCD auf – das ist eine echte Challenge. Kein Team fällt ab, und seit dem neuen Modus ist auch die Intensität und Härte am Altjahres-Turnier gestiegen. Vorbei sind die Zeiten, als sich Teams immer wieder etwas schenkten, oder aus Nostalgie-Gründen oder Demotivation das Turnier beeinflussten. Seit ein paar Jahren ist der Spengler Cup fast so hart geworden wie die Schweizer Liga (was zugegebenermassen nicht viel heisst). Die weltweite Entwicklung, die ein uniformes Hockey global mit sich bringt, hat zur Folge, dass eine Partie mit zwei russischen Teams nicht weniger physisch, aber auch nicht technisch besser sein muss als eine Paarung von Team Canada gegen Davos.
Gepaart mit dem wohl höchstem Tempo auf Schweizer Eis ergibt sich am Spengler Cup ein Mix, der für die Zuschauer sehr attraktiv ist. Dieser Mix ist aber auch sehr kräfteraubend für die Spieler und macht es dementsprechend schwer, das Traditionsturnier zu gewinnen.
Dazu kommt der Heimspiel-Aspekt: Der HCD möchte sein eigenes Turnier immer gewinnen, ganz egal, wer die Gegner sind. Der HCD steckt aber inmitten einer Durststrecke: Seit 2011 konnten die Davoser den Spengler Cup nicht mehr gewinnen. Klappt es dieses Jahr bei der 90. Austragung? Davos wird das Altjahres-Turnier auf jeden Fall ernst nehmen und alles daran setzen, den Titel zu gewinnen.
Der Spengler Cup beginnt am 26. Dezember 2016.
2. Champions Hockey League
Del Curto bekennt sich öffentlich zur Champions Hockey League. Der Trainer möchte mit seinem Team im europäischen Vergleich so weit wie möglich kommen. Das ist ein spürbares Commitment. Man könnte sagen, der HCD-Chef hat nach dem Halbfinal letzte Saison Blut geleckt. Vielleicht auch dank der geglückten Premiere ist man in Davos der CHL positiv gestimmt: Die Champions Hockey League ist enorm interessant, wenn man es weit schafft. Den Grund dafür liefert Del Curto selbst: Wenn man es weit schafft, kann man gegen die besten Teams spielen, und das bringt unser Team weiter.
Die Champions League ist zwar irgendwie instabil, und irgendwie nicht repräsentativ. Sie ist irgendwo im Limbo zwischen ‚kann man nicht ernst nehmen und ist nicht relevant’ und ‚das könnte Potential haben’. Man kann die CHL insofern nicht ernst nehmen, da kein europäischer Meister gekürt werden kann, wenn die beste europäische Liga (KHL) nicht vertreten ist. Und man kann sie nicht als relevant betiteln, solange die Landesmeisterschaften so viel mehr Gewicht und mehr Interesse haben. Die Idee, dass die CHL das Pendant zur UEFA Champions League wird, hat noch einen langen Weg vor sich. Es ist nicht unrealistisch, dass die CHL in naher Zukunft bereits komplett andere Formen annimmt oder eingestellt wird.
Aber auch wenn die Resonanz und der Fan-Aufmarsch zu wünschen übrig lassen, so bringt es das Schweizer Eishockey enorm viel weiter. Die Champions Hockey League ist zwar organisatorisch suspekt. Auf dem Eis ist das Produkt aber nicht zu unterschätzen. Es sind doch 48 Teams aus 13 Ligen, die um den Titel kämpfen. Darunter je acht schwedische und finnische Teams. Das ist durchaus interessant. Denn es ist das höchste Niveau, dass der HCD das ganze Jahr über antrifft. Es überrascht deshalb nicht, dass Del Curto da den Anschluss nicht verlieren will, und dieses Jahr vielleicht sogar eine erfolgreiche CHL-Saison einem Spengler-Cup-Erfolg vorziehen würde.
Der HCD steckt in der Vorrunde. Das erste Spiel gegen Rouen Dragons (FRA) wurde 4:1 gewonnen. Am Samstag, 14.00 Uhr kommt es zum zweiten Spiel gegen Djurgarden Stockholm (SWE).
1. National League A
Ohne Diskussion und mit grossem Abstand die wichtigste Competition. Alle anderen Ligen und Cups sind ja unterhaltsam und interessant. Gewisse Challenges machen viel Spass für die Zuschauer und den Sport, gewisse sind für die Entwicklung des Teams förderlich. Aber es geht jede Saison eigentlich nur um eine Sache. Und am Ende zählt nur ein Titel. Einfach gesagt: Ein Spieler würde wohl sofort zehn Swiss Ice Hockey Cup Titel gegen einen Meistertitel tauschen.
Der Saisonstart ist am Freitag, 9. September gegen Ambri-Piotta. Zeit für den HCD, die ungeraden Jahre wieder zurück zu erobern.
(Bilder: EQ Images)