Autor: Paul Ruschetti, lic. phil., ist Soziologe. Er arbeitet am Institut für Tourismus und Freizeit der HTW Chur als Dozent für Empirische Methodik und als Forschungsprojektleiter.
Der Begriff «Erlebnis» hat in den Diskussionen rund um den Tourismus in der letzten Zeit stark an Prominenz gewonnen. Hintergrund dazu sind einerseits zunehmend gesättigte Märkte mit ähnlichen Angeboten. Andererseits spielte gleichzeitig ein vermehrt erlebnisorientiertes Gästeinteresse eine zentrale Rolle. Den Gästen möglichst einzig- und neuartige Ferienerlebnisse als Kontrast zum gewohnten Alltag zu bieten, gilt heute denn auch als wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen touristischen Strategie. Dass hierbei ausgerechnet auch auf das im modernen Alltag oft dauerpräsente Smartphone gesetzt wird, erscheint zumindest auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein.
Die zunehmende Bedeutung internetfähiger Smartphones im normalen Alltag dokumentieren einerseits klar die entsprechend hohe Absatzzahlen. Andererseits sprich dafür die markante Zunahme des weltweiten mobilen Datenverkehrs. Gemäss dem Cisco Visual Networking Index wurden nämlich ab anfangs 2013 weltweit erstmals mehr Smartphones als normale Handys verkauft. Gemäss der gleichen Quelle wird heute jedoch bereits über 90% des globalen Mobildatenverkehrs über Smartphones generiert.
Auch persönliche Erfahrungen im Umgang mit dem digitalen Multifunktionsinstrument bestätigen zudem, wie sehr das Smartphone bereits einen festen Platz im heutigen Alltag einnimmt. Wir schreiben und empfangen damit Botschaften und Bilder über WhatsApps, verschicken E-Mails, schauen Filme, hören Musik, machen Spiele, Online-Recherchen, Reservationen und Bestellungen, suchen Informationen zu Öffnungszeiten, Produkten oder Veranstaltungen, benutzen es als Archiv, als Adress- und Notizbuch, als Fahrplan, Wecker und Uhr usw. usw. Und, ach ja, manchmal telefonieren wir auch damit.
Dass sich vor diesem Hintergrund der in entsprechenden Touristenbefragungen häufig genannten Feriengrund «Abschalten vom Alltag» wohl kaum im Wortsinn auch auf Smartphones bezieht, liegt aus der Hand. Auf zahlreiche nützliche Dienste, die uns diese bieten, wollen wir wohl gerade an einem fremden Ort kaum verzichten. Dem Smartphone kommt dort fast schon Rolle einer digitalen Reisagentur zu.
Ein populäres Beispiel für einen entsprechenden touristischen Onlinedienst via Smartphone ist etwa die Internet-Plattform TripAdvisor. Von ersten Ideen für die Feriengestaltung bis zu konkreten Buchungen kann hier nach eigenen Vorlieben und Kriterien (Bewertungen, Preis, Art der Reise etc.) jede Form von Urlaub bequem und zeitsparend geplant und konkretisiert werden.
Mit entsprechenden innovativen Online-Strategien präsentieren sich heute aber auch vermehrt Bündner Destinationen und touristische Anbieter im Markt. Bei der Produktegestaltung fliesst hierbei zunehmend auch die Sicht und Nutzungsdaten von Gästen ein. Erfasst und analysiert werden hierzu etwa bestimmte Interaktionspunkte zwischen Gast und dem Ferienort. Dabei werden Gäste etwa gebeten, entsprechende besondere Erlebnisse und Erfahrungen während ihres Aufenthalts zu dokumentieren und zu bewerten.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung befasst sich auch das Institut für Tourismus und Freizeit der HTW Chur mit ausgewählten Bereichen der touristischen Online-Thematik. Im Auftrag des kantonalen Amtes für Wirtschaft und Tourismus befragte es hierzu im letzten Jahr 1560 Bündner Gäste. Unter dem Strich ergab sich hierbei ein klarer grundlegender Befund: Online sein und Ferien wird von einer klaren Mehrheit nicht als Widerspruch empfunden – im Gegenteil.
Ebenfalls interessant ist eine weitere einheitliche Erkenntnis: Online-Affinität und entsprechende Erwartungen sind heute offenbar nicht mehr das Merkmale vorab von Jüngeren. Wie die nachstehen Graphiken (Abb. 1-3) klar dokumentieren, zeigen einzig die Meinungen der über 65-jährigen klar abweichende Muster von andern Altersgruppen auf.
(Quelle: Paul Ruschetti)