Ein Kommentar und eine Prognose zu den US-Wahlen 2016.
Donald Trump siegt weiter und die Medien sind sich mehrheitlich einig, dass ihm die Nomination nicht mehr zu nehmen ist. Wahrscheinlich liegen sie richtig. Es gibt allerdings auch Szenarien, die zu einen anderen Nominierten als Trump führen.
Für eine Nomination benötigt ein republikanischer Kandidat 1‘237 der insgesamt 2‘472 Delegiertenstimmen. Trump liegt derzeit mit 673 Stimmen klar vor Ted Cruz mit 411 und John Kasich mit 143 Delegiertenstimmen.
Die Delegiertenstimmen werden in den meisten Staaten proportional zu den Stimmenzahlen verteilt. In einigen Staaten werden die Delegiertenstimmen jedoch allesamt dem Gewinner der Vorwahl zugesprochen. Gehen wir davon aus, dass Trumps Siegeszug in den proportional wählenden Staaten, trotz zunehmendem Gegenwind, in gleichem Masse weitergeht. Er würde sich dann 40% der 416 noch offenen proportionalen Stimmen gutschreiben können. Geht man weiter davon aus, dass sich die Stimmen von Marco Rubio, der seine Kandidatur zurückgezogen hat, mehrheitlich auf John Kasich und teilweise auf Ted Cruz verteilen, so präsentiert sich das Bild wie folgt: Trump 827, Cruz 546, Kasich 240 Delegiertenstimmen.
Nun ist es wahrscheinlich, dass in diesem verrückten Wahlkampf Annahmen nicht zutreffen werden – aber es ist das wahrscheinlichste Szenario. Dies insbesondere, weil weder Cruz noch Kasich Anstalten machen, ihre Kandidatur zurückzuziehen.
Vor den Wahlen in den 12 verbleibenden «Winner-takes-it-all– Staaten» fehlen Trump also noch 410 Delegiertenstimmen zur sicheren Nomination. Zu vergeben sind in diesen Staaten noch 606 Delegiertenstimmen.
Und hier nun die möglichen Szenarien:
1. Trump marschiert durch (50%)
In den drei Staaten mit den meisten Delegierten liegt Trump in Front. In California (172), Pennsylvania (71) und Arizona (58) wird Trump 301 Delegierte sammeln, so dass ihm schlussendlich nur noch 109 Delegierte fehlen. Diese wird Trump in den übrigen neun «Winner-takes-it-all-Staaten» gewinnen und wird offiziell Kandidat der republikanischen Partei.
2. Meinungsumschwung in California (30%)
Bis jetzt hat Widerstand Donald Trump nur stärker gemacht. In den letzten Wochen ist aus diesem Widerstand jedoch sowas wie eine Volksbewegung entstanden und es gibt auch kaum einen Schauspieler und Musiker, der sich in diesen Tagen nicht öffentlich gegen Trump stellt. Verliert Trump dadurch einen Anteil seiner prognostizierten 38% der Stimmen, so könnte es für Cruz (22%) oder Kasich (20%) reichen, Trump in California abzufangen. Begünstigt wird dieses Szenario dadurch, dass diese Umfrage auch noch Rubio 10% der Stimmen zusprach. Schwächelt zudem Cruz oder Kasich, könnte der andere der beiden mit einem Teil dieser Stimmen Trump noch abfangen und den Staat California für sich entscheiden. Trump wäre dann in der ungemütlichen Lage, seine 410 der verbleibenden Stimmen von den übrigen 434 Stimmen zu ergattern. Das dürfte selbst ihm schwer fallen. Die Folge wäre dann eine «brokered convention», bei der keiner der Kandidaten das absolute Mehr der Delegiertenstimmen erreicht.
3. Cruz oder Kasich ziehen sich zurück (20%)
Sollte entweder Cruz oder Kasich seine Kandidatur zurückziehen, so dürfte der verbliebende der beiden die Nomination gewinnen. Zwar würde Trump, insbesondere bei einem Rückzieher von Cruz, auch einen Teil der Stimmen gewinnen können, für einen Durchmarsch würde es aber nicht reichen. Der verbleibende Kandidat würde auch in den proportional wählenden Staaten dazugewinnen und mit der geschlossenen Unterstützung der Partei zumindest erreichen, dass Trump die absolute Mehrheit der Delegierten nicht erreicht.
Nun stellt sich noch die Frage, was mit den Delegiertenstimmen der Kandidaten geschieht, die ihre Kandidatur zurückgezogen haben. In einigen Staaten sind diese Stimmen im ersten Wahlgang an den Kandidaten gebunden, selbst wenn dieser nicht mehr kandidiert. In der Mehrheit der Staaten sind diese Stimmen jedoch frei in der Entscheidung, welchem Kandidaten sie an der Nominierungsversammlung (Convention) ihre Stimme geben wollen.
Abgesehen von den acht Stimmen von Ben Carson dürfte die Mehrheit dieser Stimmen, total sind es immerhin 223, an John Kasich oder Ted Cruz gehen. Sollte keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang erreichen, so käme es zu einer «brokered convention». Die Delegierten wären dann ab dem zweiten Wahlgang frei in der Wahl ihres Kandidaten. Gut möglich, dass sich dann die Partei hinter Cruz oder Kasich stellen würde und einem der beiden zur Nomination verhelfen würde.
Offen ist dann die Frage, ob Trump dieses Resultat akzeptieren und wie versprochen auf eine wilde Kandidatur verzichten würde. Sollte er als wilder Kandidat antreten, dann ist Clinton gewählt. Wird Trump nominiert, ist Clinton ebenfalls gewählt. Die praktisch nominierte Demokratin muss eigentlich nur zwei Szenarien fürchten: 1) ihren E-Mail-Skandal und die anstehenden Untersuchungen dazu sowie 2) einen moderaten republikanischen Kandidaten wie Kasich, der ihr in der Mitte Stimmen kosten könnte. Beides scheint eher unwahrscheinlich – doch wer weiss das schon.
Und so sind die Chancen heute (oder auch nicht):
Nomination Republikaner
Trump (50%), Cruz (25%), Kasich (25%)
Nomination Demokraten
Clinton (80%), Sanders (20%)
Präsidentenwahl
Clinton (70%) vs. Trump (30%)
Clinton (60%) vs. Cruz (40%)
Clinton (50%) vs. Kasich (50%)
(Bild: EQ Images)