Der französische Präsident stösst mit seinen Plänen zur Liberalisierung des Arbeitsmarktes auf breiten Widerstand aus dem eigenen sozialistischen Lager. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Monsieur Le President gerne mal seine Meinung ändert.
Zwei Zahlen dominierten die französische Wirtschaftspolitik in den letzten Jahren: Erstens 75 Prozent Einkommensteuer für Topverdiener und zweitens die 35-Stunden-Woche. Beide galten aus sozialistischer Sicht als unantastbar. Nachdem der astronomisch hohe Einkommensteuersatz vom Verfassungsrat gekippt wurde, sieht es nun so aus, als ob Präsident Hollande auch das zweite Heiligtum der französischen Linken abreissen wird. Die geplante Liberalisierung des Arbeitsmarktes sieht vor, dass Unternehmen grössere Freiheiten beim Einteilen der Arbeitszeiten haben. Im Detail könnten französische Firmen selbst mit der Belegschaft über Arbeitskapazitäten verhandeln, ohne dabei auf nationale Übereinkommen Rücksicht nehmen zu müssen. Die 35-Stunden-Woche bliebe offiziell zwar in Kraft, einzelne Unternehmen könnten künftig aber sogar 46-Stunden-Wochen über einen Zeitraum von maximal 16 Wochen einführen.
Auch weitere Liberalisierungen, beispielsweise Anstellungsverhältnisse betreffend, sind in der neuen Vorlage vorgesehen. Das französische Arbeitsgesetz, momentan umfangreicher als die Bibel (!), soll sich künftig auf die Sicherung grundlegender Rechte der Arbeiterschaft konzentrieren. Das Vorhaben stösst allerdings vor allem innerhalb der Wählerschaft Hollandes auf Widerstand. Die Gewerkschaften haben bereits angedroht, auf die Barrikaden zu gehen und auch in ihrem politischen Flügel, der Parti socialiste, sorgen die Pläne Hollandes für Ratlosigkeit. Der formell sozialistische Präsident agiert nun, ähnlich seinem italienischen Pendant Matteo Renzi, nicht wie ein linker Hardliner (wie viele seiner Wahlversprechen vermuten liessen), sondern betreibt Mitte-Rechts Politik.
Seine Wahl verdankte Hollande nicht zuletzt seinen lächerlich hohen Wahlversprechen in Sachen Kündigungsschutz, Mindestlöhne, kürzere Arbeitszeiten etc. Umso grösser ist das Unverständnis im linken Lager, weshalb der Präsident nun, im letzen Jahr seiner Amtszeit, von seinen Versprechen abweicht.
Diese als Verzweiflungsakt anmutende Vorgehensweise bestärkt den Glauben der Mehrheit der Franzosen, ihr Präsident sei ein Opportunist. Nach den Anschlägen von Paris und seinem Rechtsruck in Sicherheitsfragen scheint Hollande nun auch in wirtschaftspolitischen Belangen weit von seiner Parteilinie abzuschweifen.
(Bild: EQ Images)