Graubünden verliert Sitz im Nationalrat – ein weiterer Bedeutungsverlust

Für Graubünden ist es ein historischer Einschnitt: Erstmals seit über 60 Jahren wird der Kanton bei den kommenden Nationalratswahlen nicht mehr mit fünf, sondern nur noch mit vier Vertreterinnen und Vertretern in Bern präsent sein. Der Bundesrat hat die Sitzverteilung für die Wahlen vom 24. Oktober 2027 neu berechnet. Grund dafür ist das geringere Bevölkerungswachstum im Bergkanton im Vergleich zu anderen Regionen der Schweiz.

Seit den 1960er-Jahren stellte Graubünden konstant fünf Nationalräte – eine kleine, aber wichtige Delegation in der grossen Kammer für den Kanton. Mit dem Verlust des fünften Sitzes rutscht Graubünden endgültig ans untere Ende der Vertretungsskala. Nur noch vier Stimmen wird der flächenmässig grösste Kanton der Schweiz künftig in den Nationalrat einbringen können.

Für die kantonalen Parteien ist dies ein herber Schlag: Der Verlust trifft die Bündner Delegation hart, da jede Stimme in Bern zählt. Beobachter gehen davon aus, dass insbesondere die SVP mit dem erst 2023 gewählten Roman Hug um ihren zweiten Sitz zittern muss. Die übrigen vier bisherigen Nationalräte – Martin Candinas (Mitte), Anna Giacometti (FDP), Magdalena Martullo-Blocher (SVP) und Jon Pult (SP) – verfügen über gefestigte Wählerbasen für einen Sitz.

Gewinner sind Luzern und Freiburg

Während Graubünden und Bern Sitze abgeben müssen, profitieren andere Kantone vom Wachstum. Luzern erhöht seine Delegation von neun auf zehn Sitze, Freiburg von sieben auf acht. Der Kanton Bern verliert bereits zum dritten Mal innerhalb von zwölf Jahren einen Sitz und kommt künftig noch auf 23 Vertreter.

Symbolik des Bedeutungsverlusts

Für Graubünden wiegt der Verlust schwerer als die bloss eine Stimme. In einem föderalen System, in dem die Bevölkerungszahl über die Vertretung entscheidet, geraten Rand- und Bergregionen zunehmend ins Hintertreffen. «Graubünden verliert damit weiter an Gewicht in der nationalen Politik», kommentieren Politbeobachter. Gerade bei Themen wie Verkehrsinfrastruktur, Energie oder Tourismusförderung, die für den Kanton überlebenswichtig sind, schwächt der Verlust die Einflussmöglichkeiten.

Föderales Gleichgewicht unter Druck

Die Bundesverfassung garantiert jedem Kanton mindestens einen Sitz, doch die proportionalen Anpassungen alle vier Jahre machen sichtbar, wo die Schweiz wächst – und wo nicht. Während die Agglomerationen und Zentralschweiz an Gewicht gewinnen, kämpfen Berggebiete wie Graubünden mit einer demografischen Stagnation.

Mit der Sitzreduktion verliert Graubünden also nicht nur ein Mandat, sondern auch ein Stück seiner Stimme im nationalen Konzert – ein schmerzlicher Einschnitt, der die politische Marginalisierung des Bergkantons weiter vertieft.

 

(Bild: Aus 5 mach 4/GRHeute)