Trotz messbarer Schadstoffbelastung im Grundwasser will der Kanton Graubünden die ehemalige EMS-Chemie-Deponie «Rusna da Furns» nicht sanieren, sondern lediglich überwachen. Das sorgt für scharfe Kritik: Die Gemeinde Domat/Ems und der WWF ziehen vor Gericht – sie fordern eine sofortige Sanierung zur Sicherung des Trinkwassers.
Die Altlasten auf dem Areal der ehemaligen EMS-Chemie-Deponie «Rusna da Furns» sorgen erneut für hitzige Diskussionen im Kanton Graubünden. Nachdem das Amt für Natur und Umwelt (ANU) entschieden hat, auf eine Sanierung vorerst zu verzichten und stattdessen eine vierjährige Überwachungsphase einzuleiten, regt sich Widerstand: Die Gemeinde Domat/Ems sowie der WWF Graubünden erheben offiziell Beschwerde gegen den Entscheid.
Trichlorethen im Trinkwasser
Seit den 1990er-Jahren ist die Deponie stillgelegt. Dennoch wird im angrenzenden Trinkwasser-Pumpwerk «Bagliel» regelmässig Trichlorethen im Grundwasser nachgewiesen – ein krebserregendes, nicht abbaubares Lösungsmittel, das früher industriell verwendet wurde. Trotz der Belastung sieht das ANU keinen zwingenden Beweis dafür, dass die Deponie «Rusna da Furns» die konkrete Quelle ist, und verzichtet deshalb auf eine Sanierungsanordnung. Stattdessen soll EMS-Chemie die Überwachung des Standortes sowie die Kosten dafür übernehmen.
WWF: «Kanton nimmt massive Risiken in Kauf»
Für den WWF ist dieser Entscheid inakzeptabel. Geschäftsleiterin Anita Mazzetta warnt eindringlich: «Der Kanton nimmt damit in Kauf, dass sehr bedeutende Schadstoffemissionen aus der Deponie ins Grundwasser gelangen können, wo sie grundsätzlich nicht mehr rückholbar sind.» Sie fordert eine systematische Untersuchung sowie eine engmaschige Überwachung während einer Sanierung.
Der Umweltverband zweifelt nicht daran, dass «Rusna da Furns» die Hauptquelle der Trichlorethen-Belastung ist – denn andere plausible Quellen seien laut WWF weder bekannt noch möglich. Auch erhöhte Fluoridwerte in der Nähe der Deponie sprechen für eine Verursachung durch die alten Industrieabfälle.
Gemeinde Domat/Ems: Rechtsweg als letztes Mittel
Auch die Gemeinde Domat/Ems zeigt sich alarmiert. In einer schriftlichen Stellungnahme vom 26. November 2024 forderte sie eine konsequente Aufklärung sowie die vollständige Beseitigung der Schadstoffe. «Die Grenzwerte für die Trinkwasserqualität werden zwar eingehalten, dennoch haben wir Belastungen im Wasser, die wir komplett eliminieren möchten», erklärt Gemeindepräsident Erich Kohler.
Nachdem die Forderungen bei den kantonalen Behörden auf taube Ohren stiessen, legt die Gemeinde nun Beschwerde ein. Die Begründung: Die vorliegende Verfügung verletze das Bundesrecht, insbesondere das Altlastenrecht, das eine Sanierungspflicht vorsieht, sobald gefährliche Stoffe im Grundwasser über der Bestimmungsgrenze nachgewiesen werden.
Kritik am kantonalen Vorgehen
Dass das ANU alle übrigen 15 Deponiestandorte auf dem Areal der EMS-Chemie als weder überwachungs- noch sanierungsbedürftig beurteilt, sorgt ebenfalls für Verwunderung. Für die Gemeinde Domat/Ems ist der Fall klar: Solange keine alternative Ursache für die Schadstoffbelastung bekannt ist, muss die einzige verbleibende Quelle – die Deponie – saniert werden.
Druck auf Kanton steigt
Mit den Beschwerden von WWF und Gemeinde wächst der politische und öffentliche Druck auf den Kanton. Es geht dabei auch um mehr als um technische Gutachten – es geht um den Schutz des Trinkwassers und um die Frage, welche Verantwortung Politik und Industrie für Altlasten aus der Vergangenheit tragen.
Trichlorethen (auch Trichlorethylen) ist ein chloriertes Lösungsmittel, das früher in der Metallverarbeitung und Chemieindustrie zum Entfetten verwendet wurde. Es gilt als krebserregend und kann sich über Jahre hinweg im Grundwasser halten.
(Archivbild Ems-Chemie/zVg.)