Die Regierung nimmt den Bericht «Geschichte des Faschismus und Nationalsozialismus in Graubünden – Forschungsstand und Forschungslücken» der beiden Historiker Christian Ruch und Andrea Tognina zur Kenntnis und beschliesst weitere Schritte zur Erforschung dieses Themas.
Im Nachgang zu einer Debatte um ein Grabmal für internierte deutsche Soldaten des 1. Weltkriegs auf dem Friedhof Daleu in Chur (sogenannter «Nazi-Stein») wurde im Grossen Rat eine umfassende Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus und Faschismus in Graubünden gefordert (Auftrag Tino Schneider vom 15. Februar 2023). Die Regierung schlug daraufhin vor, in einem ersten Schritt den Forschungsstand im Rahmen eines wissenschaftlichen Rechercheprojekts zu erheben und Forschungslücken zu benennen, wie die Standeskanzlei des Kantons Graubünden am Donnerstag mitteilte.
Bericht zeigt Forschungsstand und -lücken
Der Bericht der beiden Historiker Christian Ruch und Andrea Tognina liegt nun vor und entfaltet sachkundig in der Form einer «erzählten Bibliografie» das eindrückliche Panorama der bisherigen Forschungsbemühungen. Auftragsgemäss schliessen die Autoren ihren Bericht mit der Identifikation von Forschungslücken und Vorschlägen zur weiteren Forschung ab. Sie ziehen folgendes Fazit: «Die Bündner Geschichte zur Zeit des Faschismus und Nationalsozialismus weist zwar weiterhin einiges an Forschungslücken und -bedarf auf, die immer wieder kolportierte Behauptung, dass man so gut wie nichts über diese Epoche wisse, ist jedoch nicht haltbar. Allerdings kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass zwischen dem in Form von schriftlichen Publikationen und auch Filmen greifbaren Forschungsstand einerseits und öffentlicher Wahrnehmung andererseits eine gewisse Diskrepanz besteht.»
Kanton will weitere Forschung fördern
Für die künftige historische Forschung stellt der Bericht eine wertvolle Grundlage dar. Angesichts des grossen öffentlichen und politischen Interesses an der fraglichen Epoche, erscheint es angebracht, dass der Kanton die Erforschung der Zeit des Faschismus und Nationalsozialismus selbst ebenfalls fördert. Der mediale Diskurs beziehungsweise die öffentliche Meinung der fraglichen Zeit mit Bezug zu Nationalsozialismus und Faschismus soll mit den Mitteln der Medienwissenschaft analysiert werden. Dazu werden Institutionen im Bereich der Geschichts- und Medienforschung eingeladen, einen Antrag mit Forschungskonzept für ein Projekt «systematische Auswertung der Bündner Medien bezüglich ihrer Berichterstattung zu Nationalsozialismus und Faschismus» einzureichen.
Für weitere Forschungen kann zudem ein bisher unerschlossener Bestand mit Seltenheitswert, nämlich das umfassend erhaltene Archiv der 1901 von Hermann und Olga Burchard gegründeten Deutschen Heilstätte – heute als Hochgebirgsklinik Davos bekannt – erschlossen und zugänglich gemacht werden. Seit 2020 befindet sich das Archiv der Hochgebirgsklinik als Schenkung im Staatsarchiv Graubünden. Das Staatsarchiv wird die detaillierte Erschliessung des Bestandes mit externer Unterstützung priorisieren.
- Bericht zur Geschichte des Faschismus und Nationalsozialismus in Graubünden
- Grabmal Daleu erhält Informations-Tafel
(Bild: GRHeute)