Brienzer:innen können sich für einen Besuch rüsten

Der Berg in Brienz ist weiter in Bewegung. Der Krisenstab behält im Moment zwei Dinge im Fokus: Ein Besuch der Bewohnerinnen und Bewohner von Brienz und die theoretische Vorbereitung einer Phase blau.

Im mittelfristigen Trend der letzten Wochen gingen die Geschwindigkeiten am Berg generell leicht zurück, wie der Krisenstab der Gemeinde Albula/Alvra am Freitag mitteilte. Die Schneefälle der vergangenen Tage haben aber zu einem erneuten Anstieg der Geschwindigkeiten in der «Schutthalde oben» und der «Insel West» geführt. Mit etwas Verzögerung reagieren auch die weiteren niederschlagssensitiven Bereiche (Front, West, Insel Ost) mit Geschwindigkeitszunahmen. Die einsetzende Schneeschmelze wird die Geschwindigkeiten in den kommenden Tagen nochmals markant ansteigen lassen.

Rutschung Dorf

Die Geschwindigkeiten der Rutschung Dorf sind weiterhin rückläufig. Beim Messhäuschen im Dorf beträgt die aktuelle Geschwindigkeit etwa 1.9 m/Jahr. Nach Niederschlägen oder Schneeschmelze wird eine erneute Beschleunigung erwartet. Die Entwicklung bis zum Frühling kann noch nicht vorhergesagt werden.

Aktuelle Geschwindigkeiten

Plateau: ca. 5.2 m/Jahr | zunehmend
Front: ca. 4.6 m/Jahr | stagnierend
West: ca. 6.1 m/Jahr | zunehmend
Insel Ost: ca. 3.8 m/Jahr | abnehmend
Rücken Caltgeras: ca. 2.8 m/Jahr | abnehmend
Rutschung Dorf: ca. 1.9 m/Jahr | abnehmend
Schutthalde oben: bis ca. 15 cm/Tag | zunehmend

Aktuelle Beurteilung der Gefährdungslage

Die «Schutthalde oben» hat sich so weit talwärts bewegt, dass ein spontanes Abbrechen immer weniger wahrscheinlich wird. Nach wie vor besteht aber die Gefahr, dass die 1,2 Millionen Kubikmeter Felsschutt nach grossen Niederschlägen oder einem Felssturz abgehen und das Dorf erreichen könnten.

Die Rutschung Berg mit der «Schutthalde oben» wird vom Frühwarndienst engmaschig beobachtet. Gemeinsam mit der Fachgruppe Geologie und Naturgefahren sowie beratenden Experten beurteilt der Frühwarndienst die Entwicklung der Gefährdungslage immer wieder neu. Besondere Beachtung schenken die Experten zurzeit der Reaktion der «Schutthalde oben» auf Niederschläge, Schneeschmelze und Felsstürze. Diese könnten einen schnellen Schuttstrom auslösen, der das Dorf erreichen kann.

In den knapp elf Wochen seit der zweiten Evakuierung von Brienz/Brinzauls haben sich die Schuttmassen 10 bis 15 Meter talwärts bewegt. Nach Niederschlägen oder Felsstürzen nimmt ihre Geschwindigkeit jeweils rasch zu – danach setzt aber auch rasch wieder eine Beruhigung ein. Die Gefahr, dass aus der «Schutthalde oben» ohne grosse Niederschläge oder Felsstürze spontan ein schneller oder sehr schneller Schuttstrom abgeht, ist nach der Meinung der Expert:innen merklich kleiner geworden.

Niederschläge, Schneeschmelze oder Felsstürze könnten die Schuttmassen aber so stark beschleunigen, dass es zu einem schnellen oder sehr schnellen Schuttstrom kommt. Er könnte Geschwindigkeiten von bis zu 200 Stundenkilometern erreichen und das Dorf schwer beschädigen oder gar zerstören. Deshalb darf Brienz/Brinzauls nach wie vor nicht bewohnt werden.

Dass sich die Schuttmassen markant beschleunigen können, hat sich seit der Evakuierung von Brienz/Brinzauls im November gleich mehrfach gezeigt. Zuletzt stieg die Geschwindigkeit der «Schutthalde oben» nach einem Felssturz am 3. Januar und nach den Niederschlägen vom vergangenen Wochenende markant an. Der aktuell liegende Schnee könnte zudem dazu führen, dass ein abgehender Schuttstrom weiter in das Gelände vorstösst, als dass dies bei trockenen Bedingungen der Fall wäre.

Abklärungen für einen Besuch des Dorfes

Nach der jüngsten Beurteilung der Gefährdungslage prüft der Gemeindeführungsstab (GFS) die Schaffung einer Zutrittsmöglichkeit für evakuierte Einheimische und Besitzer:innen von Zweitwohnungen während einiger Stunden. Betroffene aus Brienz/Brinzauls hatten verschiedentlich den Wunsch geäussert, ihre Häuser und das Dorf besuchen zu können.

 

Wenn nach trockenem Wetter wenig Wasser in der rutschenden Masse ist, sich keine Anzeichen für Felsstürze zeigen und die Geschwindigkeit der «Schutthalde oben» über mehrere Tage nicht zunimmt, wäre nach Ansicht der Geologen und Naturgefahrenexperten ein stundenweiser Aufenthalt im Dorf möglich.

Die aktuelle Wetterlage lässt einen Besuch des Dorfes noch nicht zu. Der GFS ist aber daran, einen Besuchstag im Dorf zu planen. Nach einer Wetterbesserung und wenn die nötigen Abklärungen und Vorbereitungen für die Sicherung und Organisation erfolgt sind, wird der GFS umgehend weiter informieren.

Vorbeugende Planung einer Phase BLAU

Der Gemeindeführungsstab und mehrere kantonale Stellen haben die Planung einer möglichen Phase BLAU intensiviert.

In einer Phase BLAU würden die Landwasserstrasse und die Albulalinie der Rhätischen Bahn zwischen Tiefencastel und Surava aus Sicherheitsgründen gesperrt. Ebenfalls gesperrt würde die Kantonsstrasse zwischen Tiefencastel und Vazerol. Ein Entscheid für eine Phase BLAU hätte Auswirkungen weit über die Gemeinde Albula/Alvra hinaus. Er würde nicht vom Gemeindeführungsstab, sondern von kantonalen Stellen gefällt.

Grund für die Intensivierung der Vorbereitungen ist die Schneedecke, die momentan im Gebiet rund um Brienz/Brinzauls liegt. Sie könnte im Fall eines schnellen Schuttstroms dazu führen, dass Schuttmassen viel weiter vordringen als bei trockenen Bedingungen. Dies könnte zu einer Gefährdung der Verkehrswege an der Albula und von Tiefencastel auf die Lenzerheide werden. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses ist aber nach wie vor sehr gering.

Die Planung einer Phase BLAU ist eine vorsorgliche Massnahme: Der GFS will sicherstellen, dass er möglichst alle organisatorischen Vorkehrungen für einen solchen Fall getroffen hat.

Informationen zur Phase BLAU

Für den Fall, dass eine Phase BLAU ausgelöst werden müsste, wird ein kostenloser SMS-Alarm angeboten. Verkehrsteilnehmende, die beim Beginn einer Phase BLAU sofort informiert werden möchten, können sich für diesen Dienst anmelden.

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(Grafik, Bilder: zVg./GRHeute)