«Graubünden sollte auf den nationalen Olympiazug aufspringen»

Ein Kommentar von Christoffel Brändli, alt-Regierungsrat und Ständerat Graubünden.

 

Die Geschichte der Olympischen Spiele in der Schweiz ist eher eine Leidens-als eine Erfolgsgeschichte, auch wenn die Spiele 1928 und 1948 in St. Moritz durchgeführt wurden. Von 1936 bis 2010 sind insgesamt 10 Bewerbungen für Winter- und Sommerspiele in unserem Land durchgefallen. Hinzu kommen zahlreiche Bewerbungen, die nicht bis in die Endrunde gelangten.

Einmal mehr hat das IOC nun angekündet, die Spiele ab 2026 wieder auf eine vernünftige Ebene zurückzuführen. IOC-Präsident Bach hat im Rahmen der Agenda 2020 40 Reformvorschläge eingebracht, um es Bewerbern einfacher zu machen. Insbesondere sollen Teile der Spielen nicht an einem Ort durchgeführt werden müssen.

Schweizer Kantönligeist wie immer

In der Schweiz rüstet man sich gegenwärtig in verschiedenen Regionen für eine Kandidatur. Die Nase vorn hat vorläufig das Wallis, obwohl in bezug auf die Infrastrukturen vieles im Argen liegt und Christian Constantin bei aller Originalität kaum die Vertrauensperson ist, die vom Bund Milliardenkredite für das Vorhaben auslösen kann. Parmelin hin oder her.

Auch Graubünden, infrastrukturmässig eher besser aufgestellt, bemüht sich, zuerst einmal im nationalen Wettbewerb zu bestehen. Gerüchteweise interessiert man sich auch in der Innerschweiz, im Kanton Bern und in der Region Lausanne für die Durchführung olympischer Winterspiele.

In den letzten Wochen ist nun die Idee einer gesamtschweizerischen Kandidatur aufgekommen. Was vorerst als Bieridee daherkam,  gewinnt bei näherer Analyse immer mehr an Attraktivität.  Nur eine gesamtschweizerische Lösung garantiert, dass wenig oder gar keine unnötige Investitionen nötig werden. Sie bietet auch ressourcenmässig die Voraussetzungen, um einen derartigen Anlass zu bewältigen. Zudem bietet sie Gewähr, eine nationale Euphorie auszulösen, die notwendig ist, wenn man an die finanziellen Konsequenzen einer Kandidatur für den Bund denkt.

Wie soll sich Graubünden verhalten?

Graubünden täte gut daran, auf den nationalen Zug aufzuspringen und konstruktiv an dieser Idee mitzuarbeiten. Dies deshalb, weil Graubünden  sich für zahlreiche Sportteile mit seinen vorhandenen Infrastrukturen  geradezu aufdrängt. Ein nationales Projekt würde auch die Risiken breiter verteilen und bietet Graubünden zahlreiche Möglichkeiten, seine Infrastrukturen auf Vordermann zu bringen. Auch bezüglich Anbindung unseres Kantons an die Zentren unseres Landes könnte erwartet werden, dass einiges bewegt wird.

Klar ist, dass in diesem Fall nicht alle Disziplinen in Graubünden durchgeführt würden. Dabei ist es heute noch verfrüht, eine Zuteilung vorzunehmen. Aufgrund der vorhandenen Infrastrukturen drängen sich für die Bob- und Rodeldisziplinen das Oberengadin, für die Langlaufwettbewerbe Davos, für die Biathlonanlässe die Lenzerheide und für die Snowboard-Disziplinien Laax aufdrängen. Für die Eisdisziplinen dürfte hingegen der Raum Zürich Bern prädestiniert sein, weil in diesen Grossagglomerationen sichergestellt werden kann, dass die entsprechenden Infrastrukturen nachhaltig genutzt werden können. Skisprung-Disziplinen könnten aufgrund der vorhandenen Anlagen und der Tradition in der Innerschweiz durchgeführt werden. Offen ist die Frage, wo die Skidisziplinen durchgeführt würden. Im Rahme eines gesamtschweizerischen Konzeptes müsste wohl akzeptiert werden, dass hierfür das Berner Oberland und Crans Montana in Frage kommen. Sicher wird darüber noch intensiv diskutiert werden müssen.

Wie weiter?

Die Bündner Initianten tun gut daran, alle Optionen offen zu prüfen. Sie werden dabei feststellen, dass ein nationales Projekt mit starker Bündner Beteiligung bessere Chancen hat als ein Hick-Hack verschiedener kantonaler Bewerbungen. Mit einer nationalen Offensive steigt auf jeden Fall die Chance, dass sich die Schweiz nach vielen gescheiterten Versuchen international als Wintersportland profilieren kann. Dies liegt vor allem auch im Interesse der zukünftigen touristischen Entwicklung unseres Landes.

 

 

(Bild: Toni Livers am 50er in Sotschi 2014 – EQ Images)