Die Sorgen und Herausforderungen der Bündner Wirtschaft

Die neuste Umfrage der Dachorganisationen der Wirtschaft Graubünden (DWGR) zeigt eine stabile Geschäftslage der Unternehmen in Graubünden. Die Aussichten lassen weiterhin auf eine positive Entwicklung schliessen. Die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Arbeitskräftemangel sind nach wie vor hoch – haben sich aber vorübergehend stabilisiert. Handlungsbedarf gibt es beim Abbau von Bürokratie und im Bereich der Raumplanung sowie bei Baubewilligungsverfahren.

An der Online-Umfrage haben insgesamt 409 Betriebe aus Graubünden teilgenommen. Die Fokusthemen der diesjährigen Umfrage sind Unternehmensnachfolge und digitale Verwaltung. Die Umfrage zeigt, dass rund die Hälfte der Betriebe in den kommenden zehn Jahren eine Nachfolgelösung finden müssen – ein Drittel davon ist mit Schwierigkeiten konfrontiert. Im Bereich der digitalen Behördenleistungen erwarten die Unternehmen vor allem Einfachheit und Zeitersparnis. Die Umfrageresultate zeigen, dass die Arbeitgeber mit verschiedenen
Massnahmen auf den Arbeitskräftemangel reagieren und der Berufsbildung eine zentrale Rolle bei der Minderung des Fachkräftemangels zukommt.

Weiterhin stabile Geschäftslage und gute Aussichten

Die aktuelle Wirtschaftslage wird von den Umfrageteilnehmenden, wie bereits bei der letzten Umfrage, grösstenteils als gut (56%) bzw. sehr gut (21%) eingeschätzt. Ebenfalls werden die Aussichten bis Ende Jahr positiv bewertet: Über 80% der befragten Betriebe schätzen die Aussichten bis Ende Jahr als stabil oder sehen sogar eine Verbesserung. Der Grossteil der Bündner Unternehmen trotzt der schlechten Entwicklung der Weltwirtschaft somit erstaunlich gut. Dies täuscht nicht darüber hinweg, dass einzelne exportorientierte Unternehmen mit grossen Herausforderungen zu kämpfen haben.

Arbeitskräftemangel, Bürokratie und Raumplanung

Die Herausforderungen haben in fast allen Bereichen im Vergleich zum letzten Jahr abgenommen. Die grösste Herausforderung (gross bis sehr gross) stellt weiterhin der Arbeitskräftemangel (54%) dar, gefolgt von den politischen Rahmenbedingungen im Allgemeinen (35%) und der Energieversorgung (29%). Aufgrund der Zinserhöhungen haben die Schwierigkeiten auch im Bereich der Finanzierung von Investitionen leicht zugenommen: Rund jeder vierte Betrieb in Graubünden (2023: jeder fünfte Betrieb) ist im Bereich der Finanzierung mit gewissen Schwierigkeiten konfrontiert. Die Umfrage zeigt weiter, dass es bei den politischen Rahmenbedingungen insbesondere in zwei Bereichen Handlungsbedarf gibt: Beim Abbau der Bürokratie sehen 64% und bei der Raumplanung und den Baubewilligungsverfahren 48% einen grossen Handlungsbedarf. Bei anderen Rahmenbedingungen liegt der dringende Handlungsbedarf tiefer.

Stabilisierung beim Arbeitskräftemangel

Dass der Arbeitskräftemangel nicht zugenommen hat, dürfte mit der Entwicklung auf dem europäischen Arbeitsmarkt und der höheren Inflation im Ausland zu begründen sein. Die von den Unternehmen eingeleiteten Massnahmen zur Begegnung des Arbeitskräftemangels scheinen ebenfalls einen positiven Effekt zu zeigen. Da die demografische Entwicklung weiter voranschreitet gehen die DWGR aber davon aus, dass es sich dabei nur um eine vorübergehende leichte Entspannung handelt. Die negativen Auswirkungen des Arbeitskräftemangels sind stabil geblieben oder sind sogar zurückgegangen. Sie sind beim Aufwand für die Rekrutierung (43%), bei den unbesetzten Stellen (40%) und bei der Mehrarbeit bei bestehenden Mitarbeitenden (35%) am grössten. Erfreulich ist, dass die negativen Auswirkungen im Bereich der Investitionen (16%) und der Verschiebung von innerbetrieblichen Projekten (21%) zurückgegangen sind.

Betriebe reagieren auf Arbeitskräftemangel

Die Umfrageresultate zeigen, dass die Unternehmen auf den Arbeitskräftemangel reagieren. Im Vergleich zum Vorjahr haben noch mehr Arbeitgeber die Löhne erhöht (65%), die Arbeitsbedingungen attraktiver gestaltet (59%) und bei der Veränderung der Unternehmenskultur und in der Führung angesetzt (46%). Bei weiteren Massnahmen hat es im Vergleich zum Vorjahr keine nennenswerten Veränderungen gegeben. Ausserhalb des Personalbereichs zeigt sich, dass fast die Hälfte der Betriebe Anpassungen bei der Angebots-und Dienstleistungspalette vorgenommen sowie rund ein Drittel Automatisierungen im Betrieb vorangetrieben haben. Diese Massnahmen wurden im Vergleich zum Vorjahr vermehrt umgesetzt. Leicht tiefere Werte sind bei der Auslagerung von Arbeiten (37%) und der Anpassung des Geschäftsmodells (24%) zu verzeichnen. Bei der Eröffnung von Filialen an einem anderen Ort hat sich der Wert auf 8% verdoppelt. An einen neuen Standort umgezogen sind dagegen nur 3% der befragten Unternehmen.

Bei einem Drittel ist die Nachfolge nicht gesichert

In den nächsten 10 Jahren steht bei 52% der Unternehmen die Nachfolgeregelung an, bei 32% bereits in den nächsten fünf Jahren. Bei einem Drittel der Umfrageteilnehmenden ist die Nachfolge geregelt oder umgesetzt, bei einem weiteren Drittel ist diese kurz- und mittelfristig kein Thema. Der letzte Drittel ist mit Schwierigkeiten bei der Unternehmensnachfolge konfrontiert. Die grösste Herausforderung zur Unternehmensnachfolge ist bei der Finanzierung zu finden, sei dies beim Eigenkapital (35%), beim Fremdkapital (28%) oder steuerliche Hürden (22%). Gemäss den DWGR ist in diesem Bereich anzusetzen, um die Unternehmensnachfolge in Graubünden zu begünstigen – sei dies beispielsweise durch steuerliche Erleichterungen oder Bürgschaften. Zu prüfen ist, ob im Bereich der Wirtschaftsförderung – neben der Standortförderung und der Start-up-Förderung – auch die Unternehmensnachfolge mit geeigneten Instrumenten vereinfacht werden kann.

Es fehlen gelernte Mitarbeitende und Lernende

Weiterhin fehlt insbesondere das Personal auf Stufe der gelernten Mitarbeitenden (66%), gefolgt neu von den Lernenden (44%). Im Bereich spezialisierte Fachkräfte (40%) und Kader/Führungspersonen (29%) hat sich die Lage im Vergleich zu den Vorjahren leicht verbessert.

Gute Rahmenbedingungen für Nachfolgelösung

Die Nachfolgelösung findet bei 31% innerhalb der bisherigen Eigentümerschaft oder Familie statt, bei 15% innerhalb der Belegschaft und bei 9% steht der Verkauf des Unternehmens an. Hohe 41% der teilnehmenden Unternehmen geben keine Antwort an, was darauf schliessen lässt, dass die Nachfolge kein Thema ist bzw. die Form der Nachfolgeregelung noch nicht geklärt ist. Die Umfrageteilnehmenden sehen entsprechende Massnahmen für den eigenen Betrieb im Bereich von steuerlichen Anreizen/Entlastungen (34%), Abbau von regulatorischen Hürden (26%) sowie Bürgschaften (17%). Insbesondere bei steuerlichen Fragen (29%) und rechtlichen Fragen (24%) wenden sich Unternehmen im Zusammenhang mit der Unternehmensnachfolge an Externe.

Einfachheit steht bei digitaler Verwaltung im Zentrum

Beim zweiten Schwerpunktthema der Umfrage standen digitale Behördendienstleistungen im Vordergrund. Es zeigt sich, dass die Nutzung von digitalen Angeboten aufgrund von zu komplizierten Prozessen (31%), Nichtauffinden der Angebote (28%) sowie der aufwendigen Registrierung (26%) erschwert wird. Die Vorteile sehen die Umfrageteilnehmenden in der Flexibilität der Nutzung (46%) und einem zentralen Zugang (39%) zu digitalen Behörden-leistungen. Nur 10% sieht keine Vorteile in der Digitalisierung von Behördenleistungen. Bei den Anforderungen an digitale Behördenleistungen steht klar die Einfachheit im Zentrum. 66% beurteilen einfachere Prozesse als sehr wichtig und 60% die einmalige Erfassung / Wiederverwendung von Daten.

 

(Archivbild: Graubünden)