Brienz rutscht immer schneller

Brienz im Albula-Tal bewegt sich im Moment mehr als 1,4 Meter pro Jahr. Auch in den anderen Rutschgebieten nimmt die Geschwindigkeit zu. Das Erdbeben vom Donnerstag sollte aber keine Auswirkungen haben. 

Wie der Krisenstab der Gemeinde Brienz am Freitag mitteilte, nehmen die Geschwindigkeiten der Rutschung Berg weiterhin zu. Auf dem bewaldeten Rücken Caltgeras ist das bereits dem Spätsommer 2023 so. Kurzfristig (seit einigen Tagen) zeigen die Messungen in fast allen Bereichen leicht abnehmende Geschwindigkeiten. Auch die auf der Rutschung Dorf gemessenen Geschwindigkeiten haben weiter zugenommen. Der Messpunkt im Dorf bewegt sich aktuell mit mehr als 1,4 Metern pro Jahr.

Die aktuelle Geschwindigkeiten präsentieren sich gemäss Krisenstab wie folgt: 

Plateau: ca. 3.2 m /Jahr | zunehmend
Front: ca. 4.4 m/Jahr | leicht zunehmend
West: ca. 5.6 m/Jahr | zunehmend
Insel Ost: 2.9 m/Jahr | zunehmend
Rücken Caltgeras: 2.3 m/Jahr | zunehmend
Rutschung Dorf: 1.4 m/Jahr | zunehmend

 

Fünf Bewerber für den Entwässerungsstollen

Fünf Bauunternehmen bewerben sich für den Bau des Entwässerungsstollens für Brienz/Brinzauls. Ihre Offerten werden nach verschiedenen Kriterien beurteilt. Wenn alles glatt geht, kann der Bau Mitte März beginnen.

Der 635 Meter lange Sondierstollen unter dem Brienzer Rutsch wird zu einem gut zwei Kilometer langen Entwässerungsstollen ausgebaut. Vom jetzigen Ende des Sondierstollens südwestlich des Dorfes werden die Bergleute den Stollen zuerst nordwärts unter die Wiesen und den neuen Schuttkegel beim Schulhaus treiben. Von dort wird der Ost-Arm des Stollens in einer grossen Rechtskurve um das Dorf herum bis zum Dorfrand Richtung Alvaneu führen. Der West-Arm wird unter der Kantonsstrasse Richtung Lantsch/Lenz bis an den Rand der Rutschung oberhalb Vazerol verlaufen. Aus dem Stollen werden mehr als 100 Drainagebohrungen in den festen Fels und hinauf in die rutschende Masse gebohrt.

Die Arbeiten für den Bau des Stollens und die zahlreichen Bohrungen sollen gut zweieinhalb Jahre dauern und können nur von spezialisierten Unternehmen durchgeführt werden. Bis Ende November 2023 konnten sie ihre Offerten einreichen und sich damit für den Bau bewerben. Zurzeit würden die Offerten geprüft, sagt Josef Kurath vom Tiefbauamt Graubünden, der den Bau des Entwässerungsstollens leiten wird. «Wir beurteilen die Offerten nach verschiedenen Kriterien und vergeben dafür Punkte. Am Ende bekommt der Bewerber den Auftrag, der am meisten Punkte hat.» Der offerierte Gesamtpreis ist nur eines von drei Zuschlagskriterien. Er macht knapp einen Drittel der Punktierung aus. Zwei Drittel machen die Qualität des Angebotes und die Qualität des Bewerbers aus.

Der bestehende Sondierstollen (rot) und der Ausbau zum Entwässerungsstollen (gelb). Aus jeder der nummerierten Nischen werden Bohrungen in den umliegenden Fels und die darüberliegende Rutschmasse getrieben. Hellblau: Die Route für den Abtransport des Ausbruchs auf die Deponie bei Alvaschein.

Um die Eignung eines Unternehmens für den Auftrag zu beurteilen, bewerten Josef Kurath und sein Team eine Reihe von Kriterien. «Dazu gehören die Erfahrungen im Untertage- und Spezialtiefbau, insbesondere bei ähnlich anspruchsvollen Bohrarbeiten, aber auch die Referenzen, die das Unternehmen aus vergleichbaren Projekten mitbringt. Zudem wollen wir im Vornherein wissen, welches Fachpersonal das Unternehmen bei unserem Projekt einsetzen wird. Auch deren Referenzen prüfen und bewerten wir.» Eignet sich ein Unternehmen nicht für diese anspruchsvollen Arbeiten, wird es aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen.

Die Qualität des Angebotes wird ebenfalls anhand einer ganzen Reihe von Kriterien beurteilt. Es wird zuerst geprüft, ob die Unterlagen vollständig sind und ob das Angebot die gestellten Anforderungen erfüllt. Im Weiteren gehören zum Beispiel die Beurteilung der Aufgabenanalyse, des Bauprogramms und des technischen Berichtes dazu.

Transport des Ausbruchmaterials

Der Entwässerungsstollen ist eine Verlängerung des Sondierstollens. Der Bau kann deshalb vom selben Ort aus vorangetrieben werden. Die Zufahrtsstrasse zur Baustelle und zum Bauplatz bestehen schon, alle anderen Anlagen waren nach der Fertigstellung des Sondierstollens abgebaut worden und werden für den neuen Bau wieder installiert. Dazu gehören unter anderem Werkstätten für den gesamten Maschinenpark, die spezielle Abwasserreinigungsanlage und alle Container mit den Baubüros und Umzieh- und Aufenthaltsräumen für die Belegschaft.

Das Ausbruchmaterial aus dem Stollen wird mit Lastwagen in die Deponie Tgampi unterhalb Alvaschein gebracht. Im Schnitt werden dafür etwa 80 Lastwagenfahrten pro Woche nötig sein. Für die Lastwagen gilt eine Gewichtsbeschränkung, so dass sie die Zufahrtswege sowohl zum Stollenportal wie auch zur Deponie nicht übermässig beanspruchen. Die Lastwagen werden deshalb nicht voll beladen. Das hat den positiven Nebeneffekt, dass sie auf der Schynstrasse von Tiefencastel hinauf nach Mistail den Verkehr weniger behindern werden. In der Deponie wird das Material sortiert und teilweise endgelagert. Die Fachleute rechnen damit, dass gut ein Drittel des Materials in anderen Bauprojekten wiederverwendet werden kann.

Erdbeben zwischen Brienz/Brinzauls und Arosa

Am Donnerstagnachmittag hat sich beim Aroser Rothorn, 8,4 Kilometer nord-nordwestlich von Brienz/Brinzauls, ein Erdbeben ereignet. Das Beben hatte eine Magnitude von 3.0 und das Epizentrum lag in einer Tiefe von 6,4 Kilometern. Der Steinschlagradar registrierte keine Blockschläge.

Der Frühwarndienst und die Fachgruppe Naturgefahren erwarten nicht, dass nun ein grösseres Fels- oder Bergsturzereignis ausgelöst oder wahrscheinlicher wird. Es besteht somit keine erhöhte Gefährdung für das Dorf Brienz/Brinzauls.

(Bilder: zVg/Gemeinde Alvra/Tiefbauamt Graubünden, Ivan Degiacomi)