Der Rückgang der Schülerinnen und Schüler in den Brückenangeboten hat Auswirkungen auf die vorhandenen Angebote. Das Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement (EKUD) hat entschieden, auf die Verlängerung des Leistungsauftrags mit dem Brückenangebot Bündner Sozialjahr zu verzichten. Der Schulbetrieb wird per Ende Schuljahr 2023/24 eingestellt.
Die Nachfrage der Lehrbetriebe im Kanton Graubünden nach Lernenden ist seit Jahren sehr stabil. Im Vergleich dazu hat sich die Anzahl Schulabgängerinnen und Schulabgänger in den vergangenen Jahren stark reduziert. Aufgrund dieser Situation erhalten mehr Jugendliche die Möglichkeit, direkt im Anschluss an die obligatorische Schulzeit eine berufliche Grundbildung anzutreten. Auf der anderen Seite sinkt die Anzahl Schülerinnen- und Schüler, welche ein Brückenangebot absolvieren. Die reduzierte Nachfrage und der veränderte Bedarf haben das EKUD veranlasst, das Angebot an Brückenangeboten im Kanton zu reduzieren und den Leistungsauftrag mit dem Bündner Sozialjahr auslaufen zu lassen.
Nachfragerückgang für Brückenangebote in Graubünden
Brückenangebote ermöglichen Jugendlichen mit individuellen Bildungsdefiziten und Bildungsbedürfnissen nach der obligatorischen Schulzeit die Vorbereitung auf die berufliche Grundbildung. Die Anzahl jugendlicher Personen in Brückenangeboten hat sich seit 2017 von 270 um rund 40 Prozent auf aktuell 165 verringert. Die Situation bezüglich gesunkener Zahlen ist damit auch in den übrigen Brückenangeboten im Kanton vereinzelt angespannt. Deshalb wurden bereits Massnahmen definiert und umgesetzt, wie beispielsweise die Reduktion der Anzahl Klassen sowie vermehrte Klassenkombinationen.
Die Bündner Regierung hat aktuell mit sechs Trägerschaften einen Leistungsauftrag zur Führung eines Brückenangebots. Namentlich sind dies das Berufsvorbereitungsjahr in Samedan, die Berufswahlschule in Chur, das Bildungszentrum Palottis in Schiers, die Schule St. Catharina in Cazis, das Brückenangebot Vinavon in Ilanz und das Bündner Sozialjahr in Cazis. Aufgrund der veränderten Nachfrage und der Möglichkeit, direkt nach der obligatorischen Schulzeit eine Grundausbildung – auch im Gesundheitsbereich – beginnen zu können, hat das EKUD entschieden, den Leistungsauftrag mit dem Bündner Sozialjahr per Ende Schuljahr 2023/24 auslaufen zu lassen.
«Ich bin sehr erfreut, dass es mehr Jugendlichen gelingt, direkt nach der obligatorischen Schule in die berufliche Grundbildung einzusteigen. Gleichwohl bedaure ich den Entscheid, den Leistungsauftrag mit dem Bündner Sozialjahr nicht weiterzuführen. Nichtsdestotrotz bedanke ich mich herzlich bei den Akteuren des Bündner Sozialjahrs für das Engagament zugunsten unserer Jugendlichen», erklärt Regierungsrat Jon Domenic Parolini, Vorsteher des Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartements.
Das Bündner Sozialjahr
Im Jahr 1972 gründeten die Vereine Compagna Graubünden und die Evangelische Frauenhilfe Graubünden das Bündner Sozialjahr. Während mehr als 40 Jahren wurde es von den Vereinen Compagna, Evangelische Frauenhilfe, Pro Filia und dem Katholischen Frauenbund getragen. Heute bilden die Compagna und der Katholische Frauenbund die Trägerverbände.
Das Bündner Sozialjahr ermöglicht seinen Schülerinnen und Schülern unter anderem Praktika in Spitälern, Heimen oder Kinderkrippen. Ergänzend dazu besuchen die Jugendlichen während zwölf Wochen Unterricht. Zu einem grossen Teil wird das Bündner Sozialjahr von Jugendlichen als Vorbereitung auf eine berufliche Grundbildung im Gesundheitsbereich absolviert. Dies hat einen geschichtlichen Hintergrund. Bis Anfang der 2000er-Jahre gab es noch keine unmittelbar an die obligatorische Schulzeit anschliessenden beruflichen Grundbildungen im Gesundheitsbereich, und die höheren Diplomausbildungen im Bereich Gesundheit konnten erst mit Eintreten der Volljährigkeit begonnen werden. Um diese Zeit zu überbrücken, gab es unter anderem zwei Möglichkeiten: Traditionell bereitete die Vorgängerinstitution der Fachmittelschule, die Diplommittelschule, junge Menschen schulisch auf eine weiterführende Ausbildung, insbesondere in den Bereichen Krankenpflege, Soziale Arbeit und Kindergarten vor oder die Jugendlichen absolvierten das Bündner Sozialjahr.
In den letzten Jahren verzeichnete das Bündner Sozialjahr rückläufige Schülerzahlen; im aktuellen Schuljahr sind es noch fünf Schülerinnen. Die Präsidentin des Bündner Sozialjahrs, Claudia Bundi-Jenny, erklärt: «Während mehr als 50 Jahren haben über 1000 Jugendliche das Bündner Sozialjahr absolviert. Der Entscheid, dass wir das Bündner Sozialjahr auflösen müssen, schmerzt. Ich kann diesen aber nachvollziehen und verstehen. Ein grosses Dankeschön geht an die Mitarbeitenden des Bündner Sozialjahrs. Mit viel Herzblut haben sie sich für die Begleitung und Betreuung der Jugendlichen eingesetzt. Ebenso bedanke ich mich bei allen Institutionen und Praktikumsfamilien, bei welchen unsere Schülerinnen und Schüler ein Praktikum absolvieren durften.»
(Bild: Archiv GRHeute)