Die Präsenz von Grossraubtieren hat Auswirkungen auf die Bündner Land- und Alpwirtschaft. Eine Onlineumfrage im Auftrag des Amts für Landwirtschaft und Geoinformation zeigt aber auch, dass Bäuerinnen und Bauern anpassungsfähig sind und sich den Herausforderungen stellen.
Drei Viertel aller Betriebe im Kanton Graubünden sind von der Präsenz der Grossraubtiere betroffen, wie die Standeskanzlei des Kantons Graubünden am Donnerstag mitteilte. Während Bäuerinnen und Bauern auf den Heimbetrieben Sichtungen oder ein auffälliges Verhalten der Tiere melden, sind es auf den Alpbetrieben vor allem Angriffe und Risse. Betroffen sind vor allem die Regionen, in denen sich bereits in den letzten Jahren Wolfsrudel gebildet haben. Direkt wirkt sich die Präsenz von Grossraubtieren auf die Schaf- und Ziegenhaltung aus, insbesondere in der Abnahme der Sömmerung dieser Tiere.
Anpassungsfähige Landwirtschaft
Die Auswertung der Resultate zeigt, dass die Land- und Alpwirtschaft nicht bereit ist, die Bewirtschaftung der Kulturlandschaft und damit verbunden eine wichtige Einkommensgrundlage aber auch ein traditionelles Kulturgut aufzugeben. Sie passt sich vielmehr der neuen Ausgangslage an, indem sie die Produktion und die Abläufe auf den Landwirtschaftsbetrieben umstellt, in den Herdenschutz investiert und die Beweidung der Alpen neu organisiert. Massnahmen wie den Tierbestand zu reduzieren oder auf die Sömmerung zu verzichten, wurden bisher nur in Einzelfällen getroffen.
Sorgen um die Zukunft
Trotz der schwierigen Gegebenheiten ist die allgemeine Stimmung momentan in der Bündner Land- und Alpwirtschaft positiv. Mehr als vier Fünftel der Betriebe machen sich aber Sorgen um die Zukunft. Nebst dem Klimawandel wird die Präsenz der Grossraubtiere die zukünftige Entwicklung der Land- und Alpwirtschaft massgeblich beeinflussen. Bei steigendem Druck durch Grossraubtiere wird die künftige Haltung von Schafen und Ziegen sowie die Sömmerung in Frage gestellt. Zudem sind die Unsicherheiten und der Mehraufwand für viele Bäuerinnen und Bauern, Alpmeisterinnen und Alpmeister sowie für das Alppersonal eine grosse psychische und physische Belastung.
Regierungsrat Marcus Caduff, Vorsteher des Departements für Volkswirtschaft und Soziales, betont: «Eine Perspektive für die Land- und Alpwirtschaft wird die neue Jagdgesetzgebung geben, wenn Wölfe und Wolfsrudel proaktiv reguliert werden können und damit die Herdenschutzmassnahmen der Land- und Alpwirtschaft unterstützt werden.»
Auftrag und Methode zur Umfrage
Die Umfrage basiert auf dem Fraktionsauftrag «Auswirkungen der Präsenz von Grossraubtieren auf die Landwirtschaft», den der Bündner Grosse Rat in der Februarsession 2022 überwiesen hat. Alle Landwirtschafts- und Sömmerungsbetriebe im Kanton Graubünden konnten sich in einer Onlineumfrage äussern.
Beteiligt haben sich 1066 Landwirtschaftsbetriebe, was einem Rücklauf von 57 Prozent entspricht. Die Umfrage zur Sömmerung haben 405 oder 45 Prozent der angeschriebenen Betriebe beantwortet. Die im Vergleich zu den Landwirtschaftsbetrieben tiefere Rücklaufquote erklärt sich damit, dass Alpmeisterinnen und Alpmeister, die für mehrere Alpen zuständig sind, den Fragebogen mehrmals erhalten haben. Gemessen an der Zahl der angeschriebenen Alpmeisterinnen und Alpmeister liegt der Rücklauf bei 66 Prozent.
Die Umfrage wurde vom agrar- und regionalwirtschaftlichen Beratungsunternehmen Flury & Giuliani GmbH gemeinsam mit dem Sozial- und Marktforschungsinstitut DemoSCOPE im März 2023 durchgeführt.
Der detaillierte Bericht findet sich hier: Umfrage.
(Bild: GRHeute)