Die Welt war eine andere, als ich Titanic zum ersten Mal gesehen habe. Damals gab es den Kino-Montag für billigere Tickets und die einzigen Platz-Auswahlmöglichkeiten waren Parterre oder Balkon, und wehe, der grösste Mensch der Welt sass gerade vor einem. Man musste eine halbe Stunde vorher dort sein, sonst war das telefonisch reservierte Ticket weg. In der Pause gab es eine Glace, mehr nicht. In der WG, in der ich damals wohnte, hatten wir ein damals schon altmodisches Wand-Telefon, und wenn man Kino-Dates ausmachte, passierte das voll analog.
Das ist 25 Jahre her.
Heute kann man für ausgesuchte Blockbuster zwischen voll normal, 3D oder gar 4DX auswählen. Das Ticket bucht man Platzgenau über die App und hat damit auch schon das Ticket mit Twint oder der Kreditkarte bezahlt. Die Stühle sind so hoch, dass der grösste Mensch der Welt vor einem sitzen kann, ohne dass man sich in seiner persönlichen Integrität verletzt fühlt. Kino-Dates macht man persönlich, auf dem Handy oder gar in Whatsapp-Gruppen ab. Zum Naschen gibt es Nachos mit Sauce, Popcorn von S bis XL und Süsses von Maltesers bis M&Ms.
Zustände, die man sich damals nicht im futuristischen Science-Fiction-Film vorstellen konnte.
In diesen 25 Jahren hat sich Titanic kein bisschen verändert. Noch immer geht das sicherste Schiff der Welt am Ende unter. Noch immer trifft Jack Dawson auf Rose DeWitt Bukater und bringt ihr das Spucken bei. Er zeichnet sie nackt, wird in Handschellen gelegt und am Schluss versinkt das Herz des Ozeans in den Fluten des Atlantiks. Es gibt Sätze, die man seit immer im Kopf hat, wie zum Beispiel: «Ich bin der König der Welt!» oder: «Sie ist eine Waffe.» Die Szene, in der die unsinkbare Molly Brown Jack beim Upper-Class-Dinner erklärt, dass man das Besteck von aussen nach innen benutzt, kennen wir aus «Pretty Woman». Die unsinkbare Molly Brown ist seit immer meine liebste Figur des Filmes.
Titanic in 4XD bringt einem den Film noch einmal so richtig nahe. Wenn Rose in Grossaufnahme gegen ihren Verlobten Cal und ihre Mutter aufbegehrt und dabei aus Düsen parfümähnliche Düfte strömen, geht das anders ans Herz als wenn man den Computer mit Netflix vor sich hat. Wenn Wasser spritzt, weil Titanic halt ein Film ist, in dem viel Wasser vorkommt – sehr viel – dann ist das was ganz anderes als zuhause auf der Couch. Schon nur deshalb lohnt es sich, den Film noch einmal zu sehen. In Europapark-Bahnen ausgedrückt: Viel Voletarium, einiges Fluch der Kassandra und ein paar Mal Artur.
Was einem nach 25 Jahren aber sehr auffällt: Das Upper-Class-Casting ist komplett weiss. Diversität, wie es heute in jedem Film ganz normal und natürlich ist, war vor 25 Jahren kein Thema. Die People of Color sind in die 3. Klasse verbannt – mehr Klischee geht ganz sicher nicht. Und was erst 25 Jahre danach auffällt: Die Szene, als der Expeditionsleiter auf dem Forschungsschiff das Telefon von Uralt-Rose bekommt. Auf einem Uralt-Telefon. (Was aber irgendwie auch wieder geht, weil so weit weg von der Küste hat man wohl kein W-Lan.)
Technisch merkt man, insbesondere wenn man vorher die Vorschau eines neuen 3D-Films gesehen hat, dass Titanic einfach umgemodelt wurde. Das funktioniert für 95 Prozent des Films, der Rest nicht. Den Film nur als 3D-Werk zu sehen, lohnt sich meiner Meinung nach nicht. Aber als 25-Jahre-Jubiläum in 4DX auf jeden Fall.
PS: Titanic in 4DX lohnt sich auch als Wellness-Aufenthalt nach drei Tagen Fasnacht: Man wird dauernd am Rücken massiert, und dann und wann wird einem Wasser oder Luft zugefächert.
Titanic in Standard, 4DX und 3D: Titanic Re-Release
(Bild: Archiv)