Was für ein Kampf! Nach jahrelangen Beschwerden und Rechtsstreitigkeiten mit der Gewerkschaft Unia hat das Fashion Outlet in Landquart gestern den grossen Sieg davon getragen: Das beliebte Shopping-Center darf an Sonntagen offen bleiben. GRHeute hat die bewegte Geschichte aufgearbeitet.
2005
Erste Meldungen sickern durch, dass die deutsche Miag-Mutschler-Immobilien-Gruppe im Tardis-Gebiet neben dem Bahnhof Landquart ein Shopping-Center errichten will. Im November wird dies offiziell bestätigt. Man wolle unter anderem «ganz gezielt Touristen aus den Skigebieten nach Landquart locken».
2006
Der Gemeindevorstand Landquart lehnt im Februar das vorgesehene Projekt ab und verhängt einen Baustopp. Fast alle Verkaufshäuser würden auf Zizerser Boden stehen, wird argumentiert. Später, im Juni, akzeptiert sie doch, nachdem «die Einwände der Gemeinde in der Zwischenzeit bereinigt werden konnten». Der VCS lehnt zuerst Beschwerde gegen das Baugesuch ein, lenkt nach einem Kompromiss bezüglich Anzahl der Parkplätze dann aber ein. Im Dezember genehmigt die Gemeinde Zizers – die den Grossteil des Landes besitzt – die Baueingabe.
2007
Der Bündner Heimatschutz ist entsetzt und spricht von «baukultureller Schande» und einem «Trauerspiel». Im Februar erteilt auch die Gemeinde Landquart die Bewilligung für das Bauprojekt. Im September wird bekannt, dass die Mutschler-Gruppe das Projekt an die ING Real Estate Development Alpenrhein AG verkauft hat.
2008
Im März rollen die ersten Bagger an. Ein Viertel der Verkaufsfläche ist mittlerweile bereits verkauft.
2009
Kurz vor der Eröffnung wird bekannt, dass das Village an Sonntagen aus Arbeitnehmerschutz-Gründen geschlossen bleiben könnte. Die Center-Verantwortlichen brauchen eine Sonder-Bewilligung und suchen das Gespräch mit dem Kanton, der für das Anliegen wegen «seiner grossen Bedeutung für den Tourismus» offene Ohren hat. Die Gewerkschaft Unia wehrt sich umgehend. Es sei nicht zu verstehen, dass «modehungrige Konsumentinnen und Konsumenten ihre Einkaufsgelüste ausgerechnet am Sonntag mit dem Auto befriedigen müssen». Im Interesse der betroffenen Arbeitnehmenden müsse das Arbeitsgesetz auch in Landquart durchgesetzt werden. Im September erhält das Center vom Kanton Graubünden die gewünschte Bewilligung. Begründung: «Der ganze Kanton Graubünden ist Tourismusgebiet.» Die Unia besteht auf der Sonntagsruhe und setzt ein zehntägiges Ultimatum. Als der Kanton nicht darauf reagiert, reicht sie beim Seco Beschwerde ein. Ende November öffnet das Alpenrhein Outlet Village seine Tore, renommierte Marken wie Nike, Calvin Klein, Lacoste, Strenesse, Oakley und Bogner ziehen in Landquart ein. Die Kritik in Leserbriefen und Zeitungskommentaren am «künstlichen» Dorf ist gross und prägt die öffentliche Meinung in den Startmonaten des Centers. Die Unia kämpft mit harten Bandagen und spricht von «illegalen Bewilligungen.»
2010
Die Unia klagt gegen den Sonntagsverkauf. Der Kanton verfügt in einem Kompromiss, dass das Center nur während der Feriensaison an Sonntagen geöffnet sein dürfe. Die Unia und die Betreiber sind damit unzufrieden und legen beide Beschwerde ein. Diejenige des Centers führt dazu, dass vorläufig wieder jeden Sonntag geöffnet ist. Das Outlet wächst derweil weiter und zieht andere namhafte Marken wie Rip Curl, Armani, Gucci und Tommy Hilfiger an. 55 der 95 Verkaufsflächen sind vermietet.
2011
Die Südostschweiz berichtet, dass die Touristen wegen der Eurokrise vom Shopping Center wegblieben.
2012
Die Unia enerviert sich über den Kanton, dass sie schon 14 Monate auf eine Antwort ihrer Beschwerde warte. Kurz darauf lehnt der Kanton diese ab. Levi’s zieht ein, über 300 Personen arbeiten mittlerweile im Outlet Center. Besonders an Wochenenden und in den Ferien beginnt das Center zu florieren.
2013
An zwei Sonntagen im November müssen 6000 Kunden zurückgewiesen werden, weil das Center wegen des Teilzeit-Sonntagsverbots geschlossen bleiben muss. Die Jahresumsätze steigen trotzdem um 30%.
2014
Die Unia bekämpft die Sonntagsarbeit des Outlets in Landquart weiter, zieht aber Unmut auf sich, weil sie jenes in Mendrisio unbehelligt lässt. Sie zieht den Fall vors Bundesgericht. Das höchste Schweizer Gericht verbietet die Sonntagsarbeit am Outlet Center mit der Begründung, «Landquart sei kein touristischer Ort». Dies stösst in Landquart – mit dem wichtigen RhB-Bahnhof und dem Heidiland gleich um die Ecke und drei Skigebieten im Umkreis von 15 km – auf Unverständnis. Trotz des Richterspruchs duldet der Kanton Graubünden die Sonntagsverkäufe weiterhin und bewegt sich damit auf dünnem juristischem Eis. Die Unia legt Beschwerde gegen die provisorisch erteilte Bewilligung ein. Weiter grosse Marken wie Subway ziehen im Outlet ein.
2015
Als «widerrechtlichen Zustand» bezeichnet die Unia das Outlet und wendet sich an den Bundesrat. Ein Eigentor: Dieser lockert die Bedingungen für Sonntagsarbeit in Outlets. Mittlerweile existieren 400 Arbeitsplätze im ehemaligen Tardis-Land. In einer Umfrage befürworten über 95% der Outlet-Arbeitenden die Sonntagsarbeit. Eine weitere Beschwerde der Unia wird vom Bundesrat abgelehnt. Die britische VIA Outlets Gruppe kauft das Center der niederländischen ING Real Estate für 86 Millionen Franken ab. Das Outlet-Center in Landquart reicht offiziell ein Gesuch für den generellen Sonntagsverkauf ein.
2016
Das Outlet geht mit Heidiland Tourismus eine strategische Partnerschaft ein.
Gestern nun das (vorläufig) letzte Kapitel in der Odyssee des Outlet-Sonntagsverkaufs: Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat entschieden, die Geschäfte im Fashion Outlet in Landquart dürfen auch sonntags geöffnet bleiben. Der Entscheid ist nicht anfechtbar. Die Unia bezeichnet das Verdikt als «fragwürdig». Man sei sich zwar bewusst, dass die rechtlichen Möglichkeiten gering seien, trotzdem werde man das Dossier genau studieren und allfällige weitere Schritte prüfen, falls noch Fragen offen seien.
Oder übersetzt: Die Schlacht ist geschlagen, das mittlerweile Fashion Outlet heissende Center bleibt sonntags offen – für die Betreiber zweifellos ein Happy-End einer langen Odyssee.
(Bild: zVg.)