Der Mittwochskommentar zum internationalen Brennpunkt der Woche.
Der latente Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran droht in einen offenen Krieg zu eskalieren. Spätestens seit der Hinrichtung des schiitischen Geistlichen al-Nimr durch das saudische Königreich gehen die Wogen am persischen Golf hoch.
Die gefährlichste Region der Welt droht noch gefährlicher zu werden. Nachdem in Saudi-Arabien der einzige geistliche Führer der schiitischen Minderheit, Scheich Nimr al-Nimr, hingerichtet wurde, überschlugen sich die Ereignisse. In Teheran wurde die saudische Botschaft von Radikalen gestürmt, Riad brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen zur «Islamischen Republik» ab. Der Londoner Nahostexperte Michael Stephens kommentiert die Entwicklung: «Das ist eine beunruhigende Eskalation. Sie hat enorme Konsequenzen für die Menschen der Region, und die Spannungen zwischen den beiden Seiten bedeuten, dass sich die Instabilität in der ganzen Region fortsetzen wird.» Die schwierige Beziehung der beiden führenden islamischen Mächte hat aber weit tiefere Wurzeln.
Bereits seit Monaten liefern sich beide Mächte erbitterte Stellvertreterkriege im Jemen, im Irak und in Syrien. Die Mehrheit der saudischen Eliten gehört der ultrakonservativen Bewegung des Wahhabismus an und ist äusserst antischiitisch eingestellt. Diese sehen im Vormarsch der Huthi-Rebellen im Jemen eine Bedrohung ihrer Interessen am Roten Meer und die Installierung einer iranischen Marionette. Ob die Unterstützung des Irans für die Rebellen auch militärischer Natur ist konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden. Doch tägliche Flüge zwischen Teheran und der von den Rebellen kontrollierten Hauptstadt Sanaa deuten auf eine intensivere Hilfeleistung des Irans hin.
Seit dem Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak bekämpfen sich die schiitische Mehrheit und die Sunniten offen. Die Terrormiliz IS, die nota bene erst aus dem so entstandenen Machtvakuum entstehen konnte, ist dabei der erbitterte Gegner iranischer Interessen. Die irakische Armee wird seit 2014 denn auch kräftig vom schiitischen Nachbarn unterstützt.
Aber der zweifellos grösste und blutigste Stellvertreterkrieg der beiden Lokalmächte spielt sich in Syrien ab. Während Saudis und andere Golfstaaten den Rebellen unter die Arme greifen, stützt der Iran mit allen Mitteln den Alawiten (ein Ableger der Schiiten) Bashar al-Assad. Nur durch diese Unterstützung aus anderen arabischen Ländern wurde eine zeitliche und räumliche Ausdehnung des Konflikts möglich; mit mittlerweile vier Jahren Krieg und 220‘000 Todesopfern. Diese konfessionellen Kriege skizzieren eine düstere Zukunft für den Mittleren Osten: Sollte der Konflikt zwischen dem Iran und Saudi-Arabien weiter eskalieren, wartet auf die Region nacktes Chaos.
Zum Autor: Franco Membrini arbeitet zur Zeit an der University of Edinburgh an seiner Master-Arbeit unter dem Titel «Diplomacy in Times of Confessionalism. Foreign Policy of the Three Leagues in the Early Modern Era.» Zuvor studierte der 24-Jährige in Bern und Bologna internationales Recht, Betriebsökonomie und Geschichte. Der Churer kommentiert für GRheute in regelmässigen Abständen wichtige internationale Wirtschafts- und Politereignisse.
(Bilder: Wikipedia/Screenshots Youtube)